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DNA-ReihenuntersuchungDie DNA-Reihenuntersuchung (auch Massengentest, genetischer Massentest, Reihengentest, DNA-Massenscreening) ist in der Regel die Feststellung von genetischen Fingerabdrücken der Angehörigen einer Bevölkerungsgruppe durch eine DNA-Analyse. Zur Ermittlung eines Täters, von dem DNA-Spuren vorliegen, kann sie freiwillig oder auf richterliche Anordnung durchgeführt werden. Weiteres empfehlenswertes FachwissenRechtliche GrundlageGesetzliche Grundlage für Massengentests ist in Deutschland § 81h Strafprozessordnung (StPO), der am 1. November 2005 in Kraft trat; jedoch wurden auch schon vorher umfangreiche Massengentests ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage durchgeführt (z. B. Ronny Rieken). Die Proben und die daraus gewonnenen Daten müssen bei Nichtübereinstimmung mit der Spuren-DNA vernichtet werden; insbesondere dürfen die Daten nicht in der DNA-Analysedatei gespeichert werden. Die Teilnahme an einem solchen Massengentest nach § 81h StPO ist freiwillig, niemand kann dazu gezwungen und aus der Weigerung zur Teilnahme darf kein Verdacht geschlossen werden. Wegen der begrenzten Freiwilligkeit muss das Verfahren richterlich angeordnet werden. TestverweigerungAls Testverweigerer werden üblicherweise Personen bezeichnet, die von der Polizei aufgefordert wurden, freiwillig an einem Massengentest teilzunehmen, dies aber nicht tun möchten. Testverweigerer darf die Staatsanwaltschaft nicht allein wegen der Verweigerung der Teilnahme als Verdächtige und damit als Beschuldigte einstufen. Andernfalls würde sowohl gegen die Unschuldsvermutung als auch gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1996 festgestellt:
Gleiches gilt für die Verweigerung der Teilnahme an einem rein freiwilligen, nicht erzwingbaren Massengentest. Eine abweichende Behördenpraxis wäre also klar verfassungswidrig. KritikVerletzung der informationellen SelbstbestimmungKritisiert wird an diesem Verfahren, dass der Bürger entgegen der Unschuldsvermutung gezwungen werde, seine Unschuld zu beweisen, und dessen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigt werde. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar erklärte Ende Juli 2006, ein Massen-Gentest, bei dem sehr viele völlig Unschuldige einbezogen werden, dürfe nicht zur Standardmaßnahme der Polizei werden.[1] Der stellvertretende Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Wilfried Albishausen, bezeichnete die Äußerungen Schaars als „Effekthascherei“ und warf ihm vor: „Sie verunsichern ungerechtfertigt die Bevölkerung und behindern eine effektive Strafverfolgung zur Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger“.[2] Umkehr der UnschuldsvermutungPraktisch ist es so, dass Personen, die in das üblicherweise sehr weite Fahndungsraster passen, entweder „freiwillig“ an dem Gentest teilnehmen oder von der Polizei auf ein Alibi überprüft werden. Falls sie kein absolut sicheres Alibi vorlegen können, wird ein Anfangsverdacht unterstellt und ein Beschluss des Amtsgerichts zur zwangsweisen Teilnahme beantragt, der üblicherweise bewilligt wird. Personen, die zur Teilnahme aufgefordert wurden, aber nicht auffindbar sind, werden zur Fahndung ausgeschrieben. Eine echte Freiwilligkeit der Teilnahme in dem Sinne, dass man nach der Aufforderung der Polizei, an dem Gentest teilzunehmen, frei entscheiden kann, teilzunehmen oder nicht teilzunehmen, ist nicht gegeben. Man hat nur die Wahl, entweder eine Freiwilligkeitserklärung zu unterschreiben und teilzunehmen oder ein Alibi vorzulegen. Wenn man kein sicheres Alibi nachweisen kann, muss man mit der Behandlung als Beschuldigter wegen eines schweren Verbrechens rechnen. Es wird daher kritisiert, dass die ausdrückliche Behauptung der Polizei und Staatsanwaltschaft, die Teilnahme am Massengentest sei freiwillig, eine Täuschung der Öffentlichkeit sei, und dass die Androhung von polizeilichen (Vor-)Ermittlungen und eines gerichtlichen Zwangsbeschlusses für den Fall, dass man nicht „freiwillig“ teilnimmt, eine Nötigung darstelle. Kritisiert wird ferner, dass die Gerichte häufig zu großzügig bei der Bestätigung eines Anfangsverdachts sind und dass sie dabei ihren Ermessensspielraum einseitig zugunsten der Staatsanwaltschaft auslegen. Dabei ist es problematisch, dass der Begriff des Anfangsverdachts gemäß § 152 Abs. 2 StPO („zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“) nur vage definiert ist. Ferner wurde bei der Schaffung des § 81a StPO, der aus Zeiten des Dritten Reiches stammt und eine körperliche Untersuchung bei Beschuldigten, also wenn ein Anfangsverdacht angenommen wird, zulässt, sicherlich nicht an eine gentechnische Untersuchung von Zehntausenden von auf Basis von schwachen Vermutungen ausgewählten unbescholtenen Bürgern gedacht. Kritiker befürchten außerdem, dass durch die zunehmende Durchführung von Massengentests in immer größerem Umfang und mit Zwangsmaßnahmen gegenüber unbeteiligten Bürgern das Vertrauen der Bürger in die Polizei und Justiz abnehmen und in eine Ablehnung umschlagen könnte. Wenn dann immer mehr Bürger nicht freiwillig an einem Massengentest teilnehmen wollen und gegen diese weitere Zwangsbeschlüsse erlassen werden, wird sich die Problematik weiter verschärfen. Ferner werden auch die Medien kritisiert, die die Frage der Freiwilligkeit und den Ablauf der Tests ungeprüft und einseitig anhand der Aussagen der Polizei und Staatsanwaltschaft darstellen. Über die Anzahl und das Schicksal von Testverweigerern wird dagegen kaum berichtet. Vielfach wird der Ablauf so dargestellt, als würden die von der Polizei zur Teilnahme aufgeforderten Bürger sich um eine Teilnahme reißen und freiwillig in Scharen in die Testräume strömen und bis auf die Straße anstehen. Mangelnde Freiwilligkeit in der Praxis und Druck auf UntersuchungsverweigererInsbesondere wird eine durch die Praxis der Behörden entstehende Unfreiwilligkeit oftmals kritisiert. Da die Teilnehmer für einen Massengentest auf Basis von Vermutungen wie beispielsweise dem vermuteten Wohnort des Täters ausgewählt werden, besteht nicht einmal ein Anfangsverdacht gegen irgendeinen der vorgesehenen Teilnehmer. Trotzdem werden diese Personen unter einen Vorverdacht als „potentielle Tatverdächtige“ gestellt und müssen entweder ihre Unschuld beweisen oder polizeiliche Ermittlungen über sich ergehen lassen. Da ein aufwendiger und teurer Massengentest jedoch wenig erfolgversprechend wäre, wenn jede zur Teilnahme aufgeforderte Person, insbesondere der gesuchte Täter, ohne weitere Konsequenzen die Teilnahme einfach ablehnen könnte, versuchen Polizei und Staatsanwaltschaft in der Praxis, auf Testverweigerer Druck auszuüben und Verdachtsgründe zu finden, um sie zu einer Testteilnahme zu bewegen. Beim Massengentest in Bochum (siehe Beispiele) wurde schon im Informationsblatt der Polizei für den Fall einer Testverweigerung eine Beschuldigtenvernehmung angedroht: „Sind Sie nicht mit dieser Maßnahme einverstanden, können Sie im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung einen Alibinachweis vorlegen.“ Es wurde ein Fall bekannt, wo die Polizei beim Arbeitgeber nach einem Alibi gefragt hatte.[3] Gegen Personen, die kein ausreichend sicheres Alibi vorlegten, wurden Beschlüsse des Amtsgerichts Bochum erwirkt, die eine zwangsweise Entnahme einer Speichelprobe gemäß § 81a StPO („körperliche Untersuchung des Beschuldigten“), bei Widerstand ersatzweise einer Blutprobe, anordneten. Es wurde also ohne nähere Untersuchung ein Tatverdacht angenommen, der wie folgt begründet wurde: „Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen treffen bestimmte äußere Merkmale, wie etwa Alter, Größe, Wohnort, Bewegungsmuster, Antreffort, wobei bereits eines dieser allgemeinen Merkmale ausreichend sein kann, auf den Betroffenen zu.“ Beim Massengentest in Dresden erklärte der Dresdener Oberstaatsanwalt Christian Avenarius im Juli 2006, dass niemand zum Beschuldigten werde, wenn er sich dem Gentest verweigere. Die Teilnahme sei absolut freiwillig, und niemand werde zum Beschuldigten, wenn er die Teilnahme verweigere. In solchen Fällen würde man sich aber die Person genauer ansehen und auch das Umfeld des Betreffenden überprüfen. Ergebe sich daraus kein Anfangsverdacht, werde auch nicht ermittelt.[4]. Gegen einen Beschluss des Amtsgerichts zur zwangsweisen Teilnahme am Massengentest kann kostenlos Widerspruch eingelegt werden, über den das übergeordnete Landgericht zu entscheiden hat. Dabei muss dieses die individuellen Verdachtsgründe genauer untersuchen und entscheiden, ob ein Anfangsverdacht gemäß § 152 Abs. 2 StPO („zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“) vorliegt. Für dessen Bejahung kann es nach Ansicht mancher Gerichte schon ausreichen, dass man in das Fahndungsraster der Polizei (z.B. Geschlecht, Wohnort, Alter, Größe) passt. In Bochum 2003 wurden Testverweigerer in Leserbriefen der Lokalpresse auch als unsozial dargestellt, die ihr eigenes Interesse über das der Opfer und der Gesellschaft stellten. Dieser soziale Druck führte in einigen erfolgreichen Fällen dazu, dass der Täter auch ohne Gerichtsbeschluß am DNA-Test teilnahm. Hohe Kosten bei zweifelhafter EffizienzDa in den meisten Fällen nicht sicher ist, dass der gesuchte Täter sich unter den vorgesehenen Testteilnehmern befindet, ist auch der Erfolg eines Massengentests nicht gesichert. Daraus ergibt sich die Gefahr, dass bei einem negativen Testverlauf versucht wird, den Teilnehmerkreis eventuell mehrfach weiter zu vergrößern, um den bis dahin investierten hohen personellen und finanziellen Aufwand durch einen Fahndungserfolg zu rechtfertigen. Aber auch durch weitere Vergrößerungen des Teilnehmerkreises kann ein Fahndungserfolg nicht garantiert werden, während der Aufwand und damit die Kosten weiter steigen und immer mehr Unschuldige unter Teilnahmedruck gesetzt werden, um ihre Unschuld zu beweisen. Es ist unklar, wo schließlich eine Grenze für den Teilnehmerkreis gezogen werden soll. Gefahr des DatenmißbrauchsKritisch wird auch die Frage betrachtet, ob die im Rahmen von Massengentests mit hohem personellen und finanziellen Aufwand ermittelten genetischen Daten einer Vielzahl von Bürgern tatsächlich unwiderruflich gelöscht oder vielleicht anderweitig verwendet werden. Wegen des hohen Wertes der Daten besteht die Gefahr, dass Begehrlichkeiten entstehen und die Daten missbraucht werden könnten. Es ist nicht grundsätzlich auszuschließen, dass die Daten beispielsweise von eigenen oder fremden Geheimdiensten ausspioniert werden könnten. Auch könnte die Begehrlichkeit entstehen, die mit hohem Aufwand ermittelten Daten nicht zu löschen, sondern offiziell oder inoffiziell für die Aufklärung anderer Straftaten aufzubewahren. Verschlimmerung der TatEs wird außerdem die Gefahr gesehen, dass durch den zunehmenden Einsatz der DNA-Analyse als Fahndungsmittel Straftäter veranlasst werden könnten, eventuelle DNA-Spuren zu vernichten, indem sie beispielsweise den Tatort in Brand setzen und dadurch die Tat verschlimmern. Unsicherheit als BeweismittelDie Ergebnisse der Reihenuntersuchung sind als unmittelbares Beweismittel zu relativieren: Die erstellten Muster kommen statistisch bei 100.000 Menschen einmal vor, in jeder größeren Stadt also mehrfach. Involvierung UnbeteiligterEin weiteres Problem ergibt sich daraus, dass eventuell auch unbeteiligte Personen an einem späteren Tatort genetische Spuren wie beispielsweise Haare, Hautschuppen oder Speichel hinterlassen könnten. Diese Personen werden bei einem Massengentest unter erheblichen Rechtfertigungsdruck geraten und müssen mit weitergehenden polizeilichen Maßnahmen rechnen (Vernehmungen, Untersuchungshaft etc.). Wissenschaftliche UntersuchungenZu den größten DNA-Reihenuntersuchungen für wissenschaftliche Zwecke, die über die Fragmentlängenanalyse weit hinaus gehen, gehört die Untersuchung des Genpools der Bevölkerung Islands. Die Ergebnisse wurden im Februar 1998 durch Hoffmann-La Roche von deCODE Genetics für 200 Mio USD erworben. Im Jahre 2007 untersuchten Anthropologen der Universität Göttingen die DNA von 300 Einwohnern des Kreises Osterode, um sie mit dem Genmaterial von etwa 40 Skeletten zu vergleichen, die 1993 in der Lichtensteinhöhle bei Förste gefunden wurden und etwa 3.000 Jahre alt sind. [5] BeispieleDeutschland
Andere LänderQuellen
Literatur
Kategorien: Humangenetik | Molekularbiologie |
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel DNA-Reihenuntersuchung aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |