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Diabetes renalis
Als Diabetes renalis wird eine Funktionsstörung der Niere bezeichnet, die durch eine dauerhafte Ausscheidung von Glukose im Urin (Glukosurie) bei normaler Glukosetoleranz und nicht erhöhtem Blutzuckerspiegel gekennzeichnet ist. Synonyme Namen sind Diabetes innocens, Diabetes innocuus, Nierendiabetes, Nierenharnruhr, Normoglykämische Glukosurie oder Primäre renale Glukosurie. Das Symptombild des Diabetes renalis wurde erstmals 1895 beschrieben. Der Schweizer Kinderarzt Guido Fanconi prägte 1931 die Bezeichnung Familiäre renale Glukosurie. Neben dem angeborenen Diabetes renalis gibt es darüber hinaus auch erworbene und vorübergehende Formen. Da diese Störung im Regelfall nahezu symptomlos und damit für die Patienten beschwerdefrei bleibt und keine Spätfolgen bekannt sind, ist eine Therapie im Regelfall nicht notwendig. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
UrsacheDie Blutglukose gelangt bei der Bildung des Harns in der Niere zunächst über die Glomeruli in den Primärharn. Aus diesem wird sie im Normalfall vollständig aktiv zurückresorbiert und dem Blutstrom wieder zugeführt. Die Reabsorption geschieht dabei in den proximalen Abschnitten der Nierentubuli. Eine Störung dieser Reabsorption der Glukose in den Nieren kann entweder autosomal unvollständig rezessiv vererbt werden und damit angeboren sein (familiäre Form des Diabetes renalis), oder sie beruht auf erworbenen Veränderungen der Nierenfunktion. Als physiologische Basis gibt es zwei Möglichkeiten, und zwar zum einen eine eingeschränkte Funktion der Glukosetransporter in der Niere mit einer verringerten Reabsorbtion für Glukose (verminderte maximale Glukosetransportkapazität, TmG) und zum anderen eine Verringerung der Nierenschwelle für Glukose mit einer gesteigerten Abgabe von Glukose in den Urin (normale maximale Glukosetransportkapazität, TmG) Nach Reubi kann unterschieden werden zwischen einem Typ A, dem gleichzeitigen Vorliegen beider Störungen, und einem Typ B, dem alleinigen Vorliegen einer verringerten Nierenschwelle bei normaler Reabsorbtionsrate. Diese Unterscheidung wird jedoch von einigen Autoren in Frage gestellt. Als Typ 0 wurde eine bisher erst einmal beschriebene Form bezeichnet, die durch ein völliges Fehlen der Reabsorbtion gekennzeichnet ist[1]. Für die autosomal unvollständig rezessiv vererbte Form des Diabetes renalis ist eine Mutation des Gens für den Natrium-Glukose-Cotransporter SGLT2 in der Niere identifiziert worden[2]. Weitere Untersuchungen haben ergeben, dass das Ausmaß der Glukosurie wahrscheinlich von der Art und Lage der Mutation sowie vom Vorliegen der Mutation in homozygoter oder heterozygoter Form abhängt. Bei der erworbenen Form liegt meist eine Absenkung der Nierenschwelle vor. Eine mögliche Ursache ist eine akute oder chronische Entzündung der Niere. Diese Form des Diabetes renalis kann darüber hinaus auch vorübergehend als Begleiterscheinung einer Schwangerschaft auftreten und wird dann auch als Schwangerschaftsglukosurie bezeichnet[3]. Als Ursache gilt hier ein schwangerschaftsbedingter Anstieg der Nebennierenhormone. Eine vorübergehende renale Glukosurie wurde darüber hinaus als mögliche Begleiterscheinung einer Erkrankung an Tetanus[4] sowie bei Nierentransplantationen[5] beschrieben. Auch das Vorliegen einer transienten Glukosurie bei Neugeborenen ist weit verbreitet. DiagnosePrimäres diagnostisches Merkmal ist der Nachweis einer dauerhaften Glukoseausscheidung im Urin. Kennzeichnend für den Diabetes renalis ist dabei die Konstanz der Glukosurie, weitestgehend unabhängig von Nahrungsaufnahme, Gabe von Insulin oder oralen Antidiabetika oder körperlicher Belastung. Zur Differentialdiagnose (Abgrenzung) gegenüber einem Diabetes mellitus, bei dem eine Glukosurie ebenfalls als Symptom auftreten kann, dient ein Glukosetoleranztest, der beim Vorliegen eines Diabetes renalis normal ausfällt[6]. Auch eine Familienanamnese kann bei der Diagnose hilfreich sein. Zur Abgrenzung gegenüber anderen Störungen der Nierenfunktion ist die Bestimmung der Ausscheidungrate von anderen Substanzen, die an den proximalen Tubuli reabsorbiert werden, möglich. Weitere Erkrankungen oder Zustände, bei denen eine Glukosurie vorübergehend oder dauerhaft als Symptom auftreten kann, sind beispielsweise Akromegalie, Morbus Cushing, Hyperthyreose, Phäochromozytom, Tumoren der Alpha-Zellen der Langerhansschen Inseln, Herzinfarkt, Pankreatitis, Lungenentzündung, Bluthochdruck, Leberzirrhose, Morbus Wilson, Erkrankungen beziehungsweise Verletzungen des zentralen Nervensystems, Fanconi-Syndrom, diverse Nephropathien, Vergiftungen, länger anhaltende Fastenzustände sowie akuter oder chronischer Sauerstoffmangel[6]. Auch hier ist zum spezifischen Nachweis eines möglichen Diabetes renalis eine entsprechende Differentialdiagnose notwendig. Der ICD-10-Code für den Diabetes renalis lautet E74.8, zusammen mit Essentieller Pentosurie, Oxalose und Oxalurie als „Sonstige näher bezeichnete Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels“. Der Code für eine Glukosurie unklarer Ursache ist R81. HäufigkeitZur Häufigkeit der familiären Form des Diabetes renalis gibt es keine verlässlichen Angaben. Horst Bibergeil gibt in einer älteren Studie eine Schätzung von 0,3 Prozent an[6]. Vorrangig betroffen ist die Altersgruppe von 18 bis 49 Jahren. Dies ist jedoch möglicherweise, aufgrund des meist symptomlosen Verlaufs, auch auf eine späte Diagnose im Rahmen einer Routineuntersuchung zurückzuführen. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Symptome und TherapieBeim alleinigen Vorliegen eines Diabetes renalis bestehen im Normalfall keine klinisch relevanten Symptome, so daß eine spezifische Therapie meist nicht notwendig ist. Das Auftreten einer erhöhten Urinausscheidung (Polyurie) und eines gesteigerten Durst- und Hungergefühls (Polydipsie und Polyphagie) ist möglich. Ein Diabetes renalis kann, meist bei körperlicher Belastung, aufgrund der erhöhten Glukoseausscheidung gelegentlich auch einen verringerten Blutzuckerspiegel bewirken und somit vorübergehend Symptome einer milden Unterzuckerung (Hypoglykämie) auslösen. Etwa zehn bis zwölf Prozent der Betroffenen leiden gelegentlich unter Atemnot (Dyspnoe), Schwäche, Nervosität, Müdigkeit oder einem Engegefühl im Brustkorb (Stenokardie). Eine kausale (ursächliche) Behandlung ist ebenso wenig verfügbar wie eine symptomatische Behandlung, die auf das Leitsymptom der erhöhten Urinausscheidung ausgerichtet ist. Therapeutische Maßnahmen beschränken sich deshalb auf die genannten Sekundärsymptome wie beispielsweise eine Unterzuckerung oder eine Atemnot in Situationen, in denen sie ein behandlungsbedüftiges Ausmaß erreichen. PrognoseFür den Diabetes renalis sind keine Langzeitfolgen bekannt, so daß im allgemeinen von einem benignen (milden) Verlauf ohne eine fortschreitende Verschlechterung (Progredienz) ausgegangen wird. Die Höhe der Glukosurie kann im Laufe des Lebens sogar abnehmen, da es zu einem auch bei gesunden Menschen auftretenden Anstieg der Nierenschwelle kommen kann. Beim Vorliegen eines milden Diabetes renalis ohne das Auftreten von weiteren Symptomen wie Polyurie, Polydypsie, Polyphagie und Hypoglykämie wird aus diesen Gründen eine Relevanz als Krankheit teilweise in Frage gestellt. Ein Übergang eines Diabetes renalis in einen Diabetes mellitus ist in der Literatur mehrfach in Form von Fallbeschreibungen dokumentiert. Ob allerdings das Vorliegen eines Diabetes renalis generell mit einem erhöhten Risiko verbunden ist, später an einem Diabetes mellitus zu erkranken, ist nicht gesichert. Diesbezügliche Langzeit-Followup-Studien erbrachten keine entsprechenden Hinweise[7]. Quellen
Literatur
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Diabetes_renalis aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |