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Rechtsmedizin



Die Rechtsmedizin (auch: Gerichtsmedizin, Gerichtliche Medizin, Forensische Medizin) umfasst die Entwicklung, Anwendung und Beurteilung medizinischer und naturwissenschaftlicher Kenntnisse für die Rechtspflege sowie die Vermittlung arztrechtlicher und ethischer Kenntnisse für die Ärzteschaft.

Inhaltsverzeichnis

Aufgabenbereiche und Abgrenzungen

Die Aufgaben- und Forschungsbereiche der Rechtsmedizin sind Thanatologie (z. B. Leichenschau bei außergewöhnlichen Todesfällen), forensische Traumatologie, Toxikologie, Drogenforschung und -Diagnostik (Alkohologie), forensische Molekularbiologie (z. B. DNA-Untersuchungen), forensische Sexualmedizin, Verkehrsmedizin und -psychologie, Glaubhaftigkeitsbeurteilungen aus medizinischer und forensischer Sicht, medizinische Begutachtungskunde, Behandlungsfehlergutachten, Abstammungsgutachten, Versicherungsmedizin (z. B. Verletzungsgutachten), Fotografie & Neue Medien (Streifenlichttopometrie), Informationstechnologie & -management.

Interdisziplinär gibt es auch in anderen Studiengängen als der Humanmedizin Vorlesungen in Rechtsmedizin, z. B. für Zahnmediziner oder Juristen.

Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Rechtsmedizinern und Pathologen. Auch wenn es in Krimis oft "Pathologen" sind, die gerichtliche Leichenöffnungen durchführen, so ist dies doch falsch. Pathologen führen zwar auch Obduktionen durch, aber zur Abklärung der Todesursache von im Krankenhaus verstorbenen Patienten und wenn eine nicht natürliche Todesursache vorher ausgeschlossen wurde. Rechtsmediziner hingegen werden im Auftrag der Staatsanwaltschaft tätig. Die rechtsmedizinische Leichenöffnung dient der Klärung

  • der Todesursache
  • der Todesart (natürlich oder nicht natürlich)
  • der Identität des Opfers, falls diese nicht geklärt ist
  • des Todeszeitpunktes, was ab einer gewissen Liegezeit nicht mehr genau möglich ist

Wenn im Fernsehen nach einem mutmaßlichen Verbrechen eine Leiche obduziert wird, ist immer ein Rechtsmediziner am Werk, nie ein Pathologe. Der geläufige Irrtum erklärt sich aus einer Fehlübersetzung: Im amerikanischen Sprachgebrauch entspricht der Rechtsmediziner dem forensic pathologist, gängig ist aber auch die Bezeichnung coroner.

Institutionalisierung in Deutschland

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es 30 universitäre Institute für Rechtsmedizin [1], vier in Österreich und sechs in der Schweiz. Daneben gibt es städtische Institute für Rechtsmedizin, z.B. in Dortmund, Duisburg, Bremen.

Geschichte

Die erste systematische Ausarbeitung zur Rechtsmedizin sind die Questiones medico-legales des römischen Arztes Paolo Zacchia (latinisiert: Paulus Zacchias Romanus, 1584-1659). Im Jahr 1532 findet man in der "Peinlichen Halsgerichtsordnung" (Constitutio Criminalis Carolina) Karls V. Hinweise auf die Zuziehung von Ärzten bei der Entscheidung medizinischer Fragen in der Rechtsprechung. Der Zürcher Stadtrat ließ ab dem 16. Jahrhundert verletzte oder getötete Personen regelmäßig durch die Vorsteher der Gesellschaft der Bader und Chirurgen, die "fünf geschworenen Meister", besichtigen. Im 19. Jahrhundert legten Ambroise Tardieu, Johann Ludwig Casper und Carl Liman die Fundamente für die moderne Rechtsmedizin als empirisch fundierte Wissenschaft. In Freiburg (Breisgau) war "Medicina legalis" seit der Mitte des 18. Jahrhunderts durch eigene Vorlesungen vertreten. 1804 wurde in Wien die erste Lehrkanzel für "Staatsarzneykunde" bzw. für "Gerichtliche Medizin und Medizinische Polizei" im deutschsprachigen Raum eingerichtet.

Rechtsmedizin im Film

Nach der amerikanischen Serie Quincy ist etwa seit 1995 die Gerichtsmedizin als Ermittlungsform im Kriminalfilm ein häufiges Thema in Film und Fernsehen.[1]

  • Quincy. USA: ABC, 1976-1983. ARD, RTL 1981-94. 148 Episoden, 60minütig.
  • Polizeiarzt Dangerfield; (Original: Dangerfield, GB), Großbritannien 1995-1999. 50 Folgen à 45 Minuten. Dt. Erstausstrahlung: RTL, Okt. 1998 bis Jan. 1999.
  • Der letzte Zeuge, Fernsehserie, Deutschland 1997 ff, ZDF, Regie: Bernhard Stephan, Drehbuch: Gregor Edelmann (anderer Titel gelegentlich: Gerichtsmediziner Dr. Kolmaar). Bis 2002 34 Folgen mit jeweils 45 Minuten.
  • Da Vinci‘s Inquest. Kanada 1998ff. Bis 2002 52 Folgen. 45 Minuten.
  • The Coroner; USA 1999, Brian Katkin, Juan A. Mas. (Eigentlich geht es um einen Serienkiller. Dr. Uraski (Dean St. Louis) bringt Leute um, wenn es in der Gerichtsmedizin zu wenig zu tun gibt.)
  • Gerichtsmedizinerin Dr. Samantha Ryan (Orig. Silent Witness) Großbritannien: BBC 1996 - 97, in D RTL, seit 2000. 18 Folgen, 90 Minuten.
  • Crossing Jordan – Pathologin mit Profil, USA: NBC 2001-2007
  • Autopsie – Mysteriöse Todesfälle. Dokuserie. RTL2, 2002 (Original: Autopsy, USA)
  • Medical Detectives – Geheimnisse der Gerichtsmedizin. Reality-TV, Dokumentarische Berichtsserie; 22teilige Crime-Doku, USA 1996-98. 30minütig. Deutsche Ausstrahlung: Vox 2002.

Siehe auch

Literatur

  • Bernd Brinkmann und Burkhard Madea (Hrsg.), Handbuch der gerichtlichen Medizin 1 und 2, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York, 2004. ISBN 3-540-00259-6.
  • Maren Lorenz, Kriminelle Körper - Gestörte Gemüter. Die Normierung des Individuums in Gerichtsmedizin und Psychiatrie der Aufklärung, Hamburg 1999.
  • Burkhard Madea (Hrsg.), 100 Jahre Deutsche Gesellschaft für Gerichtliche Medizin/Rechtsmedizin. Vom Gründungsbeschluss 1904 zur Rechtsmedizin des 21. Jahrhunderts. Deutsche Gesellschaft für Gerichtliche Medizin/Rechtsmedizin 2004
  • Burkhard Madea (Hrsg.), Praxis Rechtsmedizin, Springer, Berlin Heidelberg New York 2003
  • H. Patscheider, H. Hartmann, Leitfaden der Rechtsmedizin, Verlag Hans Huber, Bern Stuttgart Toronto 1993, ISBN 3-456-82383-5
  • Christian Reiter, Synopsis und Atlas der Gerichtsmedizin, WUV/Universitätsverlag Wien 2002
  • Manfred Hochmeister, Martin Grassberger, Thomas Stimpfl Forensische Medizin für Studium und Praxis, 2. Auflage, Maudrich Verlag, Wien 2007, ISBN 978-3851758481
Fußnoten, Quellenangaben
  1. Hans J. Wulff: Gerichtsmedizin / Rechtsmedizin / forensische Medizin in Film und Fernsehen: Ein Dossier. Univ. Hamburg : Fachbereich 07 SLM : Berichte und Papiere. ISSN 1613-7477 vom 7. März 2003.
 
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