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Frantz FanonFrantz Fanon, (* 20. Juli 1925 in Fort-de-France, Martinique; † 6. Dezember 1961 in New York) war ein Psychiater, Politiker, Schriftsteller und Vordenker der Entkolonialisierung. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
LebenFrantz Fanon wurde 1925 auf Martinique als Sohne von Eléonore und Casimir Fanon, einem Zollinspektor, als drittes von sechs Kindern geboren. Die dunkelhäutigen Bewohner der Karibik-Insel - bis (19. März) 1946 französische Kolonie, dann Département d’outre-mer (Übersee-Departement) - galten zu dieser Zeit zwar formal als Franzosen, wurden jedoch von den weißen Siedlern als „Schwarze“ bezeichnet und wie Bürger zweiter Klasse behandelt. An jedem Nationalfeiertag der Franzosen erinnerte der Vater Fanons seine Familie daran, dass die in der Französischen Revolution propagierten Ideale „Liberté, égalité, fraternité“ („Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“) den Sklaven auf Martinique keineswegs die Freiheit gebracht hätten. Vielmehr wurde hier die Sklaverei erst im Jahre 1848 abgeschafft, als der Abgeordnete der Nationalversammlung und spätere Senator von Martinique und Guadeloupe, Victor Schoelcher, mit dem décret d’abolition de l’esclavage du 27 avril 1848 (Dekret zur Abschaffung der Sklaverei vom 27. April 1848) das Ende der Sklaverei festschreiben ließ. Obwohl mit Reichtümern nicht gerade gesegnet, ermöglichte die Familie Frantz Fanon den Besuch des Lycée Schoelcher in Fort-de-France, wo er u.a. von Aimé Césaire unterrichtet wurde. Der Weg zum Lycée führte Fanon jeden Tag an einem Denkmal Schoelchers vorbei. Doch schon im Alter von zehn Jahren, so erinnerte sich Fanon später, habe er sich gefragt, warum nicht an die zahlreichen Revolten der Schwarzen erinnert wurde, die schon zu einem viel früheren Zeitpunkt für die Abschaffung der Sklaverei gekämpft und dafür hingerichtet wurden.
Er meldete sich mit 17 freiwillig zum Militärdienst im Zweiten Weltkrieg und erlebte, wie schwarze Soldaten als Menschen zweiter Klasse behandelt wurden. Nach dem Krieg kehrte er nach Martinique zurück, holte seinen Schulabschluss nach und studierte dann in Lyon Medizin und Philosophie. Er heiratete eine Französin, wurde 1953 zum Leiter der psychiatrischen Abteilung der Klinik von Blida-Joinville in Algerien berufen. 1956 trat er aus politischen Gründen von diesem Posten zurück. Danach arbeitete er für die Nationale Befreiungsfront in Algerien und zeitweise als Botschafter der algerischen Regierung in Accra. Er starb im Dezember 1961 in New York an Leukämie, im selben Monat, in dem sein Hauptwerk Die Verdammten dieser Erde veröffentlicht wurde, das noch heute als Manifest des Antikolonialismus gilt. Jean-Paul Sartre spitzt im Vorwort zu diesem Buch die antikoloniale Revolutionstheorie Fanons über die gewaltsame Befreiung der unterdrückten Kolonialvölker moralisch rigoros zu:
Theorie und BedeutungFanons Werke sind Ergebnis und Theoretisierung seiner politischen sowie psychiatrischen Praxis. David Caute hat in seinem Fanon-Porträt den Versuch unternommen, in Anlehnung an die Entwicklung des Denkens bei Karl Marx und den Kategorien von Hegel, drei Phasen des Fanonschen Schaffens zu unterscheiden: „[D]em Menschen, der sich seiner Selbstentfremdung bewusst wird“ (verdeutlicht durch die Schrift Schwarze Haut, weiße Masken, die 1952 erschien), „dem freien Bürger Algeriens“ (Fanons Teilnahme an der algerischen Revolution und deren theoretische Betrachtung in Im fünften Jahr der algerischen Revolution, erschienen 1959) und „dem sozialistischen Revolutionär“ (dessen Ideen sich in Die Verdammten dieser Erde, seinem letzten Werk, finden). Fanon setzt sich in seinem ersten größeren Werk noch stark mit den Schriften verschiedener Philosophen (u.a. Marx, Nietzsche, Hegel oder Jaspers) und Psychoanalytiker (u.a. Freud, Jung und Adler) auseinander und ist stark beeinflusst von Jean-Paul Sartre, Merleau-Ponty und der existentialistisch-phänomenologischen Strömung in Frankreich. Später wird er seine eigene Theorie ausbilden und in den Vordergrund stellen (in Die Verdammten dieser Erde finden sich kaum noch Verweise auf politische und philosophische Strömungen, wenn auch die Einflüsse auf Fanons Denken noch deutlich sichtbar sind). Sein zentrales Thema bleibt die Analyse und Überwindung von Rassismus und Kolonialismus, doch die Behandlung dieser Phänomene ändert sich in Fanons Denken durch seine aktive Teilnahme am algerischen Bürgerkrieg und seine politischen Erfahrungen.
1952 erscheint Fanons erstes großes Werk unter dem Titel Schwarze Haut, weiße Masken in Lyon. Zuvor hatte er schon mit der Schrift Das nord-afrikanische Syndrom die Grundzüge seiner Theorie über Rassismus und Kolonialgewalt dargelegt. Ursprünglich wollte Fanon sein Buch Essay über die Entfremdung des Schwarzen nennen, der schließlich prägnantere Titel des Werks stammt von dem Sartre-Schüler Francis Jeanson, der gemeinsam mit Fanon an dem Manuskript arbeitete und auch das Vorwort beisteuerte. Zum Zeitpunkt des Verfassens ist Fanons Gedankenwelt geprägt von seiner konkreten Arbeit als Psychiater in der Anstalt von Saint-Alban-sur-Limagnole in Frankreich, wo vom dortigen Leiter Tosquelles neue, fortschrittliche Methoden in der Behandlung der Patienten angewandt wurden. Darüber hinaus speisen sich seine Theorien aus der Beschäftigung mit dem Existentialismus’ Sartres und der Phänomenologie. Und auch die Ausgrenzung als Schwarzer in der weißen Gesellschaft Frankreichs, die ihm schon als Soldat schmerzlich bewusst worden war, fließt in seine Schriften ein. Fanons Absicht in Schwarze Haut, weiße Masken ist, eine universelle emanzipatorisch-humanistische Vision zu entwerfen. In seiner grundsätzlichen Kritik an Rassismen und kolonialer Unterdrückung gilt er in seinen Ansätzen als ein sehr früher und vielseitiger Theoretiker, der seiner Zeit weit voraus war. So untersuchte er, welchen Einfluss Unterdrückung und Rassismus auf die Kolonialisierten hat und wie sich eine entfremdete Selbstwahrnehmung bei den Betroffenen entwickelt und auswirkt (soziologisch: „Subjektkonstruktion“). Hierbei geht er in „Schwarze Haut, weiße Masken“ u.a. mit Hilfe von Lacans Spiegelungstheorem psychoanalytisch vor und bezieht sich auf Sartres „Phänomenologie des Blickes“. Er fragt danach, wie sich die von der Unterdrückung durch Rassismus und Kolonialismus Betroffenen (in der soziologischen Sprache „kolonialsierte Subjekte“ genannt) dagegen wehren können.
Deshalb spricht Fanon davon, dass der schwarze Mensch in eine neurotische Situation geworfen wird, wenn er in einer weißen Gesellschaft lebt, die deren Überlegenheit gegenüber der schwarzen Bevölkerung proklamiert (Philipp Dorestal). Fanon kritisiert also, dass die „Schwarze Person“ eine „weiße Maske“ tragen muss, um in einer kolonialisierten Welt ernst genommen zu werden. Zugunsten einer universalen Befreiung wendet sich Fanon in „Schwarze Haut, weiße Masken“ von der Négritude-Bewegung ab, die vorher sein politisches Denken stark bestimmt hat. Ihrer Rückbesinnung auf die afrikanischen Kulturen zur Entwicklung eines schwarzen Selbstbewusstseins hält er entgegen, dass die präkoloniale Vergangenheit nicht als Muster für die künftige soziale Umwälzung herangezogen werden kann. „Meine eigentlichen Ziele dürfen keinesfalls von der Vergangenheit der farbigen Völker bestimmt werden, und ich werde mich keinesfalls mit der Wiederbelebung einer zu Unrecht nicht beachteten Kultur des Negers befassen“. Zu diesem Zeitpunkt ist für Fanon noch eine Emanzipation des Schwarzen im Rahmen der französischen Nation denkbar: „Wir Farbigen weigern uns, Außenseiter zu sein, wir nehmen voll und ganz teil am Schicksal Frankreichs.“ Obwohl Fanons erstes größeres Werk noch nicht von seiner späteren radikalen anti-kolonialen Position geprägt ist, die „die Verdammten dieser Erde“ zum revolutionären Subjekt erklärt, so gibt es auch schon nach dem Erscheinen von Schwarze Haut, weiße Masken Kritik von seiten der kommunistischen Parteigänger. Fanon würde die Rolle der weißen Arbeiterklasse, die den Rassismus hinter sich gelassen habe, für die Errichtung einer neuen Gesellschaftsordnung nicht anerkennen. Diese Differenzen mit den kommunistischen Kreisen sollten sich während des Algerienkriegs vertiefen: Während Fanon für die Befreiungsbewegung arbeitet, weigert sich die KPF gegen den Kriegszug der französischen Armee Stellung zu beziehen.
Im Jahr 1953 geht Fanon nach Algerien und wird dort Chefarzt im Psychiatrischen Krankenhaus von Blida, 45 Kilometer von Algier entfernt. Hier erprobt er das System der „Sozialtherapie“, das er in Saint Alban kennen gelernt hat, Sowohl die strikte Trennung der Patienten nach dem Kolonialsystem (eigene Pavillons für Europäer und Moslems) wie auch die Hierarchie zwischen dem Pflegepersonal und den Insassen wird von ihm, mit Hilfe seiner Assistenten, abgebaut. Bis 1956 wirkt Fanon in Blida und gerät schon bald in Kontakt mit der algerischen Unabhängigkeitsbewegung. Im Spital von Blida werden verwundete Widerstandskämpfer versorgt und vor der französischen Armee versteckt, außerdem behandelt Fanon Mitglieder des Marquis mit psychischen Störungen. Nachdem die Repression stärker wird und auch das Personal des Krankenhauses betrifft (ein Streik des Pflegepersonals wird blutig niedergeschlagen), reicht Fanon sein Rücktrittsgesuch als Chefarzt in einem Brief an den damaligen französischen Präfekten von Algerien, Robert Lacoste, ein. Als Antwort erhält er einen Ausweisungsbescheid und muss das Land verlassen. Nach einem kurzen Aufenthalt in Paris schließt er sich als Aktivist der FLN in Tunis an. In Tunis wird Fanon in die Pressearbeit der FLN aufgenommen und Redakteur der Zeitung El Moudjahid. 1959 erscheint sein Buch Im fünften Jahr der algerischen Revolution, das in Frankreich umgehend verboten wird und nur im Untergrund vertrieben werden kann. Fanon verarbeitet darin seine Erfahrungen aus dem antikolonialen Kampf des algerischen Volks und die Gespräche und Berichte, die er von Widerstandskämpfern erhielt. Er unternimmt den Versuch, die Umbrüche in der algerischen Gesellschaft, die durch den nationalen Aufstand ausgelöst wurden, zu verallgemeinern. Ausgehend von der unüberwindbaren Trennung zwischen Kolonialherren und Kolonisierten weist er auf, dass die Einheimischen im Zuge des Kampfes sich die Technik und die wissenschaftlichen Methoden der Europäer aneignen, die sie vorher als Teil des Kolonialsystems abgelehnt hatten (Fanon erwähnt unter anderem das Radio und die medizinische Behandlung). Optimistisch sieht er auch die veränderte Rolle der Frau: Durch den Befreiungskampf bricht sie aus ihrer traditionellen Rolle in der Familie aus, wird aktive Revolutionärin, die sich nicht mehr dem Vater oder Mann verpflichtet fühlt, sondern der bewaffneten Organisation. Ihre Emanzipation geht so weit, dass sie auch den Schleier ablegt, den sie vorher als Zeichen der einheimischen Kultur getragen hatte. Was in Fanons Buch zur algerischen Revolution fehlt, ist die Unterscheidung zwischen den einzelnen gesellschaftlichen Schichten der unterdrückten Massen. Erst in Die Verdammten dieser Erde wird Fanon eine Analyse der verschiedenen sozialen Gruppen (Bauern, Arbeiter, Arbeitslose, städtische und ländliche Bevölkerung) in seine Revolutionstheorie miteinschließen und aufzeigen, dass nur bestimmte Klassen dazu bereit sind, den Kampf für die Unabhängigkeit konsequent durchzuführen. Aber schon im Werk Im fünften Jahr der algerischen Revolution wird von Fanon eine seiner wichtigsten Thesen entwickelt: Die Gewalt und der bewaffnete Kampf als Katalysator für die antikoloniale Erhebung.
Fanons Hauptwerk erschien Anfang Dezember 1961, wenige Tage später verstirbt er an den Folgen einer Leukämieerkrankung in New York. Die Verdammten dieser Erde ist sein nachhaltigstes und berühmtestes Werk und fasst seine Erfahrungen, Ideen und politischen Analysen zum Kampf gegen den Kolonialismus und Imperialismus zusammen. Von Jean-Paul Sartre, mit dem Fanon Zeit seiner politischen Aktivität in Diskussion stand, stammt das berühmte Vorwort. Ähnlich wie Che Guevara, der 1965 in den Kongo ging, um die kubanische Revolution zu „exportieren“, setzt auch Fanon ab dem Jahr 1958 auf die gesamtafrikanische Perspektive, um die antikoloniale Bewegung in den verschiedenen Ländern miteinander zu verbinden. Als Repräsentant der Provisorischen Regierung Algeriens besucht er unter anderem Ghana, Liberia und den Senegal, um den Aufbau der unabhängigen afrikanischen Staaten zu beobachten und die dortigen Führer für eine gemeinsame Organisation der afrikanischen Nationen zu gewinnen. Dazu finden auch Kongresse in Tunis statt, die Fanon mitorganisiert. Sehr bald wird ihm aber klar, dass der revolutionäre Elan in den unabhängig gewordenen Ländern zugunsten von Arrangements mit den ehemaligen Kolonialmächten und der einheimischen Bourgeoisie am Erlöschen ist. Diese Einsicht und die zunehmende Distanz zur Spitze der FLN prägen wesentliche Teile seines letzten Buches: Fanon entwirft darin die Vision einer sozialistischen Revolution in Afrika, die sich auch gegen die neuen, „einheimischen“ Regierungen richtet. Als Ausgangspunkt seiner Analyse in Die Verdammten dieser Erde wählt Fanon die Situation der kolonialen Gewalt und die Gegengewalt der Unterdrückten in den kolonisierten Ländern. Auf diese einleitenden Passagen beziehen sich viele seiner späteren Kritiker, die ihm vor allem „Gewaltverherrlichung“ vorwerfen. Letztlich geht es Fanon aber um die konkrete Beziehung zwischen Kolonialherren und Kolonisierten, die sich immer in einer gewalttätigen Unterjochung ausdrückt, deren Folgen seit Jahrhunderten auf Geist und Körper der Unterdrückten eingewirkt haben. Die Dekolonisation ist nach Fanon ein Prozess, der aus dem „Ding“ wieder einen Menschen macht, der sich selber als „absolut gesetzte Eigenart“ konstituiert und der mit Hilfe der Gewalt sich von seiner Entfremdung und Unterordnung befreit. Einerseits ist hier der Einfluss des Existenzialismus auf Fanons Denken immer noch zu spüren; aber auch seine wiederkehrende psychologische Sichtweise des „Eingeborenen“ wird deutlich, wenn er von „angestauter Libido“ und Ersatzhandlungen spricht, die die verhinderte Aggression des Kolonisierten „entladen“. Auch dient für Fanon die Gewalt dazu, die Nation zu konstituieren, die einzelnen Individuen in ihrem Kampf miteinander zu verbinden. An dieser kollektiven Befreiungsanstrengung nehmen aber nicht alle Kolonisierten teil: So definiert Fanon die Rolle der einheimischen Bourgeoisie als kompromissbereiter Partner der Kolonialmacht und die Nationalistischen Parteien als ihren politischen Ausdruck. Auch das städtische Proletariat in der „Dritten Welt“ gilt Fanon als rückständig und privilegiert gegenüber der ländlichen Bevölkerung. Revolutionäre Tendenzen entwickeln für ihn einzig und allein die bäuerlichen Massen und die Pflicht der Intellektuellen besteht für Fanon darin, sich ihnen anzuschließen. In diesem Punkt bricht er mit jener traditionellen marxistischen Linken, die im Proletariat das ausschließliche revolutionäre Subjekt erblickt – auch weil er dezidiert das „Lumpenproletariat“ (Arbeitslose, Slumbewohner) neben der ländlichen Schicht als Träger der Revolution ausmacht. Den „politischen Parteien“, die mit den privilegierten Teilen der kolonialisierten Bevölkerung verbunden sind, erteilt Fanon eine Absage. Für ihn muss sich die Organisation der Revolution erst im bewaffneten Kampf bilden und eine Führung hervorbringen, die die Gewalt zur Machteroberung lenkt. Den Rahmen des Dekolonisationsprozesses steckt für Fanon die Nation ab. Das sich entwickelnde kollektive Bewusstsein des unterdrückten Volkes ist Fanon auch immer ein nationales Bewusstsein, das er gegenüber den feudalen Regionalismen und dem rassistischen Stammesdenken abgrenzt. Fanons Idee der afrikanischen Nationen hat sich in der Praxis jedoch nicht bewährt (und ethnische Konflikte sind heute noch in fast jedem Land Afrikas vorhanden). Denn die Grenzen in Afrika wurden von den Kolonialmächten gezogen und die entstehenden unabhängigen Nationen hielten fast immer an dieser willkürlichen Einteilung fest. Dieser Aspekt wird von Fanon in seiner Beurteilung der Nation als Keim für eine sozialistische Gesellschaft aber nicht behandelt. Während Fanons frühere Schriften auch für ein europäisches Publikum verfasst wurden, so ist sein letztes Werk einzig an die „Verdammten dieser Erde“ gerichtet, deren Bezeichnung der ersten Strophe der Internationale entnommen ist. Fanon wendet sich in seinem revolutionären Bestreben endgültig von der europäischen Arbeiterklasse und den westlichen linken Intellektuellen als Verbündeten für die Befreiung der kolonisierten Länder ab und setzt seine Hoffnungen auf den gewaltsamen Aufstand der afrikanischen Massen. Betrachtung seines WerksUmstritten ist, ob Fanon als Begründer einer „antikolonialen Gewalt“ verstanden werden kann. Fanon sieht in ihr ein Mittel, sich auch von der tiefsitzenden Entfremdung zu befreien. Dabei geht es ihm keineswegs um die Gewalt an sich, sondern ausdrücklich um die widerständige Gegengewalt zur bestehenden Gewaltanwendung der Kolonialisatoren, die auf eine bestimmte historisch-konkrete Situation bezogen ist und nur hier als legitim angesehen wird. Dagegen verweist er deutlich auf die „pathologischen Folgen exzessiver Gewaltanwendung“ (Dorestal). Seine Theorie der Befreiung gründet dabei vor allem auf den Existentialismus Sartres, als auch, wie Udo Wolter feststellt, in der „Hegelschen Herr-Knecht-Dialektik“. Fanon entwickelte ein kritisches und widersprüchliches Verhältnis zu „kollektiven Identitäten“, wie Nation und Volk. Einerseites erkannte er im Nationalismus der Kolonialherren die unterdrückenden, zerstörenden und entfremdenden Mechanismen vor allem für die „Kolonialisierten“. Andererseits übertrug er die befreiende Wirkung antikolonialer Gegengewalt auch auf die so genannte „nationale Befreiungsbewegung“ und damit auf das Konzept der Nation. So kommt es in der Folge dazu, dass einerseits postkoloniale Kritiker, insbesondere Homi K. Bhabha, Stuart Hall, Ania Loomba und Gayatri Chakravorty Spivak die Revolutionstheorien Fanons als Kritik an „bipolaren Entgegensetzungen wie Kolonialherr/Kolonisierter, Westen/Rest, Zivilisation/Wildheit, männlich/weiblich etc.“ werten und mit seiner Theorie ebenso die „Festschreibungen ethnischer und nationaler Identitäten dekonstruktivistisch auflösen wollen, und fließende, hybride Subjektivitäten als Grundlage neuer kultureller und politischer Formen widerständigen Handelns verstehen“ (Wolter). Andererseits muss aber Frantz Fanons Klassiker „Die Verdammten dieser Erde“ als eine Art Letztbegründung für das Festhalten an einem kruden Antiimperialismus der Machart gutes kämpfendes Volk gegen das imperialistische Übel“„“ (Wolter) herhalten. Stokeley Carmichael von der Black Panther Party interpretierte Fanon so, als stünde eine Revolution für die Afroamerikaner in den USA bevor. Auch modernere marxistisch orientierte Kritiker des Postkolonialismus beziehen sich auf die rassismustheoretischen Arbeiten und Revolutionstheorien Fanons. Dazu zählen: Edward Palmer Thompson, Henry Louis Gates, Raymond Williams, Paul Gilroy und Lou Turner. Siehe auch
Zitat„Verlassen wir dieses Europa, das nicht aufhört, vom Menschen zu reden, und ihn dabei niedermetzelt, wo es ihn trifft, an allen Ecken seiner eigenen Straßen, an allen Ecken der Welt. Ganze Jahrhunderte hat Europa nun schon den Fortschritt bei anderen Menschen aufgehalten und sie für seine Zwecke und seinen Ruhm unterjocht; ganze Jahrhunderte hat es im Namen seines angeblichen ‚geistigen Abenteuers‘ fast die ganze Menschheit erstickt. ... Also, meine Kampfgefährten, zahlen wir Europa nicht Tribut, in dem wir Staaten, Institutionen und Gesellschaften gründen, die von ihm inspiriert sind.“ (Frantz Fanon 1961, Die Verdammten dieser Erde) Werke
Literatur
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