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Frühgeburt



  Von einer Frühgeburt spricht man bei der Geburt eines Babys vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche (SSW). Eine übliche Schwangerschaft dauert 40 Wochen (280 Tage nach der letzten Regelblutung). Bei frühgeborenen Kindern dauert sie weniger als 260 Tage; gerechnet vom ersten Tag der letzten Menstruation. Sie wiegen in der Regel weniger als 2.500 Gramm.

Inhaltsverzeichnis

Begrifflichkeiten

Sehr kleine Frühgeborene (VLBW = Very Low Birth Weight) sind Babys, die weniger als 1.500 Gramm wiegen und in der Regel unreifer als 32 SSW sind, als extrem kleine Frühgeborene (ELBW = Extremely Low Birth Weight) bezeichnet man Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.000 Gramm.

Bei Frühgeborenen unterscheidet man ferner Babys, die unüblich klein und unüblich leicht für die Schwangerschaftsdauer (Schwangerschaftsalter) sind. Diese nennt man hypotrophe Frühgeborene oder Small-for-gestational-age-Babies (SGA-Babys). Daneben gibt es Frühgeborene, die unüblich groß und unüblich schwer für die Schwangerschaftsdauer (Schwangerschaftsalter) sind. Sie werden als hypertroph bezeichnet. Man nennt sie auch Large-for-gestational-age-Babies (LGA-Babys).[1]

Ursachen

Der Anteil der Frühgeburten ist in Deutschland nach Informationen der BKK-Niedersachsen-Bremen auf 10 % gestiegen. Die häufigsten Ursachen sind Fruchtwasserinfektionen, ausgelöst z. B. durch Geschlechtskrankheiten. Ebenso kann Rauchen vor und in der Schwangerschaft Auslöser von Frühgeburten sein. In vielen Fällen lässt sich jedoch keine Ursache für die verfrühten Wehen finden. In den westlichen Ländern wird die neonatale Sterblichkeit heute im wesentlichen durch die Mortalität bei Frühgeborenen bestimmt. In neueren Untersuchungen konnte außerdem gezeigt werden, dass auch Parodontitis eine Ursache von Frühgeburten und/oder einem niedrigen Geburtsgewicht sein kann. Außerdem kann eine Plazentainsuffizienz Ursache für eine Frühgeburt (Not-Kaiserschnitt, weil das Ungeborene unterversorgt ist) sein, die durch seelischen Stress hervorgerufen werden kann.

Probleme des Frühgeborenen

Die unreifen Organe führen zu verschiedenen Problemen. Besonders bedeutend und überlebensentscheidend ist das Ausmaß der Lungenreife:

Atemnotsyndrom, IRDS (infant respiratory distress syndrom) o. Surfactantmangel-Syndrom

Die unreife Lunge produziert nur in geringem Maße Surfactant. Dadurch kollabieren Lungenbläschen, die dann am Gasaustausch nicht mehr teilnehmen können. Sauerstoffmangel und Atemnot ist die Folge. In den zusammengefallenen Lungenbläschen sammeln sich Bluteiweiße an und es entstehen für IRDS typische hyaline Membranen. Zur Behandlung wird das Frühgeborene intubiert und künstlich beatmet. Über den Beatmungsschlauch kann Surfactant in die Lunge eingebracht werden. Zur Vorbeugung kann vor der Geburt Kortison gegeben werden, da es die Lungenreife fördert.

Nierenunterfunktion

Die unreife Niere produziert keinen Urin. Deshalb sammeln sich im Blut Substanzen an, die ansonsten durch den Urin ausgeschieden würden. Darunter ist das Kalium von besonderer Bedeutung, da ein erhöhter Kaliumwert im Blut zur lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen führen kann (siehe Hyperkaliämie).

Hirnblutungen

Zu sogenannten intracerebralen Blutung kommt es bei Frühgeborenen besonders unter einem Reifealter von 32+0 Schwangerschaftswochen. Mit zunehmender Unreife steigt das Risiko. Das Risiko für eine höhergradige Blutung (s.u.) beträgt in Deutschland etwa 5-6 % für Kinder <32 Schwangerschaftswochen und etwas 25 % für Kinder <26 Schwangerschaftswochen [2]. Eine Ansammlung von kleinen Gefäßen (Germinale Matrix), welche sich unterhalb der beiden Seitenventrikel (inneren Hirnwasserräumen) befindet, ist bei Frühgeborenen besonders empfindlich. Diese Gefäße können begünstigt durch verschiedene Faktoren einreißen. Dadurch kommt es zu einer Blutung. Eine leichte Blutung (Grad 1) bleibt lokal begrenzt. Eine milde Blutung (Grad 2) ergießt sich in den Hirnwasserräume der Seitenventrikel und füllt ihn bis zu 50% aus. Eine schwere Blutung (Grad 3) füllt den Seitenventrikel zu über 50% aus. Kommt es durch die Blutung zu einer Verlegung der durch das Gebiet der kleinen Gefäße (Germinalen Matrix) führenden drainierenden Venen, so kann es zu einer weiteren schweren Blutung im Nervengewebe des Gehirnes kommen (Früher: Grad 4). Grad-1- und Grad-2-Blutungen haben eine günstige Prognose. Ab einer Grad-3-Blutung ist mit Behinderungen zu rechnen (vorwiegend motorisch). Im akuten Blutungsfall kann es zu einem Schock durch den Blutverlust kommen, im weiteren Verlauf kann das Blut den Abfluss des Hirnwassers behindern. Ein Hydrocephalus ist die Folge. [3]

Darmentzündung Nekrotisierende Enterokolitis (NEC)

Die Darmbewegungen, welche Flüssigkeit und Nahrung vorschieben sind noch nicht regelrecht. Es kann zum Aufstau im Darm kommen. In diesem Milieu wachsen Bakterien, die eine Ursache für die Darmentzündung sein können. Im Röntgenbild können Luftbläschen in der Darmwand gesehen werden(Pneumatosis intestinalis). Bei Darmdurchbruch gelangt Luft in die Bauchhöhle. Weiteres im Artikel Nekrotisierende Enterokolitis

PDA (persistierender Ductus arteriosus Botalli)

Das Offenbleiben (Persistieren) eines bestimmten Blutgefäßes nach der Geburt führt zu Störungen des kindlichen Blutkreislaufes. Durch Erhöhung des O2 Partialdruck kontrahieren sich die Muskelzellen des Ductus arteriosus, wodurch sich normalerweise das Gefäß verschließt. Kommt es bei einem deprimierten Frühgeborenen zur Hyperkapnie, Hypoxie und respiratorischen Azidose, so ist der Kontraktionsreiz nicht gegeben. Dadurch persistiert der Li-Re Shunt und es kommt weiters zur pulmonalen Hypertonie, welche das Krankheitsbild weiter verschlechtert. Das ganze ist ein Circulus vitiosus und muss therapeutisch durchbrochen werden!(siehe Ductus arteriosus).

Netzhautschäden

Siehe Retinopathia praematurorum

Prognose

Heute gilt die Vollendung der 23. Schwangerschaftswoche als notwendige Bedingung für das Überleben eines frühgeborenen Kindes mit medizinischer Hilfe. Die Mortalität und Morbidität sind jedoch bei sehr unreifen Frühgeborenen besonders hoch und hängen stark von der Erfahrung des behandelnden Ärzteteams ab.

Überlebenswahrscheinlichkeit

Die Überlebenswahrscheinlichkeit liegt ab der vollendeten 24. Schwangerschaftwoche in Deutschland zur Zeit etwa bei 60 % und steigt mit zunehmender Reife. Vor allem die Lungenreife ist für das Überleben entscheidend. Sehr kleine Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von < 500 g haben unabhängig von der Reife eine schlechte Überlebenschance. Sie liegt in Deutschland zur Zeit bei etwa 20 bis 30 %.

Spätfolgen

Aufgrund diverser medizinisch-technischer Fortschritte steigt die Zahl der Kinder, die auch eine erheblich zu frühe Geburt überleben. Doch je unreifer ein Kind geboren wird, desto höher ist sein Risiko, eine bleibende Körperbehinderung oder kognitive Beeinträchtigungen zu bekommen. Auch das Risiko, eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung zu bekommen, ist durch eine Frühgeburt, unabhängig von einer genetischen Disposition, erhöht. So werden bei durchschnittlich vier von fünf Kindern, die vor der 26. Schwangerschaftswoche geboren wurden, im Alter von sechs Jahren entsprechende Schädigungen nachgewiesen, die eindeutig auf die unüblich frühe Geburt zurückgeführt werden können. Studien weisen darauf hin, dass langfristig gesehen Kinder, die bei ihrer Geburt weniger als 1.000 Gramm wogen, häufiger gesundheitliche Beeinträchtigungen entwickeln als andere Kinder: Eine amerikanische Studie, bei der 219 ehemals frühgeborene Kinder im Alter von acht Jahren untersucht wurden, fanden sich bei 21 % Asthmaerkrankungen (im Gegensatz zu 9 % in der Kontrollgruppe), bei 47 % motorische Störungen (im Gegensatz zu 10 % in der Kontrollgruppe) und bei 38 % ein Intelligenzquotient von weniger als 85 (im Gegensatz zu 15 % in der Kontrollgruppe) [4]

Maßnahmen bei drohender Frühgeburt

Bei einer drohenden Frühgeburt werden üblicherweise Maßnahmen zur Unterstützung der Lungenreifung des Kindes vorgenommen: Durch vorgeburtliche Gaben von Glukokortikoiden (Kortison, Betamethason) an die Mutter wird die Bildung des Surfactants in den Lungen des Kindes angeregt. Surfactant ist ein Gemisch aus Phospholipiden und Proteinen, das durch die Reduktion der Oberflächenspannung in den Alveolen für die Entfaltung der Lungen notwendig ist.

Behandelnde Kliniken und Perinatalzentren

Während in anderen Industrieländern die Behandlung von kritischen Frühgeburten vor der 26. Schwangerschaftswoche nur in speziellen Perinatalzentren durchgeführt wird, die eine gewisse Fallzahl aufweisen müssen, gibt es eine solche Beschränkung in Deutschland nicht.

Es ist wissenschaftlich belegt, daß es einen direkten Zusammenhang zwischen der Anzahl von Risikogeburten vor der 26. Schwangerschaftswoche in einer Klinik und den Behandlungserfolgen gibt: Je erfahrener die Ärzte und je höher die Zahl der Fälle, desto größer ist die Chance auf ein Überleben des Kindes ohne Spätfolgen [5].

Deutlich zeigt dies eine medizinische Studie von 2006 anhand einer Statistik über Frühgeborene in Baden-Württemberg 2003/2004. Darin wird die Mortalitätsrate der fünf größten Perinatalzentren (Freiburg, Heidelberg, Tübingen, Ulm und Stuttgart) der aller übrigen Kliniken gegenübergestellt. Für Frühgeborene vor der 26. Schwangerschaftswoche ergab sich eine Sterblichkeitsrate von 15% in den genannten Zentren gegenüber 33% in den übrigen Krankenhäusern. Ab der 26. Schwangerschaftswoche unterscheiden sich die Statistiken jedoch nicht mehr signifikant [6].

Rekorde

James Elgin Gill (*20.05.1987 in Ottawa, Kanada) kam 128 Tage zu früh zur Welt (21+5 Wochen) und wog 624 Gramm. Er ist weltweit der frühstgeborene überlebende Mensch und steht im Guinness-Buch der Rekorde.

Rumaisa Rahman (*19.09.2004) kam nach 25+0 Wochen mit einem Gewicht von 244 Gramm und einer Länge von 20 Zentimetern zur Welt und ist das leichteste und kleinste überlebende Frühchen.


Amillia Taylor (*24.10.2006 in Miami), oft als frühstgeborene Baby bezeichnet, kam 21 Wochen und 6 Tage nach einer künstlichen Befruchtung (IVF) zur Welt, mass 23 Zentimeter und wog 283 Gramm. Berücksichtigt man die Tatsache, dass in den USA und Australien oft Embryos im Blaystozystenstadium, somit 4-5 Tage alte Embryos, bei einer IVF transferriert werden, wäre Amillia nach 22+3 bzw. 22+4 Wochen zur Welt gekommen. [7]

Ein im März in Deutschland geborenes Baby wog bei der Geburt nur 300 Gramm, am 26. September 2007 konnte es mit einem Gewicht von 2,2 Kilogramm gesund aus einer Göttinger Klinik entlassen werden.

Siehe auch

Quellen

  1. Steidinger & Uthike: Frühgeborene – Von Babys, die nicht warten können
  2. (Hessische Neonatalerhebung 2005)
  3. (Quelle: u.a. Volpe: Neurology of the Newborn)
  4. (ApothekenUmschau 10/2005, S. 67).
  5. Krankenhäuser: Geboren am falschen Ort, DER SPIEGEL (44/2007) - 29.10.2007
  6. H. D. Hummler, C. Poets, M. Vochem, R. Hentschel, O. Linderkamp: Mortalität und Morbidität sehr unreifer Frühgeborener in Baden-Württemberg in Abhängigkeit von der Klinikgröße. Ist der derzeitige Grad der Regionalisierung ausreichend?, Z Geburtshilfe Neonatol 2006; 210: 6-11, DOI: 10.1055/s-2006-931508
  7. [1]

Literatur

  • Rinnhofer, Heidi (Hrsg.): Hoffnung für eine Handvoll Leben. Eltern von Frühgeborenen berichten. Harald Fischer Verlag, Erlangen 1997[2], ISBN 3-89131-113-3
  • Steeg, F. H.: Zusammenhang zwischen Frühgeburt und "Rechenschwäche"? – aus der
  • Wirthl, Jutta und Hans-Jürgen: Geschafft! Geschafft? – ein Erfahrungsbericht zur Teilleistungsstörung Dyskalkulie  –
  • Mitgliederzeitschrift "Das Frühgeborene Kind" e. V., 4/2004: Teilleistungsstörungen]
  • Verein zur Förderung von Früh- und Risikogeborenen "Das Frühchen" e. V. Heidelberg: "Es kam alles ganz anders; Ein Buch für Eltern, denen ein Frühchen geschenkt wurde", Heidelberg 2000, ISBN 3-00-007070-2
  • Werner Müller, "Septemberkind", ISBN 978-3929480078
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