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Evolutionäre Erkenntnistheorie



Die Evolutionäre Erkenntnistheorie (evolutionary epistemology) bestimmt die wissenschaftliche Lehre über die menschliche Erkenntnis mit Hilfe der Evolutionstheorie. Kant stellte fest, dass dem Menschen von vorneherein (a priori) Kategorien wie Raum, Zeit und Kausalität zur Verfügung stehen, damit er zu Erkenntnissen kommen kann. Die evolutionäre Erkenntnistheorie erklärt dagegen allgemein diese Kategorien nicht als a priori aus der Sicht des Individuums gegeben, sondern als stammesgeschichtlich a posteriori, d. h., erworben durch die über hunderte Millionen Jahre gehende evolutionäre Entwicklung von Sinnesorganen, Gehirnfunktionen, sowie sprachlichen und kulturellen Fähigkeiten.

Hauptvertreter: Donald T. Campbell, Konrad Lorenz, Karl.R. Popper, Rupert Riedl, Gerhard Vollmer

Während Kant sagte, dass die weltlichen Phänomene und auch die a priori gegebenen Anschauungsformen von Raum und Zeit nichts mit der eigentlichen Realität (des „Dinges an sich“) zu tun haben und wir diese Realität auch nie erkennen werden, glauben viele Vertreter der evolutionären Erkenntnistheorie, Kant darin widerlegt zu haben. Für sie sind insbesondere Raum und Zeit Erkenntnisstrukturen, die sich in der Evolution in Anpassung an die Realität herausgebildet haben, d. h. dass sie deshalb wahrscheinlich auch Strukturen der Realität sind. Dadurch sind die weltlichen Phänomene, die wir erkennen, nicht bloße Erscheinungen, wie in Kants Idealismus, sondern gelten als reale Objekte in einem allerdings nur hypothetischen Realismus.

Dass die Evolutionstheorie allerdings nicht nur zur Widerlegung, sondern auch zur Bestätigung von Kant herangezogen werden kann, zeigen die radikalen Konstruktivisten und Neurobiologen Humberto Maturana und Francisco Varela. Beide Deutungen einer evolutionären Erkenntnistheorie werden nachfolgend dargestellt und dann auch in einen interdisziplinären Zusammenhang gebracht, da eine Lehre von der Erkenntnis der Realität auch viele andere Disziplinen betrifft.

Inhaltsverzeichnis

Die erkenntnistheoretische Hauptfrage

„Die erkenntnistheoretische Hauptfrage ist die nach Grund und Grad der Übereinstimmung von Erkenntnis- und Realkategorien“ (Vollmer 1998, S.3 und S. 54). Der naive Realismus, der davon ausgeht, dass die Welt real und substantiell genauso ist, wie wir sie erkennen, also dass Erkenntnis- und Realkategorien vollkommen übereinstimmen, gilt allgemein als widerlegt. Das andere Extrem hinsichtlich dieser erkenntnistheoretischen Hauptfrage ist der Idealismus insbesondere von Kant, nach dem wir rein gar nichts von dem hinter den weltlichen Erscheinungen stehenden „Ding an sich“ erkennen, darüber aussagen oder wissen können, so dass Erkenntnis- und Realkategorien überhaupt nicht übereinstimmen. „Was die Dinge an sich sein mögen, weiß ich nicht und brauche es nicht zu wissen, weil mir doch niemals ein Ding anders als in der Erscheinung vorkommen kann“ (Kant, B 332-B 333).
Anmerkung: Kant hier (wie auch oben) als echten Idealisten darzustellen ist nicht richtig. Schon Kant selbst wehrte sich dagegen. Siehe dazu ein Zitat Kants aus den Prolegomena, Anhang: Probe eines Urteils über die Kritik, das vor der Untersuchung vorhergeht: "Der Satz aller echten Idealisten, von der Eleatischen Schule an, bis zum Bischof Berkeley, ist in dieser Formel enthalten: »alle Erkenntnis durch Sinn und Erfahrung ist nichts als lauter Schein, und nur in den Ideen des reinen Verstandes und Vernunft ist Wahrheit«. Der Grundsatz, der meinen Idealism durchgängig regiert und bestimmt, ist dagegen: »Alles Erkenntnis von Dingen, aus bloßem reinen Verstande, oder reiner Vernunft, ist nichts als lauter Schein, und nur in der Erfahrung liegt die Wahrheit«. Das ist ja aber gerade das Gegenteil von jenem eigentlichen Idealism; wie kam ich denn dazu, mich dieses Ausdrucks zu einer ganz entgegengesetzten Absicht zu bedienen, und wie der Rezensent, ihn allenthalben zu sehen?"

Die moderne Naturwissenschaft gründet allgemein auf einem Realismus, der die Materie als die eigentliche Substanz ansieht und das Geistige nur als eine Eigenschaft oder Funktion dieser Substanz. Kant sagt dagegen über die Materie, wobei er in dieser Aussage in einer gewissen grundsätzlichen Weise die Erfolge der modernen Naturwissenschaft etwa in der Evolutionstheorie, der Quantenphysik, der Hirnforschung usw. vorwegnimmt: „Ins Innre der Natur dringt Beobachtung und Zergliederung der Erscheinungen, und man kann nicht wissen, wie weit dieses mit der Zeit gehen werde“ (Kant, B 334). Doch selbst wenn uns in einer vollkommenen Beobachtung und Zergliederung „die ganze Natur aufgedeckt wäre“, so ist und bleibt gemäß Kant das transzendentale Objekt (als „Ding an sich“), „welches der Grund dieser Erscheinung sein mag, die wir Materie nennen, ein bloßes Etwas, wovon wir nicht einmal verstehen würden, was es sei, wenn es uns auch jemand sagen könnte“ (Kant, B 333).

Diese vollkommene und grundsätzliche Unzugänglichkeit und Nichterkennbarkeit des Absoluten oder Realen betrifft nach Kant auch die mit dem materiellen Sein unmittelbar verknüpften Kategorien von Raum und Zeit. Für Kant sind auch diese Kategorien nur apriorische Strukturen, also vor und unabhängig von aller Erfahrung gegeben, oder eben bloße Anschauungsformen, die wir selbst in das Chaos der Empfindungen legen, um diese dann entsprechend erkennen und "lesen" zu können. Für Kant haben Raum und Zeit nichts mit dem „bloßen Etwas“ zu tun, das als Absolutes und „Ding an sich“ hinter den materiellen Erscheinungen steht.

Die realistische Beantwortung der erkenntnistheoretischen Hauptfrage über die Evolutionstheorie

Genau diese Aussage von Kant glaubt die realistische evolutionäre Erkenntnistheorie widerlegt zu haben. Kants Aussage der vor und unabhängig von aller Erfahrung gegebenen Erkenntnisstrukturen ist demnach zwar hinsichtlich des individuellen Seins richtig, dem diese Strukturen angeboren und in diesem Sinne a priori gegeben sind. Doch Kant konnte nichts von der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Menschen und allgemein der Evolution des Lebens wissen.

Der Erkenntnis- und Wissenschaftstheoretiker Gerhard Vollmer beantwortet die oben erwähnte erkenntnistheoretische Hauptfrage dann gemäß der Evolutionstheorie in Widerlegung von Kant folgendermaßen:

Unser Erkenntnisapparat ist ein Ergebnis der Evolution. Die subjektiven Erkenntnisstrukturen passen auf die Welt, weil sie sich im Laufe der Evolution in Anpassung an diese reale Welt herausgebildet haben. Und sie stimmen mit den realen Strukturen (teilweise) überein, weil nur eine solche Übereinstimmung das Überleben ermöglichte (Vollmer 1998, S. 102).

Vollmer betont aber stets, dass der Grad der Übereinstimmung der von der theoretischen Erkenntnis rekonstruierten Welt mit der wirklichen Welt uns unbekannt ist und bleibt, auch dann, wenn er vollkommen sein sollte (Vollmer, S. 137). Das definiert den hypothetischen Realismus. Ihm nach wird angenommen, dass es eine reale Welt unabhängig von Wahrnehmung und Bewusstsein gibt, dass sie gewisse Strukturen hat und dass diese Strukturen teilweise erkennbar sind bzw. mit denen der von uns erkannten Welt übereinstimmen (Vollmer 1998, S. 35). Das gilt dann insbesondere für die Strukturen von Raum und Zeit, bleibt aber auch hier grundsätzlich hypothetisch. Mit anderen Worten, das Universum existiert im hypothetischen Realismus auch unabhängig von unserer Erkenntnis und damit real und substantiell in der Form, in der wir es mit seinen in Raum und Zeit voneinander getrennten materiellen Objekten wahrnehmen (nur speziell die Erde eventuell nicht in ihrer Farbigkeit). Der Idealismus von Kant, der alle sinnhaft erkannten weltlichen Phänomene nur als Erscheinungen ansieht, wäre darin widerlegt.

Die idealistische Deutung der erkenntnistheoretischen Hauptfrage über die Evolutionstheorie

Diese realistische erkenntnistheoretische Deutung mit Hilfe der Evolutionstheorie ist jedoch selbst in der modernen Naturwissenschaft nicht unumstritten, auch wenn die Gegenposition klar in der Minderheit ist. So schreiben die beiden als radikale Konstruktivisten angesehenen Neurobiologen Humberto Maturana und Francisco Varela: „Wenn wir die Existenz einer objektiven Welt voraussetzen, die von uns als den Beobachtern unabhängig und die unserem Erkennen durch unser Nervensystem zugänglich ist, dann können wir nicht verstehen, wie unser Nervensystem in seiner strukturellen Dynamik funktionieren und dabei eine Repräsentation dieser unabhängigen Welt erzeugen soll“ (Maturana/Varela, S. 259).

In ihrem Buch „Der Baum der Erkenntnis“ nutzen sie umgekehrt die Evolutionstheorie zur Begründung einer idealistisch geprägten evolutionären Erkenntnistheorie. Dabei treffen sie die entscheidende Aussage: „Erkennen hat es nicht mit Objekten zu tun“ (Maturana/Varela, S. 262), d.h. das Phänomen des Erklärens und das erklärte Phänomen gehören nicht verschiedenen Bereichen an (Maturana/Varela, S. 257), also in der Trennung subjektiver Erscheinungen und realer oder substantieller Strukturen. Hinsichtlich der erkenntnistheoretischen Hauptfrage von Vollmer heißt das, dass es keine Übereinstimmungen zwischen Erkenntnis- und Realkategorien geben kann, weil alles von uns in der Welt Erkannte nur dem Bereich der Erkenntnisstrukturen angehört.

Das ergibt eine Kreisläufigkeit. So beschreiben Maturana und Varela die Evolution des Lebens von den materiellen Grundlagen des Universums an und kommen am Schluss zu der Erkenntnis, dass diese Anfangsbedingungen und der gesamte Evolutionsprozess erst durch den und in dem Endzustand, dem Bewusstsein und in der Umfassendheit speziell dem menschlichen Bewusstsein, hervorgebracht werden. Sie betonen es am Schluss ihres Buches zwar nicht mehr explizit, aber nur dadurch, dass hier auch das materiell-körperliche Sein mit einbezogen wird, gibt es „keinen festen Bezugspunkt mehr“ (Maturana/Varela, S. 258) und damit eine Zirkularität, die sie mit dem Bild der „zeichnenden Hände“ von M. C. Escher veranschaulichen.

Die realistische Deutung der evolutionären Erkenntnistheorie setzt hypothetisch das materielle Sein in Zeit und Raum als real voraus. Daraus und daran haben sich dann diesem Verständnis nach in der Evolution die subjektiven Erkenntnisstrukturen entwickelt, vor allem auch die von Kant genannten (subjektiven) Anschauungsformen von Raum und Zeit. Doch aus idealistischer Sicht wird hierbei das, was abgeleitet werden soll, schon vorausgesetzt, was darin wieder die Zirkularität bzw. das a priori von Kant ergibt. In der idealistischen Deutung wird die Erkenntnistheorie von Kant nicht durch die Evolutionstheorie widerlegt.

In dieser Zirkularität haben die weltlichen Phänomene nur ein erscheinungshaftes Wesen, das nur widerlegt werden könnte, wenn „ein fester Bezugspunkt“ da wäre, d.h. wenn irgendwo sicher und eindeutig und nicht nur hypothetisch zwischen substantiellen Real- und subjektiven Erkenntniskategorien unterschieden werden könnte. Doch genau das ist nicht möglich, auch nicht hinsichtlich des materiellen Seins. Die Zirkularität eines solchen Erkennens, wie wir erkennen, ist für Maturana und Varela dabei kein Hindernis für das Verständnis des Erkennens, sondern ganz im Gegenteil: „Davon ausgehend, ist es uns gerade möglich, das Erkennen wissenschaftlich zu erklären“ (Maturana/Varela, S. 263).

Maturana und Varela erklären den Objektivismus aber nicht als in jeder Hinsicht falsch und den Idealismus als richtig, sondern sie verstehen ihre Deutung der Welt und des Erkennens als eine Gratwanderung, indem sie in der Schlussbetrachtung sagen: „Wieder müssen wir auf einem Grat wandern und vermeiden, in eines der Extreme - das repräsentationistische (Objektivismus) oder das solipsistische (Idealismus) - zu verfallen“ (Maturana/Varela, S. 259).

Die Bedeutung der Interdisziplinarität für jede Erkenntnistheorie

Vollmer betont wie gesagt stets den hypothetischen Charakter der realistischen evolutionären Erkenntnistheorie und besonders in Hinblick auf den radikalen Konstruktivismus und die idealistische Auslegung ist es alles andere als sicher und entschieden, dass wir mit Hilfe der Evolutionstheorie zu einer zweifellos wahren Erkenntnistheorie oder gar einer wahren und sicheren Erkenntnis der letztendlichen Realität in dieser Welt gelangt sind.

Doch es könnte eine indirekte Erkenntnis einer direkt nicht zugänglichen Wahrheit möglich sein, denn Vollmer stellt in seiner Darstellung der evolutionären Erkenntnistheorie einen wichtigen Aspekt in einem separaten Abschnitt heraus, nämlich den „interdisziplinären Kontext“ (Vollmer 1998, S. 180). Dabei lässt er sogar zwei entscheidende interdisziplinäre Bezüge unberücksichtigt. Der eine ist der zur Quantenphysik, die sich ja um die letztendliche Erkenntnis der im Realismus vorausgesetzten Substanz der Materie bemüht. In der Interpretation der Erkenntnisse der Quantenphysik spielt bis heute der Idealismus eine entscheidende Rolle, insbesondere in der Deutung durch das Gedankenexperiment „Schrödingers Katze“, das der Physiker Eugene Paul Wigner mit dem Zusatz „Wigners Freund“ zu einer mehr oder weniger reinen Bewusstseinslösung der Deutung der Quantenmechanik entwickelt hat. Zumindest erfüllt die in der Quantenphysik gefundene mathematische Wellenfunktion, die sich in der empirischen Anwendung hervorragend bewährt hat, in der Interpretation alles andere als die gewünschte realistische Lösung, bei der ein Quantenobjekt in Raum und Zeit stets sicher und eindeutig als solches erkannt und bestimmt werden kann. Die Wellenfunktion liefert nur Wahrscheinlichkeiten für das Erscheinen eines Quantenobjektes und ermöglicht darin die idealistische Interpretation.

Maturana und Varela sprechen im Gegensatz zu Vollmer in ihrem Schlusskapitel die weitere Evolution speziell des menschlichen Seins in Hinblick auf das ethische Verhalten an und deuten letztlich ihre evolutionäre Erkenntnistheorie ganz in dieser Richtung (Maturana/Varela, S. 263). Darin bringen sie auch die Religionen ins Spiel. Über deren Erkenntnistheorien wäre hinsichtlich eines interdisziplinären Bezuges besonders die negative Theologie zu berücksichtigen, die dem Neuplatonismus und darüber den antiken Wurzeln des Idealismus sehr nahe steht. Speziell bei Meister Eckhart werden dem Göttlichen, Jenseitigen in dieser negativen Theologie nicht nur alle weltlichen Eigenschaften sowie die Personalität abgesprochen, sondern wie dem neuplatonischen Einen sogar das (in Raum und Zeit getrennte) Sein. Die erkenntnistheoretische Hauptfrage wird hier ganz im Sinne von Kant und eines Idealismus beantwortet, nicht dagegen im Sinne der positiven Theologie eines Realismus. Das jenseitige Eine ist nach Meister Eckhart „das verborgene Dunkel der ewigen Gottheit und ist unerkannt und ward nie erkannt und wird nie erkannt werden“ (Predigt 23 nach der Quint-Zählung). In der neuplatonischen Deutung stellt die Gotteserkenntnis im Sohn-Sein bei Meister Eckhart in dieser Weise nichts anderes als eine religiös-philosophische Erkenntnistheorie dar (siehe „Gottesgeburt in der Seele“ bei Meister Eckhart). Nur diese strikt negative Theologie steht darüber hinaus nicht im Widerspruch zu Kants Religionskritik, sondern bestätigt diese vielmehr.

Auffällig und erkennbar ist in diesen interdisziplinären Bezügen der erkenntnistheoretischen Aspekte hinsichtlich einer letztendlichen und darin absoluten Wahrheit, dass in den jeweiligen idealistischen Deutungen eine umfassende Übereinstimmung zumindest möglich scheint, während in den realistischen Deutungen die einzelnen Disziplinen und ihre jeweiligen Erkenntnistheorien und auch Erkenntnisse unüberbrückbar voneinander getrennt und widersprüchlich bleiben. Wenn die Strukturen einer letztendlichen Realität oder Wahrheit strikt von denen der Welt getrennt sind und in keiner Weise übereinstimmen, so ist diese darin jenseitige Realität in den weltlichen Strukturen grundsätzlich nicht erkennbar, was dann auch jede Erkenntnistheorie in der Welt betrifft. Die wahre Realität könnte dann höchstens indirekt in gewisser Weise erkannt werden. Von den interdisziplinären Bezügen her wäre daher die von Vollmer gestellte erkenntnistheoretische Hauptfrage und damit auch die evolutionäre Erkenntnistheorie entgegen der Antwort von Vollmer im Sinne des Idealismus und nicht des Realismus zu beantworten und zu sehen.

Geschichte

Erste Ansätze einer evolutionären Erkenntnistheorie stammten von Herbert Spencer und Georg Simmel. Die meisten Ansätze evolutionärer Erkenntnistheorien berufen sich aber auf eine Stelle aus "natural kinds" von Willard Van Orman Quine von 1969. In diesem Aufsatz fragt er sich, warum die Kategorien unserer Sprache denen der Welt entsprechen sollten. Er vertritt die These, dass wir geboren werden mit der Fähigkeit Kategorisierungen zu bilden, die uns helfen zu überleben, denn: "Creatures inveterately wrong in their inductions have a pathetic but praisworthy tendency to die before reproducing their kind." Damit vertritt Quine aber nicht die Theorie, dass tatsächlich eine Evolution stattgefunden hat, sondern nur, dass die Art, der ich angehöre, nicht mit ungeeigneten Kategorien überlebt hätte. Quine ist Kohärentist und Naturalist, weshalb für ihn die Lösung philosophischer Probleme durch naturwissenschaftliche Erkenntnisse zulässig ist. Quine selbst vertritt in der Erkenntnistheorie die Position des Kohärentismus. Innerhalb dieser Position findet die Rechtfertigung unserer Kategorien durch die Evolution bei Quine erst ihren Platz. Dieser Aspekt wird von vielen Vertretern evolutionärer Erkenntnistheorien häufig vergessen. Eine erste größere systematische Fassung wurde erst von Konrad Lorenz vorgelegt (Die Rückseite des Spiegels. Versuch einer Naturgeschichte des menschlichen Erkennens, 1973), die im weiteren von Gerhard Vollmer ausgebaut wurde. Ein weiterer Vertreter ist der österreichische Meeresbiologe Rupert Riedl.

Siehe auch

Evolutionäre Ethik, Evolutionismus, Erkenntnistheorie, Soziales Lernen, Civic Education

Literatur

  • Bernhard Irrgang: Lehrbuch der Evolutionären Erkenntnistheorie, Reinhardt, 2. Aufl München 2001, ISBN
  • Konrad Lorenz: Rückseite des Spiegels. Versuch einer Naturgeschichte des menschlichen Erkennens. München 1973.
  • Karl Popper: Objektive Erkenntnis. Ein evolutionärer Entwurf. Hamburg 1973.
  • Willard Van Orman Quine: Natural kinds, in: ders., Ontological Relativity and Other Essays. New York: Columbia University Press 1969, S. 115–138
  • Rupert Riedl: Biologie der Erkenntnis. Die Stammesgeschichtlichen Grundlagen der Vernunft. (1980) Berlin/Hamburg
  • Gerhard Vollmer: Evolutionäre Erkenntnistheorie. Stuttgart 1975, 8. Aufl. 2002.
  • Humberto Maturana / Francisco Varela: Der Baum der Erkenntnis. München 1987
  • Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, B = 2. Auflage 1787, zitiert nach der Ausgabe Meiner, Hamburg 1998
  • Hoimar von Ditfurth, Der Geist fiel nicht vom Himmel: Die Evolution unseres Bewußtseins, Hamburg 1976
 
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