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Friedreich-Ataxie



Die Friedreich-Ataxie (Morbus Friedreich) ist eine degenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems. Erste Symptome zeigen sich meist vor dem 25. Lebensjahr. Die Krankheit verläuft progredient, wobei ihre Symptomatik über Jahre stabil bleiben kann. Diese umfasst vielfältige neurologische, psychische, orthopädische und kardiologische Symptome.

Die Friedreich-Ataxie wurde nach Nicolaus Friedreich benannt, der die Krankheit erstmals 1863 in Heidelberg dokumentierte.

Inhaltsverzeichnis

Epidemiologie

Die Friedreich-Ataxie zählt zu den autosomal-rezessiven Erbkrankheiten. Mit einer Inzidenz von 1:50.000 Geburten ist sie in Mitteleuropa vergleichsweise häufig und macht etwa die Hälfte aller erblichen Ataxie-Formen aus. Schätzungen zufolge leben in der Bundesrepublik Deutschland rund 1.500 Menschen mit Friedreich-Ataxie. Die Frequenz der heterozygoten Anlageträger wird auf 1:60 bis 1:120 eingeschätzt. Da es sich um eine autosomal-rezessive Krankheit handelt, liegt die Wahrscheinlichkeit bei 25 %, dass ein Kind heterozygoter Anlageträger die Krankheit erbt.

Genetik

Die Friedreich-Ataxie wird autosomal-rezessiv vererbt. Das dazugehörige Gen wurde erstmals 1988 durch die Arbeitsgruppe um Susan Chamberlain lokalisiert. Seit 1996 ist eine molekular-genetische Untersuchung möglich.

Das Gen FRDA liegt auf Chromosom 9 (Genlocus: 9q13-21.1). FRDA codiert für das in den Mitochondrien vorkommende Protein Frataxin. Andere Genloki können bei Mutation die Symptomatik der Ataxie imitieren, beispielsweise das Gen FRDA2 (Genlocus: 9p23-p11).

Im Bereich des Gens liegt die Expansion eines GAA-Tripletts vor, das ab 82 Wiederholungen die Krankheit hervorruft. Häufungen zwischen 40 und 82 Kopien (Prämutationen) tragen die Gefahr einer Friedreich-Ataxie in folgenden Generationen.

Weitere Mutationen des Gens sind möglich - bspw. eine Punktmutation -, die Dokumentation ihrer Häufigkeit und die Wahrscheinlichkeit, mit der sie die Krankheit auslösen, ist aber umfangreich.

Ätiologie (Ursache)

Aufgrund verschiedener Studien wird angenommen, dass die Friedreich-Ataxie eine Folge oxidativen Stresses ist, der durch Eisen-Überschuss ausgelöst wird. Durch Beobachtung verschiedener Hefekulturen lässt sich bestätigen, dass der hier wirkende Mechanismus bereits früh-evolutionär auftritt. Zudem wurden bei den Hefen die gleichen Mutationen nachgewiesen. Es lässt sich ein erhöhter Eisen-Spiegel feststellen (eine Muskel-Biopsie ergibt histologisch einen erhöhten Eisen-Anteil).

Das Protein Frataxin steuert die Eisen-Verstoffwechselung innerhalb der Mitochondrien der Zelle. Infolge der Mutation bei den Erkrankten ist das Frataxin nicht in der Lage, den Vorgang in ausreichendem Maße zu bewältigen. Innerhalb des "Zell-Kraftwerks" lagert sich Eisen in atomarer Form (als freies Radikal) ab, bis es die Membran der Zelle zerstört.[1]

Pathologie

Die Friedreich-Ataxie ist durch eine progressive Sklerose der Hinterstrangbahnen und der Leitungsbahnen zwischen Rückenmark und Kleinhirn gekennzeichnet. Daneben können Degenerationen der Pyramidenbahn und der Kleinhirnrinde sowie von Herzmuskelzellen vorliegen.

Symptomatik

Die Friedreich-Ataxie manifestiert sich üblicherweise sehr früh im Leben. Die Krankheit beginnt harmlos und setzt sich progredient fort; sie wird oft jahrelang nicht erkannt. Schon früh tritt eine Ataxie und einhergehend Sensibilitätsstörungen auf, die - wenn überhaupt - unbewusst wahrgenommen werden; Eltern berichten hier häufig über einen auffälligen "Pinguin-Gang" als auffälligstes Symptom.

Das Spektrum des Symptome umfasst:

  • Psychiatrische Auffälligkeiten: präsenile Demenz, generalisierte Wesensveränderungen
  • Sonstige Symptome wie eine dilatative Kardiomyopathie, Diabetes mellitus, Einschränkungen des Hörvermögens, Optikusatrophie, Schluckbeschwerden, Blasen- und Mastdarmentleerungsstörungen

Für Menschen mit Friedreich-Ataxie ist häufig die Kardiomyopathie lebenslimitierend.

Die eindeutige Diagnose anhand dieser Symptome gestaltet sich schwierig, weil die oben genannte Befundkonstellation mit anderen neurologischen Störungen verwechselt werden kann. Oft bietet eine molekulargenetische Untersuchung letzte Sicherheit. An zusätzlichen Untersuchungen sind deshalb heute invasive Eingriffe wie Muskelbiopsie oder Lumbalpunktion entbehrlich geworden. Im Zweifel sollten laborchemisch jedoch durch eine Blutentnahme die Muskel- und Leberenzyme und zur Abgrenzung der Ataxie vom Vitamin-E-Mangel und von der Ataxia teleangiectatica der Vitamin E-Spiegel und das Alpha-1-Fetoprotein (AFP) im Blutserum bestimmt werden.

Therapie

Die therapeutischen Möglichkeiten sind begrenzt, sie sind in erster Linie symptomatisch. Dabei steht die krankengymnastische Behandlung im Vordergrund.

Physikalische Therapie

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass regelmäßige physikalische Anwendungen helfen, die orthopädischen Probleme zu mildern sowie einer Atrophie der Muskeln entgegenzuwirken. Langfristig wird damit die Lebensqualität der Person erhalten. Beachtlich sind hier die psychologischen Auswirkungen.

Medikamente

Eine wirksame medikamentöse Therapie existiert derzeit noch nicht. Da es sich bei der Friedreich-Ataxie um eine genetische Krankheit handelt und der oxidative Stress vermutlich eine Nebenerscheinung ist, liegt der Gedanke einer palliativen Therapie mit Radikalfängern nahe. Die Wirksamkeit einer kurzkettigen Abwandlung des Coenzyms Q10 in medikamentöser Form, Idebenon genannt, die 2004 bereits in der Schweiz zur Therapie der Friedreich-Ataxie zugelassen wurde [2] , wird untersucht. Bisherige diesbezügliche Studien haben jedoch noch keine eindeutigen Verbesserungen der Symptomatik bei Erkrankten im Vergleich zu Kontrollpersonen gezeigt und deuten in Ermangelung verlässlicher Biomarker bisher lediglich darauf hin, dass das Medikament den Stoffwechsel innerhalb des Herzmuskels verbessern könnte. Alternative Therapiestrategien befassen sich derzeit mit der Unterstützung der Frataxinwirkung durch Stammzelltransplantation, Genübertragung oder der Substitution von Frataxin. [3][4]

Geschichte

Erstmals dokumentiert wurde die Friedreich-Ataxie 1863 in Heidelberg durch den Würzburger Nicolaus Friedreich, nach dem die Krankheit infolge benannt ist. Die Ataxie (griechisch ataxia, Unordnung) beschreibt allgemein unkoordinierte Bewegung der Muskeln und Gleichgewichtsstörungen. Hier tritt das Symptom so in den Vordergrund, dass die Erkrankung danach benannt ist. Mit seinen klinischen Untersuchungen hat Nikolaus Friedreich die Krankheit aus der bis dahin allgemein gefassten Gruppe der ataktischen Erkrankungen hervorgehoben.

Literatur

  • Kallenbach, Kurt (Hrsg): Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Ausgewählte Krankheitsbilder und Behinderungsformen (ISBN 3-89166-208-4)

Quellen

  1. Huang XP, O'brien PJ, Templeton DM: Mitochondrial involvement in genetically determined transition metal toxicity I. Iron toxicity, Chem Biol Interact, 17. Mai 2006 (elektronische Publikation vor Printausgabe)
  2. Idebenon (Mnesis(R)) zur Therapie der Friedreich-Ataxie zugelassen, Pharmavista-Newsletter vom 22.6.2004 (http://www.pharmavista.ch/)
  3. Rustin P, Bonnet D, Rotig A, Munnich A, Sidi D: Idebenone treatment in Friedreich patients: one-year-long randomized placebo-controlled trial; Neurology. 2004 Feb 10;62(3):524-5; author reply 525; discussion 525
  4. Schols L, Meyer Ch, Schmid G, Wilhelms I, Przuntek H: Therapeutic strategies in Friedreich's ataxia; J Neural Transm Suppl. 2004;(68):135-45
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Friedreich-Ataxie aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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