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Felines Immundefizienz-Virus
Das Feline Immundefizienz-Virus (FIV) ist ein Virus aus der Familie der Retroviren. Das Virus löst bei Katzen eine Immunschwächekrankheit aus, die als Felines Immundefizienzsyndrom oder umgangssprachlich als Katzenaids bezeichnet wird, da sie der Erkrankung Aids beim Menschen stark ähnelt. Menschen können sich jedoch mit FIV nicht infizieren. FIV gehört innerhalb der Retroviren zur Gattung der Lentiviren und wurde 1986, also vier Jahre nach der Entdeckung des Humanen Immundefizienz-Virus (HIV), zum ersten Mal beschrieben. Die Erkrankung ist bisher nicht wirkungsvoll behandelbar, verläuft aber oft über lange Zeit symptomlos. Langfristig wird jedoch das Immunsystem zerstört und Sekundärinfektionen führen zum Tod. Bisher wurden neun verschiedene Stämme des Virus aus elf verschiedenen Katzenarten isoliert, darunter spezifische Stämme aus Löwen und Pumas. Auch in der Tüpfelhyäne, die nicht zur Familie der Katzen gehört, wurde FIV gefunden. Neben dem Felinen Coronavirus, dem Erreger der Felinen Infektiösen Peritonitis (FIP) und FeLV, dem Erreger der Katzenleukämie, gehört das Virus zu den Auslösern der klinisch bedeutsamsten viralen Infektionskrankheiten bei Hauskatzen. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
Geschichte, Verbreitung und NomenklaturDie ersten FIV-Virusstämme wurden 1986 aus Hauskatzen isoliert. In einem Haushalt in Petaluma, Kalifornien, in dem sehr viele Katzen lebten, kam es zu einem Ausbruch einer Immunschwächekrankheit. Diese Tiere wurden auf das Feline Leukämievirus (FeLV) getestet, waren aber alle negativ. Man entnahm ihnen Blutproben und injizierte diese in zwei gesunde Tiere, die nach vier bis sechs Wochen Fieber, eine Abnahme der Zahl der weißen Blutkörperchen (Leukopenie) und eine Lymphknotenschwellung entwickelten. Aus den mononukleären peripheren Blutzellen (PBMCs) dieser Tiere wurde anschließend das erste FIV isoliert. Bald darauf wurde festgestellt, dass auch Serumproben von wild lebenden Katzen wie afrikanischen Löwen und Geparden, asiatischen Löwen und Tigern, südamerikanischen Jaguaren und nordamerikanischen Pumas mit den Antigenen von FIV und EIAV kreuzreagierten. Diese Reaktionen deuteten auf eine Infektion mit FIV hin. Serologische Untersuchungen dieser Art (zum Beispiel mittels ELISA) sind bis heute die wichtigste Methode, um eine Infektion mit FIV nachzuweisen. Zunächst wurden die Antigene der Hauskatzen auch für Tests der Seren von wild lebenden Katzenarten verwendet. Mit zunehmender Charakterisierung der speziesspezifischen FIV-Stämme wurden deren Antigene verwendet, was die Sensitivität der Tests stark erhöhte. Gleichzeitig wurde erkannt, dass FI-Viren eine große und evolutionär gesehen alte Gruppe von Retroviren sind. Nach der ersten Beschreibung aus Nordamerika wurde nach und nach in Hauskatzen aus aller Welt ebenfalls FIV nachgewiesen. Die weltweite Prävalenz von FIV-infizierten Hauskatzen in den Regionen und Ländern liegt zwischen zwei und 30 Prozent. Da die Hauskatze bereits vor hunderten von Jahren von Europa aus mit den Händlern und Entdeckern in alle Welt verbreitet wurde, kann davon ausgegangen werden, dass auch FIV Hauskatzen bereits seit langer Zeit infiziert. Auch eingefrorene Katzenseren – die ältesten getesteten Seren stammen von 1968 aus Japan und den USA – lieferten positive Serotests. Die Zahlen über die Verbreitung schwanken in Abhängigkeit von der Vorselektion des Probenmaterials und der Populationsdichte [1] [2] [3]. Auch in verschiedenen geografischen Regionen treten große Schwankungen auf. Die Löwen in der Serengeti sind praktisch zu 100 Prozent seropositiv, während die Löwen in Namibia und freilebende Asiatische Löwen durchweg seronegativ sind. Pumas in Wyoming sind fast zu 100 Prozent positiv, während Pumas in Montana nur zu 20 Prozent positiv sind. Weil die evolutionäre Entwicklung von Lentiviren schneller verläuft als die von Katzenarten, lassen die Verbreitung und Ähnlichkeit der FIV-Stämme Rückschlüsse auf Ausbreitung, Territorien, Wanderungsverhalten und Populationsdynamiken der verschiedenen Katzenarten zu[4]. Die Erfassung und Analyse dieser Daten steht jedoch noch am Anfang. Die Bezeichnung des Virus mit FIV bezieht sich in den meisten Fällen auf das Isolat aus Hauskatzen. Die Standardnomenklatur für die Bezeichnung von Stämmen aus verschiedenen Spezies ist ein hintenangestelltes Kürzel, das sich aus dem ersten Buchstaben des Gattungsnamens und aus den ersten beiden Buchstaben des Artnamens zusammensetzt. Das FIV der Hauskatze Felis catus wird daher auch als FIVfca bezeichnet, das des Afrikanischen Löwen (Panthera leo) heißt FIVple und das von Puma concolor FIVpco. Das Puma-FIV wird manchmal auch als PLV und Löwen-FIV mit LLV bezeichnet, aber diese beiden Virusstämmme sind im Bezug auf einen eigenen Namen die einzigen Ausnahmen von der Nomenklatur.
PhylogenieDie bisher bekannten FIV-Stämme sind sehr divergent, aber monophyletisch, also aus einer Stammform entstanden. Für drei der FIV-Stämme aus den verschiedenen Tierarten konnten Subtypen ermittelt werden. Das FIV der Hauskatze ist bisher am besten untersucht und weist fünf Subtypen auf, die weltweit in unterschiedlicher Häufigkeit vorkommen und die mit A bis E bezeichnet werden. Die Unterteilung in fünf Untergruppen erfolgte nach Vergleichen der DNA-Sequenz des env-Gens, das die Hüllproteine kodiert. Die Untergruppen A bis C sind weltweit verbreitet, D kommt vor allem in Ostasien vor und E nur in Südamerika. Auch von FIVple wurden drei Untergruppen bestimmt, bezeichnet mit A bis C. Diese Unterteilung erfolgte aufgrund von Sequenzunterschieden im pol-Gen, das die viralen Enzyme (Protease, Integrase und Reverse Transkriptase kodiert) und auch für FIVpci gibt es die Untergruppen A und B, die aufgrund der Unterschiede in pol eingeteilt wurden. Die Unterschiede der DNA-Sequenz sind zwischen den einzelnen FIV-Stämmen zum Teil erheblich und liegen zum Beispiel für das pol-Gen von FIVple, FIVfca und FIVpco bei 30 Prozent. Die bekannten FIV-Stämme bilden einen eigenen Cluster innerhalb der Lentiviren und können grob in Alt- und Neuweltspezies unterteilt werden. Die engste Verwandtschaft besteht zu den Lentiviren der Rinder und Pferde. AufbauFIV ist aufgebaut wie andere Lentiviren, die Immunschwächesyndrome bei Säugetieren hervorrufen. Das vollständige Virion hat einen Durchmesser von 105 bis 125 Nanometer, ist sphärisch oder ellipsoid geformt und besitzt in der Virushülle kurze, wenig definierte Vorsprünge (Spikes), die aus den viralen Glykoproteinen gp95 und gp44 bestehen. Es hat wie andere Retroviren eine Dichte von 1,15 bis 1,17 Gramm pro Kubikzentimeter. Die Viruspartikel werden durch übliche alkohol- oder chlorhaltige Desinfektionsmittel zerstört und durch kurzzeitiges (wenige Minuten) Erhitzen auf 60 Grad Celsius inaktiviert. Das Virusgenom ist diploid. Es besteht aus zwei identischen einzelsträngigen RNA-Molekülen von etwa 9400 Nukleotiden Länge in Plus-Strang-Orientierung. Es besitzt die typische genomische Struktur der Lentiviren, die aus den Genen gag-pol-env besteht, und hat wie diese akzessorische (zusätzliche) Gene. Diese sind vif, vpr und ref. Es fehlen tat, vpu, vpx und nef, FIV ist damit weniger komplex als HIV. FIV besitzt eine Desoxyuridinpyrophosphatase (dUTPase), die in Lentiviren der nicht-Primaten vorkommt und bisher außer für FIV noch für EIAV und das Visna-Maedi-Virus (VMV) beschrieben wurde. Die dUTPase wird in der pol-Region codiert, das fertige Enzym baut dUTP zu dUMP und Pyrophosphat ab, was dem Virus wahrscheinlich dabei hilft, einen falschen Einbau von dUTP in das Genom zu verhindern. Von dem proviralen Genom werden sechs verschiedene Spleißvarianten der mRNA erzeugt. Pathogenität und Spezifität
Die Pathogenität der FIV-Stämme ist für Katzen in freier Wildbahn nur schwer zu bestimmen. Epidemiologische Studien, in denen die Überlebensraten mit den Infektions- und Reproduktionsraten verglichen wurden, konnten keine statistisch signifikanten Nachteile für die infizierten Tiere feststellen. Viele der vorkommenden Stämme können somit als nicht pathogen angesehen werden. In Gefangenschaft dagegen, wenn sich die durchschnittliche Lebenserwartung der Tiere deutlich erhöht, kommt es zu der Entwicklung der Krankheitssymptome. Die geringe Pathogenität der FIV-Stämme bei wild lebenden Katzen deutet auf eine lange Pathogen-Wirt-Wechselwirkung hin, die wie bei SIV vermutlich seit etwa ein bis zwei Millionen Jahren besteht.[5] In welchen Vorläuferspezies sich FIV zunächst entwickelt hat, ist nicht bekannt. Das Feline Immundefizienz-Virus ist sehr wirtsspezifisch, eine Ansteckungsgefahr für den Menschen wird als minimal eingestuft.[6] FIV infiziert wie HIV-1 hauptsächlich CD4-positive T-Lymphozyten. Im Vergleich zu HIV-1, einem der beiden bei Menschen vorkommenden Verwandten, hat FIV jedoch ein etwas breiteres Spektrum an Zellen, die es infizieren kann. Neben den CD4-positiven T-Zellen, Monozyten, Makrophagen und Gliazellen infiziert FIV auch CD8-positive T- und B-Zellen. Als primärer Rezeptor für das externe Glykoprotein (gp95) von FIV dient nicht wie bei HIV-1 CD4, sondern CD134.[7][8] Für die Interaktion zwischen FIV gp95 und CD134 wird CXCR4 als essentieller Korezeptor benötigt.[9] Das Hüllprotein gp95 des Virus bindet mit seinen Vorsprüngen (engl. spikes) an CD134, was eine Konformationsänderung in gp95 zur Folge hat, die eine Interaktion mit CXCR4 ermöglicht. Diese Interaktion mit dem Corezeptor regt die Fusion der Virushülle mit der Zellmembran an und ermöglicht den Eintritt in die Zelle. Da auch Virusstämme beschrieben wurden, die CD134 nicht benötigen, ist die Charakterisierung der Rezeptoren noch nicht vollständig abgeschlossen. Es ist bisher in keinem einzigen Fall gelungen, das FI-Virus in menschlichen Zellen oder Zelllinien zur Vermehrung zu bringen. Der „Block“, also die Barriere, die das Virus daran hindert, einen vollständigen Replikationszyklus zu durchlaufen, liegt weder beim Zelleintritt noch bei der Überwindung der Kernmembran sondern besteht darin, dass das in der DNA integrierte und nachweisbare Provirus den kritischen Schritt der Transkription nicht mehr durchläuft. Daher können nach der Infektion der Zelle keine weiteren Viruspartikel gebildet werden. Der Block ähnelt damit dem von EIAV in menschlichen Zellen und HIV in Mäusezellen. Nach einer Erstinfektion produziert die Katze sofort virusspezifische Antikörper und cytotoxische T-Zellen, ist jedoch trotz der heftigen Immunreaktion nicht in der Lage, die Infektion vollständig zu überwinden. Das Virus verbleibt daher in allen bisher untersuchten Fällen dauerhaft im Körper. FIV-ImpfstoffRelativ viel Aufmerksamkeit hat die Entwicklung eines FIV-Impfstoffs erhalten, der 2002 in den USA zugelassen wurde. Man erhofft sich aus den Erfahrungen Erkenntnisse für die Entwicklung eines Impfstoffs gegen HIV.[10] Die Entwicklung eines solchen Impfstoffs wurde seit Entdeckung des FI-Virus vorangetrieben,[6] und es wurden verschiedene Impfstofftypen getestet, darunter inaktivierte Viren, mit Viren infizierte Zellen, DNA-Impfstoffe und virale Vektoren. Es ist unklar, ob diese unter Laborbedingungen erbrachten Ergebnisse unter Feldbedingungen mit einer Vielzahl verschiedener FIV-Stämme reproduzierbar sind. Wie bei HIV ist die Entwicklung einer wirksamen Impfung gegen FIV aufgrund der hohen Anzahl und Variationen der Virus-Stämme schwierig. Für sogenannte „single strain“-Vakzine, also Impfstoffe, die nur gegen eine vorkommende Virusvariante schützen, konnte bereits eine gute Wirksamkeit gegen homologe FIV-Stämme nachgewiesen werden. Mit der Entwicklung einer „dual-subtype“ FIV-Vakzine (Name: Fel-O-Vax FIV) wurde es möglich, Katzen auch gegen heterologe FIV-Stämme zu immunisieren. Der Impfstoff besteht aus inaktivierten (abgetöteten) FIV-Partikeln der beiden Stämme Petaluma subtype A und Shizuoka subtype D.[11] Unter Laborbedingungen trat bei 82 Prozent der Katzenprobanden eine Immunität gegenüber FIV durch die Verabreichung des Impfstoffs auf.[12] Eine generelle Immunisierung gegen Primärisolate aus der freien Wildbahn scheint jedoch nach wie vor nur unzureichend möglich zu sein. Bisher konnten außerdem nur wenige Erkenntnisse aus der Impfstoffentwicklung für die Entwicklung eines HIV-Impfstoffs genutzt werden.[10] Wichtigster Kritikpunkt an dem zur Verfügung stehenden Impfstoff ist die Tatsache, dass geimpfte Tiere serologisch nicht von infizierten Tieren zu unterscheiden sind.[13] An der Entwicklung eines Tests zur Unterscheidung wird gearbeitet. Durch das vergleichbare Krankheitsbild und die Möglichkeit einer Immunisierung spielt die Hauskatze dennoch eine zunehmend wichtige Rolle bei der Erforschung von HIV und Aids.[14] FIV als viraler VektorAuf der Basis von FIV werden virale Vektoren für die Gentherapie beim Menschen entwickelt.[15] Als ein Vorteil von FIV wird dabei das fehlende Krankheitsbild beim Menschen angesehen. Die FIV-Vektoren werden auch in der Grundlagenforschung eingesetzt. Quellen und weiterführende InformationenEinzelnachweise
Literatur
Kategorien: Retroviren | Lesenswert |
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