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Desulfobulbaceae



Desulfobulbaceae
Systematik
Domäne: Bakterien (Bacteria)
Abteilung: Proteobacteria
Klasse: Deltaproteobacteria
Ordnung: Desulfobacterales
Familie: Desulfobulbaceae
Wissenschaftlicher Name
Desulfobulbaceae

Die Desulfobulbaceae bilden eine Familie innerhalb der Deltaproteobakterien. Es handelt sich um fakultativ anaerobe, gram-negative Bakterien. Bis auf Desulforhopalus sind alle Vertreter beweglich (motil) und besitzen eine einzige, polare Flagellate.

Die im Namen vorangestellte Silbe Desulfo- steht für den Stoffwechselweg der Desulfurikation, die Reduktion von Sulfat (SO42−) zu Schwefelwasserstoff (H2S). Man spricht auch von der Sulfatatmung oder der dissimilatorischen Sulfatreduktion. Entsprechende Bakterien werden als Desulfurikanten, Sulfatatmer oder Sulfatreduzierer (engl.: sulfate reducing bacteria, SRB; bzw. sulfate reducing prokaryotes, SRP) bezeichnet.

Die dissimilatorsche Sulfatreduktion ist ein Kennzeichen für die Ordnung Desulfobacterales, Desulfovibrionales und einigen Arten der Ordnung Syntrophobacterales innerhalb der Deltaproteobacteria. Fast alle Arten der Desulfobulbaceae nutzen die Fermentation als zusätzlichen Stoffwechselweg. Ebenfalls die Reduktion von Nitrat wurde bei einigen Arten nachgewiesen, z. B. bei Desulfobulbus propionicus, Desulforhopalus singaporensis.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale und Ökologie

Die meist stäbchenförmigen Zellen treten einzeln, in Paaren oder in Ketten auf. Sie bilden keine Sporen. Die Zellen der Gattung Desulforhopalus enthalten Gasvakuolen. Alle Arten kommen im Meerwasser und Brackwasser vor, die Gattungen Desulfobulbus und Desulfocapsa auch im Faulschlamm (Sapropel) von Süßwasser. Desulfobulbus wurde außerdem im Abwasserschlamm, Pansen und tierischen Kot gefunden. Auch psychrophile (kälteliebende) Arten sind vorhanden, so wurde die Gattung Desulfotalea in kalten Meeressedimenten bei Temperaturen um −1 °C an der Küste von Spitzbergen entdeckt und die Arten dementsprechend benannt (D. psychrophila und D. arctica).[1] Eine weitere psychrophile Art ist Desulforhopalus vacuolatus[2].

Durch die Sulfatreduktion entsteht der für Organismen, und auch für die Sulfatreduzierer giftige Schwefelwasserstoff. Allerdings reagiert Schwefelwasserstoff mit Eisen, durch die folgende Ausfällung der entstandenen schwerlöslichen Sulfide (z. B. FeS, Eisen(II)-sulfid) wird die Umgebung entgiftet.

Alle Desulfurikanten spielen im Schwefelkreislauf eine große Rolle. Der größte Teil des in der Natur vorkommenden Schwefelwasserstoff wird durch diese Bakterien erzeugt.

Stoffwechsel

Sulfatatmung

Die Desulfurikation ist bei den als Sulfatatmer bezeichneten Bakterien dissimilativ. Im Gegensatz zu der assimilativen Sulfatreduktion (Sulfatassimilation) zu der fast alle Bakterien und auch viele Eukaryonten (die meisten Pflanzen und Pilze, Tiere allerdings nicht) fähig sind, wird der durch die Reduktion entstehender Schwefelwasserstoff sofort ausgeschieden und nicht für den Aufbau von Aminosäuren genutzt. Die Reduktion von Schwefelverbindungen dient bei den Desulfurikanten (Sulfatatmern) also ausschließlich der Energiegewinnung.

Bei der Sulfatatmung als Form des Energiestoffwechsels ist nicht Sauerstoff wie bei der aeroben Atmung, sondern Sulfat der Elektronenakzeptor. Einfache organische Verbindungen dienen als Donatoren, sie werden oxidiert. Die entsprechenden Schwefelverbindungen werden hierbei zu Sulfide bzw. Schwefelwasserstoff reduziert. Arten von Desulfobulbaceae nutzen nicht nur Sulfat sondern auch Sulfit, Thiosulfat und elementaren Schwefel. Der Energiegewinn erfolgt an einer Elektronentransportkette (Atmungskette, oxidative Phosphorylierung), die bei den Desulfobulbaceae u. a. Cytochrome (c und b) als Komponenten enthält.

Typische organische Moleküle die bei Desulfobulbaceae als Elektronendonatoren und als Kohlenstoffquellen genutzt werden sind (nicht bei allen Arten) u. a.: Fettsäuren, Malat, primäre Alkohle, Lactat, Acetat, Propionat und Pyruvat. Alle Arten von Desulfobulbus, Desulfotalea, sowie die Art Desulforhopalus vacuolatus und Desulfofustis glycolicus nutzen, allerdings nur in Anwesenheit von Acetat, auch H2 als Elektronendonator bei der Sulfatatmung[3]. Die organischen Moleküle werden meist nicht vollständig oxidiert, oft ist Acetat das Endprodukt. Desulfofustis glycolicus oxidiert Glycolat und Glyoxylat vollständig zu CO2.

Bei für die Sulfatatmung genutzten Enzymen handelt es sich um dissimilatorische Sulfit-Reduktasen (dSiRs). Bei den Desulfobulbaceae wurde nur das Enzym Desulforubidin gefunden. Andere dSirRs sind Desulfoviridin, P582 (z. B. bei Desulfotomaculum nigrificans, ein gram-positives Bakterium der Clostridiales) und Desulfofuscidin.

Desulfurizierer erscheinen in vielen, phylogenetisch weit von einander entfernten Linien der Domäne Bakterien. Dieser Stoffwechselweg hat sich also in der Evolution vermutlich mehrmals unabhängig voneinander entwickelt. Außer bei den Deltaproteobakterien tritt die Sulfatatmung weiterhin in dem Phylum Thermodesulfobacteria und in der Ordnung Clostridiales der Abteilung Firmicutes (Gattung Desulfotomaculum) auf. Auch in der Domäne Archaea sind Desulfurizierer zu finden, z. B. die Gattung Archaeglobus. In den ebenfalls zu der Deltagruppe zählenden Ordnungen Desulfurellaceae und Desulfurellales findet man schwefelreduzierende Arten. Sie können kein Sulfat reduzieren, nur elementarer Schwefel und auch Thiosulfat werden von diesen Arten als Energiequelle eingesetzt. Daher hier die Vorsilbe desulfur, sie bezieht sich auf den elementaren Schwefel (Sulfur). Im englischen spricht man hier von den „Sulfur-Reducing Prokaryotes“.

Fermentation

Wenn nicht ausreichend Schwefelverbindungen (Sulfat, Sulfid, Thiosulfat) vorhanden sind, wechseln viele Desulfurizierer zu dem fermentativen Stoffwechsel (Gärung). Bis auf die chemolithoautotrophe Gattung Desulfocapsa sind alle Vertreter von Desulfobulbaceae zur Fermentation in der Lage. Z. B. können einige Arten von Desulfobulbus in diesem Fall unter Anwesenheit von Lactat oder Pyruvat wachsen und produzieren durch die Fermentation Acetat. Desulfobulbus rhabdoformis wächst durch die Fermentation von Malat und Fumarat.

Disproportionierung

Ein weiterer Stoffwechselweg zur Energiegewinnung für verschiedene Sulfatatmer ist die Disproportionierung anorganischer Schwefelverbindungen. Hierbei werden Schwefelverbindungen wie Thiosulfat, Sulfit zu Sulfat und Sulfid (Schwefelwasserstoff) umgesetzt. Der dabei entstehende Protonengradient wird zur Produktion von ATP eingesetzt. Unter den Desulfobulbaceae wurde bei Desulfobulbus, Desulforhopalus singaporensis und bei den Arten von Desulfocapsa dieser Stoffwechselweg beobachtet.

Einige Arten, wie Desulfobulbus propionicus und Desulfocapsa nutzten bei der Disproportionierung auch elementaren Schwefel. Desulfobulbus propionicus ist eine der ersten Arten wo in Kulturen die Disproportionierung von elementaren Schwefel nachgewiesen wurde.

Sulfatreduzierer und Sauerstoff

Bis in die 80er Jahren wurden sulfatreduzierenden Bakterien als streng (obligat) anaerob, also nur unter völligen Ausschluss von Sauerstoff lebensfähig, betrachtet. Neuere Forschungsergebnisse haben allerdings gezeigt dass SRBs Sauerstoff tolerieren und sogar unter Sauerstoffeinfluss Sulfat weiterhin als Energiequelle nutzen[4]

Unter den Desulfobulbaceae wurde beispielsweise bei Kulturen von Desulfolobus propionicus, und von anderen Sulfatreduzierer (z. B. Desulfovibrio, Desulfobacterium autotrophicum) eine gewisse Toleranz zu Sauerstoff in geringen Konzentrationen (mikroaerob) beobachtet. Weiterhin wurde gezeigt das Desulfobulbus und andere Sulfatreduzierer (z. B. Desulfovibrio, Desulfuricans) unter diesen Bedingungen auch Sauerstoff als Elektronenakzeptor nutzen[5].

Sogar in den oxischen Zonen von Matten der Cyanobakterien, wo zeitweise eine durch die Photosynthese erzeugte hohe Sauerstoffkonzentration herrscht, wurden diese Bakterien entdeckt und eine hohe Sulfatreduktionsrate nachgewiesen[6].

Systematik

Diese Familie besteht aus folgenden Gattungen und Arten: [7]

  • Desulfobulbus
    • Desulfobulbus elongatus
    • Desulfobulbus japonicus
    • Desulfobulbus mediterraneus
    • Desulfobulbus propionicus
    • Desulfobulbus rhabdoformis
  • Desulfocapsa
    • Desulfocapsa sulfexigens
    • Desulfocapsa thiozymogenes
  • Desulfofustis
    • Desulfofustis glycolicus
  • Desulfopila
    • Desulfopila aestuarii
  • Desulforhopalus
    • Desulforhopalus singaporensis
    • Desulforhopalus vacuolatus
  • Desulfotalea
    • Desulfotalea arctica
    • Desulfotalea psychrophila

Quellen

  1. Knoblauch, C., K. Sahm and B.B. Jørgensen. Psychrophilic sulfatereducing bacteria isolated from permanently cold Arctic marine sediments: description of Desulfofrigus oceanense gen. nov., sp. nov., Desulfofrigus fragile sp. nov., Desulfofaba gelida gen. nov., sp. nov., Desulfotalea psychrophila gen. nov., sp. nov. and Desulfotalea arctica sp. nov. Int. J. Syst. Bacteriol. (1999) 49: S. 1631–1643. PMID 10555345
  2. Mai Faurschou Isaksen, Andreas Teske: Desulforhopalus vacuolatus gen. nov., sp. nov., a new moderately psychrophilic sulfate-reducing bacterium with gas vacuoles isolated from a temperate estuary. Arch Microbiol (1996) 166: S. 160–168 Zusammenfassung
  3. George M. Garrity: Bergey’s manual of systematic bacteriology, S. 989
  4. L.K. Baumgartner, R.P. Reid, C. Dupraz, A.W. Decho, D.H. Buckley, J.R. Spear, K.M. Przekop, P.T. Visscher: Sulfate reducing bacteria in microbial mats: Changing paradigms, new discoveries In: Sedimentary Geology 185 (2006): S. 131–145 PDF
  5. Waltraud Dilling, Heribet Cypionka: Aerobic respiration in sulfate-reducing bacteria In: FEMS Microbiology Letters 71 (1–2), 123–127 (1990) Online
  6. Dror Minz, Susan Fishbain, Stefan J. Green, Gerard Muyzer, Yehuda Cohen, Bruce E. Rittmann and David A. Stahl: Unexpected Population Distribution in a Microbial Mat Community: Sulfate-Reducing Bacteria Localized to the Highly Oxic Chemocline in Contrast to a Eukaryotic Preference for Anoxia In: Applied and Environmental Microbiology, October 1999, p. 4659–4665, Vol. 65, No. 10 Online
  7. Systematik nach National Center for Biotechnology Information (NCBI) (Stand: Juni 2007)

Literatur

  • Michael T. Madigan, John M. Martinko, Jack Parker: Brock – Mikrobiologie. 11. Auflage. Pearson Studium, München 2006, ISBN 3-8274-0566-1
  • George M. Garrity: Bergey’s manual of systematic bacteriology. 2. Auflage. Springer, New York, 2005, Vol. 2: The Proteobacteria Part C: The Alpha-, Beta-, Delta-, and Epsilonproteabacteria ISBN 0-387-24145-0
  • Martin Dworkin, Stanley Falkow, Eugene Rosenberg, Karl-Heinz Schleifer, Erko Stackebrandt (Hrsg.) The Prokaryotes, A Handbook of the Biology of Bacteria. 7 Bände, 3. Auflage, Springer-Verlag, New York u. a. O., 2006, ISBN 0-387-30740-0. Vol. 2: Ecophysiology and Biochemistry ISBN 0-387-2549-27
 
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