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Bulimie



Klassifikation nach ICD-10
F50.2 Bulimia nervosa
F50.3 atypische Bulimia nervosa
F50.4 psychogene Essattacken
F50.5 psychogenes Erbrechen
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Die Bulimie (griechisch βουλιμία, boulimía, wörtlich „der Ochsenhunger“, aus βους, „der Ochse“ und λιμός, „der Hunger“ über neulateinisch bulimia [nervosa] [1]), auch Ess-Brechsucht oder Ochsen- bzw. Stierhunger genannt, gehört zusammen mit der Magersucht (griechisch-lateinisch anorexia nervosa), der Binge-Eating-Disorder und der Esssucht zu den Essstörungen.

Bulimie allein bezeichnet streng gesehen lediglich das Symptom des Heißhungers und wird dann auch als Hyperorexie (griechisches Kunstwort υπερόρεξη, aus υπερ-, „über-“ und όρεξη, „Appetit“) bezeichnet; sie tritt in diesem Sinne auch bei Unterzuckerung aus körperlicher Ursache (z. B. Diabetes mellitus Typ 1) auf.[2]

Inhaltsverzeichnis

Epidemiologie

Von der Bulimia nervosa sind überwiegend (zu 90-95 %) Frauen betroffen. Bei jungen Frauen in der Adoleszenz und im jungen Erwachsenenalter liegt die Prävalenz bei 1-3 %. Berufsgruppen, bei denen geringes Körpergewicht für das Ausüben des Berufs verlangt oder vorteilhaft sind (z. B. Fotomodell, Tänzer, Skispringer), sind für diese Krankheit besonders anfällig.

Merkmale und Symptome

Bulimie-Betroffene sind meist normalgewichtig, können auch unter- oder übergewichtig sein. Sie werden von häufigen Heißhungerattacken heimgesucht und versuchen, ihr Gewicht durch Erbrechen, Hungern, Diäten, ausgiebigen Sport oder den Missbrauch von Abführ- oder Brechmitteln zu kontrollieren. Die Essanfälle treten mehr oder weniger regelmäßig auf — zwischen zwei Attacken können mehrere Wochen liegen, das Essen und anschließende Erbrechen kann auch mehrmals täglich erfolgen. Während der Essanfälle verlieren Bulimiker die Kontrolle über sich selbst und über die Nahrungsmengen, die sie verschlingen. Die Essanfälle können aber auch geplant stattfinden. Gründe für das anschließende Erbrechen sind vor allem die Angst vor einer möglichen Gewichtszunahme sowie Scham über den eigenen Kontrollverlust/das eigene Versagen. Auch müssen sich Betroffene oft allein schon wegen der Unmenge im Magen übergeben. Dieses Wechselbad zwischen Hungern und Essen mit anschließendem Erbrechen, Abführen oder Abtrainieren hat der Bulimie auch den volkstümlichen Namen Ess-Brech-Sucht gegeben.

Diese so genannte Ess-Brech-Sucht beginnt oft in einem wenig höheren Alter als die Magersucht, etwa mit 17 oder 18 Jahren (oft schließt sie an eine voran gegangene Magersucht an, wenn von außen betrachtet ein Rückgang der Magersucht erzielt wurde und die Patientin/der Patient wieder zu Essen begonnen hat). Die Betroffenen leiden meistens unter einer gestörten Selbstwahrnehmung und/oder einer Körperschemastörung (Dysmorphophobie). Wie auch die Magersüchtigen empfinden sie sich immer als zu dick, doch sind sie häufig, im Gegensatz zu den Magersüchtigen, normalgewichtig. Die Ursachen der Bulimie ähneln denen der Magersucht. Nicht selten geht der Bulimie eine anorektische Phase voraus oder wechselt sich mit Phasen der Magersucht ab.

Oft begleiten folgende seelische und/oder soziale Probleme die Bulimie:

  • Missbrauch von Alkohol, Drogen, Medikamenten, starkes Rauchen
  • autodestruktives Verhalten, Selbstverletzungen oder -verstümmelungen
  • unkontrolliertes Mode- und Konsumverhalten, übertriebenes Geldausgeben, so genannte Frustkäufe, nicht selten auch Kaufsucht und Ladendiebstähle
  • soziale Isolation, aber auch das Gegenteil: eine Überanpassung an Gruppe, Familie, Leistungszwang, Karrieredrang (jung, dynamisch und erfolgreich)
  • Depressionen, Minderwertigkeitsgefühle, Unzufriedenheit über die eigene Geschlechtsrolle, zum Beispiel die Ablehnung der Weiblichkeit und Sexualität allgemein

Bulimie kann akut lebensgefährlich werden. Durch ständiges Erbrechen kann es zur Entzündung der Speiseröhre kommen. Das erhöhte Magensäureangebot im Mund schädigt bei lang anhaltender Symptomatik die Zähne. Die massive Störung des Elektrolyt-Haushaltes (Kalium-, Eisen-, sowie Calciummangel) kann zu Herzrhythmusstörungen führen und somit lebensbedrohlich werden.

Bulimieerkrankte versuchen meist, ihre Krankheit zu verbergen. Dadurch wird sie oft erst mehrere Jahre, nachdem sie begonnen hat, erkannt/eingestanden und behandelt. Eine frühzeitige Behandlung ist besonders wichtig, da die Aussichten auf vollständige Genesung mit jedem weiteren Jahr der Erkrankung sinken.

Definitionen

DSM-IV

Kriterien des DSM-IV (American Psychiatric Association) für Bulimia Nervosa:

  1. Wiederkehrende Episoden von Essanfällen. Eine Episode ist charakterisiert durch:
    Essensaufnahme in einer kurzen Zeitspanne (bis zu 2 Stunden), die Nahrungsmenge ist definitiv größer, als die meisten Menschen in einer vergleichbaren Zeit unter ähnlichen Umständen essen würden.
    Ein Gefühl des Kontrollverlustes während des Essanfalles (das Essen nicht stoppen oder nicht kontrollieren zu können, was bzw. wie viel gegessen wird)
  2. Wiederkehrendes, unangemessenes Kompensationsverhalten, um eine Gewichtszunahme zu verhindern, wie selbst induziertes Erbrechen, Abusus (Missbrauch) von Laxanzien, Diuretika, Klistieren oder anderer Medikation, Fasten oder exzessive sportliche Übungen.
  3. Essanfälle und unangemessene Kompensationsmechanismen treten im Schnitt mindestens zweimal wöchentlich für drei Monate auf.
  4. Die Selbstwahrnehmung ist unangemessen durch Figur- und Gewichtbeeinflussung.
  5. Die Störung tritt nicht ausschließlich während Episoden einer Anorexia Nervosa auf (in dem Fall handelt es sich um Anorexia Nervosa: bulimischer Typ).

Hier wird noch zwischen dem purging-type (Missbrauch von Abführmitteln, Erbrechen etc.) und dem non-purging-type (Exzessiver Sport und Fasten als Gegenmaßnahmen zu Fressattacken) unterschieden.

ICD-10

Kriterien des ICD-10, F 50.2 Bulimia Nervosa:

  1. Andauernde Beschäftigung mit Essen, unwiderstehliche Gier nach Nahrungsmitteln;
  2. Essattacken, bei denen in kurzer Zeit sehr große Mengen an Nahrung konsumiert werden.
  3. Versuch dem dickmachenden Effekt von Nahrungsmitteln durch verschiedene ausgleichende Verhaltensweisen entgegenzusteuern: selbst herbeigeführtes Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln, zeitweilige Hungerperioden, Einnahme von Appetitzüglern, Schilddrüsenpräparaten oder Diuretika.
  4. Bei Diabetikerinnen kann es zur Vernachlässigung der Insulinbehandlung kommen.
  5. Krankhafte Furcht dick zu werden.

Therapie

Die Erfolgsquote von Psychotherapie, die die Gründe für die Krankheit sucht, sowie Strategien zur Bewältigung der Probleme und zur Normalisierung des Essverhaltens entwickelt, liegt derzeit bei etwa 30 bis 45 %. Weitere Ziele sind die Verbesserung der persönlichen Einstellung zum eigenen Körper, zu den Lebensmitteln als Lebensquelle und nicht nur als Konsumgut, zur Freude am Essen als Freude am Leben und der (Wieder-)Aufbau sozialer Kontakte. Neuere Studien zeigen, dass sich Bulimie auch (nicht nur!) mit Hilfe von Antidepressiva behandelt lässt. Sinnvoll und immer häufiger begleiten die eine Psychotherapie. Das ermöglicht den Betroffenen unter Anderem, ihre Krankheit ohne lange stationäre Aufenthalte zu bewältigen, sofern nicht aufgrund körperlicher Komplikationen ohnehin eine Klinik an steht.

Einordnung der Bulimie im Feld der Essstörungen

Von Magersucht bis zur Esssucht mit körperlicher Fettsucht als Folge (mit der Esssucht aber keineswegs gleichzusetzen ist), gibt es eine breite Palette der Essstörungen. Die Grenzen sind nicht immer klar zu definieren, und es besteht meist ein ursächlicher Zusammenhang, selbst zwischen den äußersten Auswüchsen wie der Magersucht und Esssucht. Nicht selten wird eine Erkrankungsform aus dieser Palette durch eine andere abgelöst, was umso deutlicher macht, dass es sich um psychische und nicht um körperliche Erkrankungen handelt. Die Bulimie scheint nach außen hin wie ein relativ lebenserhaltender Versuch eines Kompromisses zwischen dem langsamen Verhungern und der ebenfalls tödlichen Fettleibigkeit, während sie auch bei Erhalt eines normalen Körpergewichts tödlich enden kann.

Literatur

  • Jochims, I., Zucker und Bulimie: zucker- und weißmehlfreie Ernährung hilft...
  • Keppler, C., Wenn Nahrung und Körper die Mutter ersetzen: wegweisend, ohne zu zerreden...
    • siehe Weblink BZgA

Quellen

  1. http://dictionary.reference.com/search?q=bulimia
  2. Pschyrembel Klinisches Wörterbuch Version 2002 (elektronische Fassung der 258. Auflage)
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Bulimie aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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