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Generalisierte Angststörung



Klassifikation nach ICD-10
F41 sonstige Angststörungen
F41.1 Generalisierte Angststörung
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Die generalisierte Angststörung ist nach ICD-10 (F41.1) eine Form der "sonstigen Angststörungen". Dabei verselbständigt sich die Angst und verliert ihre Zweckmäßigkeit und Relation.

Inhaltsverzeichnis

Symptome

Der Patient erlebt eine generalisierte und anhaltende Angst, die nicht (wie bei den phobischen Störungen) auf bestimmte Umgebungsbedingungen beschränkt ist, sondern vielmehr frei flottiert.

Inhalt der Angst ist in den meisten Fällen eine unbegründete Sorge und Befürchtungen vor zukünftigen Unglücken oder Erkrankungen, die einen selbst oder Angehörige betreffen, sowie eine große Anzahl weiterer Sorgen und Vorahnungen. Die Lebenszeitprävalenz liegt bei 4-5%, die Krankheit beginnt meist zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, Frauen sind häufiger betroffen als Männer, oft im Zusammenhang mit belastenden Lebensumständen. Der Verlauf ist unterschiedlich, neigt aber zu Schwankungen und Chronifizierung. Sorgenbereiche sind:

  • Familiäre/soziale Beziehungen
  • Arbeit und Leistung
  • Gesundheitssorgen
  • Finanzen
  • Alltägliches

Die Angst manifestiert sich bei den Patienten durch körperliche Beschwerden wie Zittern, Herzrasen, Schwindel, Übelkeit, innere Unruhe, Unfähigkeit, sich zu entspannen, Hitzewallungen, Muskelverspannungen, Konzentrationsstörungen, Nervosität, Schlafstörungen, Spannungskopfschmerz, Benommenheit, Kribbeln.

Nach den ICD-10 Kriterien müssen folgende Symptome mindestens mehrere Wochen, meist mehrere Monate lang an den meisten Tagen erfüllt sein:

  • Befürchtungen (Sorge über zukünftiges Unglück, Nervosität, Konzentrationsprobleme etc.)
  • motorische Spannung ( körperliche Unruhe, Spannungskopfschmerz, Zittern, Unfähigkeit, sich zu entspannen)
  • vegetative Übererregbarkeit (Benommenheit, Schwitzen, Tachykardie oder Tachypnoe, Oberbauchbeschwerden, Schwindelgefühle, Mundtrockenheit etc.)

Es darf keine organische Verursachung vorliegen und die Kriterien für eine depressive Episode, phobische Störung, Zwangsstörung oder Panikstörung dürfen nicht erfüllt sein, obwohl depressive Symptome vorübergehend auftreten können. Nach den ICD-10 Forschungskriterien kann die generalisierte Angststörung deshalb auch mit einer depressiven Episode gleichzeitig auftreten. Danach dürfen nur die Kriterien einer Panikstörung, einer Phobie, einer Zwangsstörung oder einer hypochondrischen Störung nicht mehr erfüllt sein.

Wer unter einer generalisierten Angststörung leidet, sucht meist wegen seiner körperlichen Beschwerden den Arzt auf. Oftmals dauert es viele Jahre, bis erkannt wird, dass sich hinter seinen körperlichen Beschwerden chronische Angst verbirgt. Die körperlichen Beschwerden der Betroffenen sind meist die Folge ihrer negativen Gedanken, ihrer Sorgen und Grübeleien. Die Krankheit wurde früher unterschätzt. Heute weiß man, dass sie mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Lebensqualität einhergeht.

Entstehung und Aufrechterhaltung

Als ursächlich für die Entstehung der Generalisierten Angststörung (GAS) werden genetische und soziale Faktoren angenommen. Die GAS wird jedoch nicht spezifisch vererbt; es scheint eher eine vererbbare biologische Vulnerabilität zur Entwicklung pathologischer Angst zu existieren. Diese biologische Vulnerabilität für das Erleben von Ängsten kann zu Stress führen, der durch soziale Faktoren bedingt ist. Stresserzeugende soziale Faktoren sind meist kritische Lebensereignisse. Der erlebte Stress kann zu der für die GAS charakteristischen Erwartungsangst (Sorgen) führen. Diese Erwartungsangst ist gekennzeichnet durch negative Gefühle, die mit „der wahrgenommenen Unfähigkeit zusammenhängen, in bevorstehenden Ereignissen oder Situationen erwünschte Ergebnisse vorherzusagen, kontrollieren oder erreichen zu können“[1]. Dies führt vor allem zu einer Verlagerung der Aufmerksamkeit auf internale, selbstbewertende Inhalte und einer übermäßigen Wachsamkeit gegenüber angstauslösenden Reizen. Die Wachsamkeit führt dann wiederum dazu, dass viele verschiedene Lebensumstände als bedrohlich wahrgenommen werden. Die GAS scheint durch die Sorgen aufrechterhalten zu werden: Nach Borkovec und Kollegen[2] sind Sorgen eine Form von geistiger Vermeidung. Der Prozess des Sorgens dämpft die emotionale Verarbeitung angstauslösender Reize und führt auch zu somatischen Suppressionseffekten: die angstauslösenden Reize werden (bedingt durch kognitive Verarbeitung) rationalisiert und die Personen werden durch das Sich-Sorgen ruhiger. Diese kurzfristige Verbesserung des emotionalen und physischen Befindens wirkt negativ verstärkend: Die Angst wird aufrechterhalten.

Weitere diskutierte Faktoren sind Fehleinschätzungen, die sich aus den vom Patienten an sich selbst beobachteten Veränderungen wie geringerer Konzentrationsfähigkeit und Störung des Arbeitsgedächtnisses ergeben: Ich bin der Aufgabe nicht gewachsen, besitze wenig Kontrolle oder Fähigkeiten zur Meisterung schwieriger Situationen, die Sorgen schaden mir. Durch die negativen Metasorgen können sich Kontrollversuche ergeben, welche die Häufigkeit der Sorgen noch steigern und Vermeidungs- und Rückversicherungsverhalten auslösen. Aber auch positive Metasorgen wie: "Sorge ist gleich Vorsorge" können den Sorgenprozess verstärken. Durch die Kontrolle, Vermeidung und Rückversicherung kann keine Gewöhnung und damit kein Ende des Sorgenprozesses stattfinden, und der Teufelskreis schaukelt sich auf.

Therapie

Die wichtigste ärztliche therapeutische Maßnahme ist, dem Patienten zu versichern, dass er keine tödliche oder sonstwie bedrohliche Krankheit hat, denn das ist die größte Sorge der meisten, die sich in Behandlung begeben, und seine Bereitschaft, an einer Psychotherapie teilzunehmen, zu erreichen. In einer Kognitiven Verhaltenstherapie besteht das erste Ziel darin, dass der Patient durch eine Verhaltensanalyse und die Vermittlung seines individuellen Störungsmodells ein Verständnis für seine Störung erlebt und dadurch die Bereitschaft entsteht, an verhaltenstherapeutischen Interventionen wie der Konfrontation in sensu oder in vivo teilzunehmen. Dadurch kann er neue Verhaltensmuster erlernen, indem er sich seiner Angst stellt und praktisch erlebt, dass die von ihm befürchteten Folgen ausbleiben. Durch kognitive Therapieelemente wie die kognitive Umstrukturierung, die Realitätsprüfung, das Entkatastrophisieren oder die Bearbeitung der Metasorgen soll der Patient eine neue Lebenseinstellung bzw. eine neue Sicht auf die eigenen Fähigkeiten erwerben. Ein weiteres wichtiges Therapieelement stellt die Angewandte Entspannung dar. Nur bei schweren Fällen, die ansonsten nicht in der Lage sind, von einer Psychotherapie zu profitieren, da ihre Ängste und Anspannungen zu groß sind, bietet sich eine medikamentöse Therapie mit Anxiolytika – etwa Benzodiazepine – oder Therapie mit Antidepressiva, vor allem SSRI oder SNRI, an, um eine Therapiefähigkeit überhaupt zu erzeugen. Allerdings ist hierbei auch negativ mit zusätzlichen Ängsten und Therapieabbrüchen durch Nebenwirkungen bzw. der Angst vor dem Absetzen des Medikaments zu rechnen. Allerdings sollte man unterscheiden zwischen einer generalisierten Angststörung, die das erste Mal auftritt und relativ gut zu therapieren ist, und einer generalisierten Angststörung, die nach vielen Jahren ohne Angst das zweite mal auftritt.

Literatur

  • H. Mitterhammer: Psychiatrie für Mediziner. Servicebetrieb OEH Uni Graz GmbH 1997; S. 35f.
  • Univ. Doz. Dr. Bonelli: Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen
  • Becker,E. & Margraf,J.: Generalisierte Angststörung. Beltz 2002
  • Hoyer, J., Beesdo, K., Becker, E.: Ratgeber Generalisierte Angststörung. Hogrefe 2007

Quellen

  1. Turowsky, J. ,Barlow, D.H. (2003). Generalisiertes Angstsyndrom. In: Margraf, J. (Eds,),Lehrbuch der Verhaltenstherapie. Berlin: Springer.
  2. Roemer, L. & Borkovec, T.D. (1993). Worry: Unwanted cognitive activity that controls unwanted somatic experience. In D. M. Wagner & J.W. Penueboker (Eds.), Handbook of psychopathology (2nd ed.). New York: Plenum.
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