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Cochleaimplantat



  Das Cochleaimplantat (kurz CI) ist eine Hörprothese für Gehörlose, deren Hörnerv noch funktioniert.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsbestimmung

Der Name Cochleaimplantat bezeichnet im engsten Sinne ein Bündel aus Elektroden, das durch eine Operation in die Hörschnecke eingeführt wird. Im weiteren Sinne werden auch noch andere elektronische Komponenten, die in den Schädelknochen bzw. unter die Kopfhaut implantiert werden, als Teil des CI betrachtet. Im allgemeinen Sprachgebrauch rechnet man auch den Sprachprozessor und die Sendespule zum CI. Um der Verwechslung der drei Bedeutungen vorzubeugen, wird jedoch oft die Summe aller Teile als "CI-System" bezeichnet.

Der gelegentlich synonym verwendete Begriff Cochlearimplantat resultiert zum einen aus einer fehlerhaften Eindeutschung des englischen "cochlear implant", zum anderen aus der Anlehnung an den Markennamen eines Herstellers solcher Systeme. In der deutschen Morphologie gibt es keine Ableitung -ar, um aus dem Substantiv "Cochlea" ein Adjektiv "cochlear" und dann dieses zusammengesetzte Wort zu bilden.

Indikation

Eine CI-Versorgung ist nach modernen klinischen Gesichtspunkten dann angezeigt, wenn mittels bester Hörgeräte kein ausreichendes Sprachverstehen mehr erzielt werden kann. Durch die immer weiter verbesserte Hörleistung mit modernen CIs sollte sich ein hochgradig schwerhörender Patient möglichst frühzeitig zu einer CI-Versorgung entschließen, da damit üblicherweise deutlich bessere Hörergebnisse erzielt werden können als mit Hörgeräten. Die frühere Aussage, dass ein CI nur für vollständig ertaubte Menschen in Frage kommt, ist seit vielen Jahren überholt. Im Gegenteil, aus audiologischer Sicht muss man heute sagen, dass ein Patient, der so lange wartet, bis er ertaubt ist, die beste Chance auf ein gutes Hörergebnis mit CI meistens schon verpasst hat. Je besser das Gehör noch funktioniert und trainiert ist, um so besser sind die zu erwartenden Ergebnisse mit CIs. Hört man vor allem die hohen Töne schon lange nicht mehr, besteht die Gefahr, dass die Hörnervenfasern, die diese hohen Töne übertragen, aufgrund von Inaktivität vom Körper abgebaut werden und dann für ein späteres Hören mit CI nicht mehr zur Verfügung stehen. Unter dieser Bedingung schadet Warten mehr, als es nützt.

In Deutschland wird zur Untersuchung des Sprachverstehens mit Hörgeräten bei Jugendlichen und Erwachsenen der Freiburger Einsilbertest verwendet. Hier kann man durch den Vergleich des Sprachverstehens durchschnittlicher CI- und Hörgeräteträger feststellen, dass ein Sprachverstehen der Einsilber mit besten Hörgeräten von nur noch 30% oder weniger bei normaler Sprachlautstärke (65 dB SPL) mit CIs wesentlich verbessert werden kann. Über 75% der CI-Träger verstehen mehr als 30% Einsilber, 50% sogar mehr als 62% Einsilber. Generell gilt die Empfehlung, dass sich Patienten mit weniger als 40% Einsilberverstehen bei normal lauter Sprache möglichst frühzeitig bei einer implantierenden Klinik über die aktuellen Möglichkeiten moderner CIs beraten lassen.

Bei kleinen Kindern ist eine Bewertung des Sprachverstehens auf der Basis des Einsilbertests natürlich nicht möglich. Hier entscheidet man üblicherweise aufgrund der Hörschwelle. Auf der Bewertungsbasis der modernen CIs gilt als Richtmaß eine Hörschwelle von 90 dB HL oder schlechter ab 1000 Hz und höher als Indikation zur CI-Versorgung. Besonders bei Kindern muss man allen Eltern raten, keine unnötige Zeit im Hinblick auf eine CI-Beratung verstreichen zu lassen, da sich das Hörsystem noch in der Entwicklung befindet, und nur durch aktives, bestmögliches Hören sich die Nervenverbindungen des Hörsystems am besten entwickeln.

Eine individuelle Beratung zur CI-Versorgung wird bundesweit an allen Universitäts-HNO-Kliniken und an den regionalen CI-Zentren jederzeit durchgeführt.

Medizinisch-technischer Komplex

Die Elektroden des CI werden in die Hörschnecke (lat. cochlea) eingeführt, um den mit einem Mikrofon aufgenommenen Schall mit Hilfe eines digitalen Signalprozessors elektrisch direkt an den Hörnerv weiterzugeben. Damit kann man es auch als ein "Hörgerät für ganz taube Patienten" bezeichnen.

Technische Bestandteile des CI

Das CI besteht aus einem Mikrofon, einem digitalen Signalprozessor, einer Sendespule mit Magnet und einem Implantat, das sich aus der Elektrode, einem Magneten und einer Empfangsspule zusammensetzt. Die Empfangsspule wird zusammen mit dem Magneten hinter dem Ohr unter der Haut implantiert und dient als Schnittstelle zwischen dem Elektrodenset und dem Signalprozessor. Die Signalübermittlung erfolgt durch die Kopfhaut mittels elektromagnetischer Induktion. Die Sendespule des Prozessors haftet mit Hilfe des Magneten auf der Kopfhaut.

Der Signalprozessor wird auch Sprachprozessor genannt, da er die Laute einer Lautsprache in geeignete Signale für die Elektroden umwandelt. Die unterschiedlichen Hersteller verwenden verschiedene Kodierungsstrategien. Neben großen Geschwindigkeitsunterschieden können die Elektroden den Hörnerv parallel oder sequentiell stimulieren. Bei der parallelen Stimulierung können zwei oder mehr Elektroden gleichzeitig die Hörnerven reizen, bei der sequentiellen Stimulierung erfolgt die Stimulierung nacheinander. Es hat sich gezeigt, dass die im Signalprozessor programmierte Kodierungsstrategie (Reihenfolge bzw. Muster, mit dem die Elektroden aktiviert werden) wesentlich zur Erkennung der gehörten Signale und zum Lautsprachverstehen beiträgt. Die Anzahl der aktivierten Elektroden (nicht immer sind alle verfügbaren Elektroden wirksam) spielt hier eine untergeordnete Rolle. Trotz unterschiedlicher Strategien bei der Kodierung zeigt sich, dass das Sprachverstehen bei allen drei großen Herstellern in etwa gleich ist. Das Mikrofon sitzt in jedem Fall außen am Gehörgang.

Seit einiger Zeit sind die Sprachprozessoren so klein, dass man sie direkt hinter dem Ohr tragen kann, wie ein Hörgerät. Gegenwärtig wird erprobt, das Mikrofon unter die Haut zu implantieren, um die Signalqualität zu verbessern und um technische Probleme der Signalübertragung per Induktion zu umgehen.

Die Implantation

Die Implantation geschieht immer unter Vollnarkose. Vor der Operation werden oft die Haare hinter dem Ohr wegrasiert. Dann wird die Haut hinter dem Ohr 5 bis 8 cm lang aufgeschnitten und nach hinten geklappt. Aus dem nun freiliegenden Schädelknochen wird eine Vertiefung ausgefräst, die später das Stimulatorgehäuse des Implantats aufnehmen soll. Bei Kindern wird hierbei die Hirnhaut (Dura) teilweise freigelegt. Dann wird durch das Felsenbein ein Kanal gefräst, der bis ins Mittelohr reicht (Tympanotomie). Er muss so platziert werden, dass das runde Fenster, welches zum Innenohr führt, zugänglich wird. Durch diesen Kanal hindurch wird nun ein kleiner Bohrer eingeführt und ein Loch in die Cochlea gebohrt. Dies geschieht meist in der Nähe des runden Fensters. Durch das Loch wird das Elektrodenbündel des Implantats maximal tief in die Scala tympani eingeführt. Das dünne Anschlusskabel wird am Felsenbein fixiert, um ein Herausrutschen des Elektrodensets zu verhindern.

Je nach Operationstechnik wird nun der Kanal im Felsenbein mit Knochenmaterial verfüllt oder offen gelassen. Die Empfangsspule kann daraufhin mit medizinischem Garn in der dafür vorgesehenen Vertiefung verzurrt werden. Zum Schluss wird noch eine eventuell vorhandene Potenzialausgleichselektrode unter die Kopfhaut geschoben und zuletzt der Hautlappen zurückgeklappt und zugenäht. Noch während der Operation wird mit Spezialgeräten die Funktion des Implantats getestet. Hatte man vor Jahren den Erfolg der Operation nur durch Auslösung des Stapediusreflex sehr ungenau einschätzen können, wird heute noch zusätzlich während der Operation die Antwort des Hörnerven auf elektrische Erregung mit speziellen Telemetriegeräten qualitativ und quantitativ gemessen und bewertet (Neuro-Response-Telemetrie; Neuro-Response-Imaging). Weitergehende Informationen über den Zustand der zum Gehirn führenden Hörbahn im Hirnstamm bietet die intraoperative Bestimmung der elektrisch ausgelösten Nervenaktionspotentialen des Hirnstammes (EBERA, EABR). Hiermit kann auch bei kleinen Kindern der Reifungsstand der Hörbahn bestimmt werden.

Wirkung des CI

Die elektrischen Reize in der Hörschnecke erzeugen beim CI-Träger individuelle Hörempfindungen. Die Eindrücke unterscheiden sich stark von denen eines vollfunktionsfähigen Ohres, da die z. B. spektrale Auflösung durch die Zahl der Elektroden stark eingeschränkt ist. Ein Normalhörender kann mit diesen Sinneseindrücken wenig anfangen. Der neurologische Mechanismus für die Verarbeitung von akustischen Reizen ist aber so flexibel, dass eine Anpassung an die Empfindungen stattfindet. Ein intensives, langes Hörtraining nach der Operation ist für die ersten Höreindrücke zwar nicht notwendig (diese sind in der Regel nach der ersten Einstellung des Sprachprozessors vorhanden), dem Patienten muß aber die Möglichkeit gegeben werden, diese neuen Signale den bekannten Hörmustern zuzuordnen. Der Zeitraum, der für das Sprachverstehen benötigt wird, ist individuell unterschiedlich.

Zur sinnvollen Nutzung des CI ist eine Rehabilitation in einem Zentrum notwendig. Die CI-Patienten werden dort in regelmäßigen Abständen in der Erkennung verschiedener Geräusche und Sprechlaute unterwiesen. Außerdem ist eine regelmäßige Anpassung (Einstellung) und Kontrolle des CI-Systems notwendig. Die Therapie mit dem CI hat Ähnlichkeit mit dem Erlernen einer Fremdsprache. Entscheidende Kriterien für die Therapiedauer sind u.a. der Ertaubungszeitpunkt (vor oder nach Spracherwerb) und die Taubheitsdauer. Erwachsene, die gerade ertaubt sind und frühzeitig mit einem Cochleaimplantat versorgt werden, benötigen gewöhnlich eine kürzere Rehabilitationsphase.

Bei einer vorherigen hochgradigen Hörstörung über viele Jahre werden die Hörergebnisse wesentlich schlechter eingeschätzt als bei der Frühversorgung. Für diesen Fall wäre ein intensives, langzeitiges Hörtraining angezeigt.

Für Kinder wird die Dauer auf etwa zwei bis drei Jahre veranschlagt.

Bei tauben Erwachsenen, die schon vor oder während des Spracherwerbs ertaubt sind, wird eine CI-Versorgung nicht angeraten, da ein lautsprachliches Verstehen in der Regel nicht zu erwarten ist.

Medizinische Risiken

Grundsätzlich ist eine Operation unter Vollnarkose aufgrund ihrer Belastung für den Kreislauf immer mit gewissen Risiken verbunden.

Hinzu kommen Infektionsrisiken, die sich zwar am Schädel weit schlimmer auswirken als an anderen Körperteilen, jedoch durch moderne OP-Hygiene selten sind.

Eine gewisse Gefahr besteht für den Gesichtsnerv und den Geschmacksnerv, da der Kanal für den Elektrodenträger in seiner Nähe gefräst wird. Der Chirurg muss daher extrem vorsichtig mit Hilfe von Facialismonitoring vorgehen, um die Gesichts- und Geschmacksnerven nicht zu verletzen.

Ein ausgesprochen geringes Risiko gibt es, wenn das Elektrodenset statt in die Hörschnecke in einen der drei Bogengänge des naheliegenden Gleichgewichtsorgans eingeführt wird. Ein solcher Fehler wird von erfahrenen HNO-Chirurgen als sehr unwahrscheinlich eingeschätzt. Während der Operation wird ein Hörnervenmonitoring durchgeführt, mit dem die ordnungsgemäße Funktion des CIs und die Funktionsfähigkeit der Hörnerven festgestellt wird.

Es besteht die geringe Möglichkeit einer Meningitisinfektion nach der Implantation. Dies ist der Fall, wenn Keime über die Eintrittsstelle des Elektrodenbündels in die Cochlea gelangen.

Nach der Operation können in äußerst seltenen Fällen Patienten eine Unverträglichkeit gegenüber den verwendeten Materialien des Implantats (z.B.dem Silikon) entwickeln. Die Operationswunde heilt nicht aus und bleibt entzündet. Dies kann inzwischen vor der Operation durch Materialproben vermieden werden.

Zur Abwägung der Versorgung von Kleinkindern mit einem CI

Als besonders nützlich hat sich die CI-Versorgung sowohl bei hochgradig schwerhörenden oder ertaubten Erwachsenen erwiesen, die vor der Ertaubung normal gehört haben oder wenigstens nur so geringgradige Hörstörung hatten, dass sie normales Sprechen gelernt haben. Die CI-Versorgung hochgradig schwerhörender oder gehörloser Kleinkindern ist heute aufgrund der im Vergleich zur Hörgeräteversorgung überragenden Hör- und Spracherwerbsleistung mit CI medizinischer Standard und wird von einer großen Mehrheit betroffener Eltern angenommen. Die Kosten werden sowohl für die einseitige, als auch für die beidseitige Implantation vollständig von den Krankenkassen übernommen.

Die Implantation wird nur noch von einigen von Geburt an gehörlosen Menschen abgelehnt, die sich dem Kulturkreis der Gebärdensprache zugehörig fühlen. Sie meinen, dass in der anschließenden Rehabilitation häufig der Einsatz der Gebärdensprache hinter der Förderung der Lautsprache zurücksteht. Das implantierte Kind würde dann weg von der Gehörlosenkultur erzogen. Die Gebärdensprache würde der Menschheit verlorengehen und die Kulturlandschaft würde um eine interessante Kultur ärmer, wenn immer weniger sie als native Sprache beherrschen und damit eine Gemeinschaft und Kultur aufbauen können. Weiter sehen einige von Geburt an gehörlose Menschen hinter den großen Erfolgen des CI eine bewusste Nicht-Akzeptanz von Taubheit und vom Leben mit Taubheit, welche sie positiv bewerten. Sie befürchten, die implantierten Kinder würden gleiche psychologische Schwierigkeiten wie Gehörlose erleiden, z.B. in der Findung einer zufriedenstellenden Identität und Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, Einsamkeit usw.

Befürworter der Anwendung bei Kleinkindern sprechen sich für eine frühest mögliche Implantation bis zum dritten, besser bereits bis zum zweiten Lebensjahr aus. Dadurch, dass heute in Deutschland schon über Hundert Kinder im Alter von etwa 1 Jahr ein- oder beidseitig implantiert wurden, zeigt deren Hör- und Sprachentwicklung nur noch geringe Unterschied zu normalhörenden Kindern. In den CI-Zentren zeigt sich im Vergleich dieser frühzeitig implantierten Kinder mit Kindern, die später versorgt wurden, etwa zwischen dem dritten bis zum sechsten Lebensjahr, dass die Hör- und Sprachentwicklung bei späeterer Versorgung signifikant geringer ausfällt. Offen ist nur noch, ob die später implantierten Kinder sich lediglich langsamer entwickeln und mit einigen Jahren Verspätung den Leistungsbereich der frühimplantierten Kinder erreichen, oder ob sie doch auch langfristig nur eine geringere Hör- und Sprechleistung erreichen. Der biologische Vorteil der frühzeitigen Implantation liegt darin, dass die Reifung der Hörnerven, die Verarbeitung akustischer Signale im Hirnstamm und Gehirn und die nachfolgende Entwicklung der Lautsprache innerhalb der sogenannten sensitiven Phasen von einer frühzeitigen Hörerfahrungen abhängen, so wie eben bei normalhörenden Kindern, die ja sogar schon einige Wochen vor der Geburt hören können. Eine Implantation nach dem achten Lebensjahr erscheint für die meisten von Geburt an gehörlosen Kinder nicht mehr sinnvoll, da ein Erwerb oder die Verbesserung der Lautsprache durchs Gehör dann nur noch sehr eingeschränkt möglich ist. Dies gilt natürlich nicht, wenn ein Kind früher ausreichend mit Hörgeräten versorgt werden konnte und durch eine Verschlechterung der Hörschwelle erst später Sprache mit Hörgeräten nicht mehr ausreichend verstanden werden kann.

Um den Bedenken tauber CI-Gegner zu begegnen, wird mancherorts den implantierten Kindern zusätzlich Gebärdensprache angeboten, statt nur monolingual mit Lautsprache zu arbeiten. Dies ist um sicher zu gehen, dass sie eine vollkommene Erstsprache entwickelt haben, wenn es sich später herausstellt, dass sie die Lautsprache durchs CI trotz Training nicht vollständig vernehmen können. Kritiker dieses bilingualen Ansatzes befürchten hingegen mit dem seit fast 200 Jahren altbekannten Argument der Gebärdengegner, dass die Gebärdensprache auf den Erwerb einer Lautsprache nachteilig wirken könne, da die Gebärdensprache in einem lautlosen Medium hergeht und grammatisch anders aufgebaut ist, was das Erlernen der Lautsprache erheblich erschweren würde. Damit werden strukturell Argumente aufgeboten, wie sie auch von Gegnern multilingualen Erziehung traditionell aufgeworfen werden. Viele Studien haben gezeigt, dass es für die Gehirnentwicklung sogar förderlich ist, möglichst früh unterschiedliche Sprachen zu erlernen.

Wie gut ist das Hören mit dem CI?

Ein Cochleaimplantat kann kein normales Hörvermögen zurück geben. Die Hörfähigkeit nach einer CI-Versorgung unterliegt einer sehr großen Bandbreite. In ganz seltenen Fällen kann man auch mit dem Implantat nur einige Geräusche identifizieren, viele Patienten können ohne Probleme telefonieren und sich auch in lauten Umgebungen verständigen. Die individuelle Erfolgsaussicht hängt wesentlich von folgenden Gesichtspunkten ab:

  • Ertaubungsdauer
  • Sprachkompetenz
  • Zustand der Hörnerven
  • Vorliegen von zentral auditiver Wahrnehmungsstörungen
  • Motivation zum Erlernen der ungewohnten Höreindrücke und Sprachlaute

Soziologisches

Die Eltern von tauben Kleinkindern stehen zunächst unter dem Schock der Diagnose "Ihr Kind ist taub!". Sie wollen dann alles Menschenmögliche für ihr Kind tun, um die Auswirkungen der Taubheit so niedrig wie möglich zu halten. Als Aussenstehende kennen sie das Leben tauber Personen nicht und sehen zu Recht geringere kommunikative Möglichkeiten für gebärdensprechende taube Personen als für CI-Träger, wenngleich mit der Deutschen Gebärdensprache eine der Lautsprache in Teilen ebenbürtige Sprache zur Verfügung stünde. Dabei ist aber zu bedenken, dass mit der Gebärdensprache aufgewachsene Kinder später nur unzureichend mit normalhörenden Menschen kommunizieren können, meist auf Gebärden-Dolmetscher angewiesen sind. Da die Eltern jedoch in der Regel selber hörend sind und in der Regel nichts über die Gebärdensprache wissen, ist deshalb nachvollziehbar, dass sie sich oft für ein CI und für den lautsprachlich orientierten Förderweg entscheiden, zumal die Beratung zumeist durch hörende Fachleute erfolgt. Hier zeigt sich wieder, dass die Gebärdensprache in unserer Gesellschaft nur spärlich verwendet wird und selten kompetente Gebärdensprachbenutzer zu finden sind.

Gehoerlose Selbstbetroffene stehen sehr kritisch zum Cochlea Implantat. Sie wollen keine Fremdbestimmung. Fuer viele Gehoerlose Freunde der Gebaerdensprache ist das Cochlea Implantat eine Form von Fremdsuggestion. Manche Gehoerlose bezeichnen es sogar als "Haarwuchsmittel", weil der Hoernerv selbst aus mind. 200.000 Hoernervstraengen besteht, es aber nur maximal 20 bis 60 Elektroden sind bei dem Implantat. So ist der Implantat nur ein Tropfen auf einem heissen Stein und schafft rein rechnerisch ein Hoervermoegen von 1/120 Promille. Es ist bewiesen, dass Kinder, die mit 2 Sprachen aufwachsen, einen groesseren Wortschatz erwerben. Somit ist die reine Deutsche Gebaerdensprache auf der Gewinnerseite. Da es auch noch die Lautsprachbegleitenden Gebaerden gibt. Der Vielfalt der Gebaerden sind keine Grenzen gesetzt. Technische Hoerhilfen haben mehr Grenzen. (Verfasser dieses Abschnittes ist selbst spaet-ertaubt und hat Kontakte zur Gehoerlosen wie zur Hoerenden Welt.)

Der Druck auf die Kinder und die Erwartungen an sie sind grundsätzlich - ob mit oder ohne CI-Versorgung - immens. Sie sollen perfekt verstehen und sprechen lernen. Kinder, die aufgrund weiterer Behinderungen dabei nicht die Kombination des CI mit begünstigenden normalen neurologischen Lernfähigkeiten haben, können sich in körperlicher und sozialer Hinsicht als Versager empfinden. Sie ähneln sich in solchen Empfindungen den früher bekannten Generationen gehörloser Personen, die ausschließlich lautsprachlich, aber zumeist mit geringem Erfolg beschult wurden. Andererseits gibt es in Hamburg seit einigen Jahren einen bilingualen Schulversuch, in dem der Unterricht in Laut- und Gebärdensprache erfolgt und dessen Ergebnisse aufzeigen, dass auch gehörlose Kinder ohne CI-Implantation bemerkenswerte Erfolge insbesondere im Schriftspracherwerb erzielen können.

In der CI-Nachsorgetherapie wurde anfangs der Lautsprache die absolute Priorität gegeben und das Benutzen der Gebärdensprache streng untersagt mit dem Argument, die Therapie würde somit erfolgreicher. Man geht jedoch immer mehr zu einer Kombination beider Möglichkeiten über. Dennoch bleibt das Verstehenkönnen in lautsprachlicher Umgebung, zumal unter ungünstigen Bedingungen, auch nach Jahren intensiver Förderung eine alltägliche Herausforderung. Kinder wie Erwachsene sind daher häufig immer noch auf das Absehen angewiesen. Die Kommunikation mit Hörenden bleibt erschwert und die Kommunikation mit Gehörlosen mangels Kenntnis der Gebärdensprache wird nicht ermöglicht, da viele Gehörlose keine Lautsprache verstehen können. Es gibt viele Personen, die sich wohl fühlen, wenn sie mit Menschen mit der gleichen Behinderung kommunizieren, ohne dabei die Gebärdensprache benutzen zu müssen. Einige Kinder mit CI fühlen sich weder in der Gesellschaft der Hörenden noch in der von Gehörlosen zu Hause. Folgen sind Isolierung und starke Identitätsprobleme, monieren Kritiker des CIs. Obwohl es darüber keine Studien gibt, ist solche Kritik durchaus ernst zu nehmen und wird auch von Fachleuten ernst genommen.

Sehr selten lassen Teenager das CI nach Jahren des Tragens explantieren oder hören auf, den Sprachprozessor weiter zu tragen. Sie versuchen sich in die Gesellschaft der Gehörlosen zu integrieren. Es wird vor allem von Kritikern des CIs von psychosomatischen Symptomen, Suizid-Gefährdung und autistischem Verhalten der Kinder berichtet, worüber es allerdings ebenfalls keine Belege gibt. Es wird aber auch von Kindern, Teenagern und Erwachsenen berichtet, die ihr CI nicht mehr missen würden und sich damit in der Schule, Freizeit und im Beruf unterstützt fühlen. Natürlich bleibt es jedem CI-Träger selber überlassen, sein CI zu nutzen oder nicht. Er hat die Wahl zwischen Hören oder Nichthören, ein unversorgter Gehörloser hat sie nicht.

In seiner Autobiographie [1] beschreibt der taub geborene Peter Hepp, wie er als 33-Jähriger die Operation und Auswirkungen des Cochlea-Implantats durchgemacht hat:

  • Die Operation selbst verlief ohne größere Komplikationen, es blieb aber eine leichte Einschränkung der Zungenbeweglichkeit zurück.
  • Auswirkungen: Ein Jahr lang versuchte er, den Umgang mit den vermittelten Hörimpulsen zu lernen, allerdings wegen der angeborenen Taubheit vergeblich. Es gelang ihm nicht, die Flut der auf ihn einstürzenden Geräusch-Impulse zu analysieren und für eine bessere Orientierung nutzbar zu machen.
  • Nebenwirkungen: Die Hörreize führten bei ihm zu ständigen "Spannungen", Reizbarkeit, Konzentrationsverlust und Kopfschmerzen.

Folglich kommt er zu einer negativen Einschätzung des CI. Nach einem Jahr benutzt er es nicht mehr.

Beidseitige (Bilaterale) Implantation

In den vergangenen Jahren wurde üblicherweise nur ein Ohr implantiert, auch, und gerade wenn beide Ohren ertaubt waren. Einerseits wurde das Argument eines unoperierten "Ersatzohres" angeführt, das in der Zukunft für verbesserte Implantate oder andere Therapieformen (Hoffnung die Hörzellen wieder nachwachsen zu lassen) zur Verfügung stünde. Andererseits haben die Krankenkassen nur die einseitige Implantation bezahlt.

Langjährige psychoakustische Forschungsergebnisse zum binauralem Hören (und natürlich die alltägliche Hörerfahrung, wenn man sich ein Ohr verschließt) konnten aber nachweisen, dass gerade das Sprachverstehen mit nur einem Ohr schlechter ist, als mit zwei Ohren und dies vor allem in (den üblichen alltäglichen) geräuschvollen Hörsituationen. Dazu kommen die zunehmenden neurophysiologischen Erkenntnisse, dass die Hörbahn und der Hörkortex des unversorgten tauben Ohres sich bei kleinen Kindern nicht so entwickeln kann, dass nach jahrelangem Brachliegen auch mit einem verbesserten CI oder nach anderer Therapie ein gutes Hören erreicht werden kann. Bei der Hörgeräteversorgung hat man diesen Umstand schon seit den 70er Jahren in der beidohrigen Standard-Versorgung berücksichtigt.

Etwa seit dem Jahre 2000, vor allem mit der Einführung von hinter dem Ohr getragenen Signalprozessoren, wird aber an vielen CI-Kliniken auch die beidohrige CI-Versorgung mit gutem Erfolg angeboten. Die beiden Operationen erfolgen entweder in einer Narkose oder im zeitlichen Abstand. Theoretisch ist auch bei der beidohrigen CI-Versorgung eine möglichst frühzeitige Versorgung mit den besseren Hörergebnissen verknüpft. Es gibt aber auch schon gute Erfahrung mit Kindern und Erwachsenen, die in einem Abstand von mehreren Jahren ein zweites CI bekommen haben. In diesen Fällen bleibt aber noch abzuwarten, ob das zweite Ohr im Laufe der Zeit die gleiche Hörfähigkeit erlangt wie das erstimplantierte Ohr. Es gibt allerdings vor allem bei Erwachsenen auch die Erfahrung, dass das zweite Ohr sogar besser als das erstimplantierte Ohr ist, vor allem wenn zuerst das (vermeintlich) schlechtere Ohr implantiert wurde.

Im Allgemeinen scheint das Verstehen mit zwei CIs leichter, mit geringerem Konzentrationsaufwand als mit nur einem Ohr zu sein. Es kann auch in den meisten Fällen ein grundsätzlich besseres Sprachverstehen gegenüber dem einohrigen Hören erreicht werden, vor allem in geräuschvoller Umgebung.

In den meisten Fällen übernehmen die Krankenkassen jetzt auch die Versorgung des zweiten Ohres. Manche Kliniken sind aber in der Menge der CIs begrenzt (budgetiert), so dass dort eine Abwägung getroffen werden muss, wie viele Patienten eine einseitige und wie viele eine zweiseitige Versorgung bekommen können. Unverständlicherweise sperren sich gerade die Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen mit wissenschaftlich unhaltbaren und rechtlich fragwürdigen Argumenten gegen eine beidseitige Implantation. Die Prozesse, die Betroffene nach einer Ablehnung geführt haben, wurden aber bisher alle gewonnen. Im September 2005 hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg noch einmal ganz deutlich zum Anspruch auf die beidseitige Implantation Stellung bezogen: Nach den übergeordneten Regeln des Sozialgesetzbuches Teil V ergibt sich unzweifelhaft eine Leistungspflicht der Krankenkassen, da der Anspruch auf Behinderungsausgleich dort ansetzt, wo die Behinderung besteht, also dem Nichthören-Können auf dem nicht versorgten Ohr. Ist dies von einem Facharzt festgestellt worden, ist dieser Behinderungsausgleich auch geschuldet und zu gewähren, das heißt, die Versorgung mit einem CI ist zu bewilligen.

Siehe auch

Einzelnachweise

Das Mädchen, das aus der Stille kam. Von Fiona Bollag, Peter Hummel, Angela Kuepper, ISBN 3431036856. Fiona Bollag beschreibt ihre Erfahrungen als schwerhöriges Kind, wie sie mit 16 Jahren ein Cochlear Implantat bekommt und wie sie das erste Mal im Frühling Vögel zwitschern hört.

  1. Hepp, Peter: Die Welt in meinen Händen. Ein Leben ohne Hören und Sehen; Verlag List, Berlin. ISBN 3-471-79534-0
    Autobiographie des Taubgeborenen mit kritischer Beschreibung des Cochlea-Implantats in Kapitel 17 (Operation), S. 218-235 und Kapitel 18 (Auswirkungen) S. 236-248.
    Peter Hepp ist der erste taubblinde Diakon in Deutschland.

Literatur

  • DER SPIEGEL: Entdecker in der Welt der Töne, mit aktuellen Zahlen, Heft 13 /2005, S. 156
  • Studien Calmes et al. 2004, Int J Pediatr Otorhinolaryngol
  • Hans-Werner Bothe, Michael Engel: Die Evolution entläßt den Geist des Menschen, Neurobionik - Eine medizinische Disziplin im Werden
 
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