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Clozapin



Steckbrief
Name (INN) Clozapin
Wirkungsgruppe

Antipsychotikum, Atypisches Neuroleptikum

Handelsnamen

Leponex® Lanolept®

Klassifikation
ATC-Code N05AH02
CAS-Nummer 5786-21-0
Verschreibungspflichtig: Ja

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Fachinformation (Clozapin)
Chemische Eigenschaften

IUPAC-Name: 8-Chlor-11-(4-methylpiperazin-1-yl)-
5H-dibenzo[b,e][1,4]diazepin
Summenformel C18H19ClN4
Molare Masse 326,82 g/mol

Clozapin ist ein Neuroleptikum, das 1971 im deutschen Sprachraum eingeführt wurde und das als das erste Neuroleptikum der Generation der atypischen Neuroleptika („Atypika“) gilt. Streng genommen aber stellt es das einzige Atypikum dar, da es im Gegensatz zu den später entwickelten Nachfolgesubstanzen auch in hoher Dosierung keine Neuroleptika-typischen Begleitwirkungen aufweist – v.a. löst es offenbar niemals extrapyramidal-motorische Störungen aus.

Clozapin (Handelsnamen Leponex®, Lanolept®, Clozaril®, Clopin® eco (CH) u.a.) gilt als mittelpotentes Neuroleptikum, wirkt jedoch häufig auch bei solchen Schizophrenien, die mit anderen Neuroleptika nicht oder nur unzureichend medikamentös beherrscht werden können. Darum wurden Clozapin-Präparate früher mitunter unkritisch eingesetzt (siehe Geschichte). Ein breit gestreuter Einsatz verbietet sich jedoch heute wegen einiger gefährlicher Schadeffekte, darunter die potenziell lebensbedrohliche Agranulozytose.

Inhaltsverzeichnis

Chemie

  Clozapin ist ein trizyklisches Dibenzodiazepin-Derivat (8-Chlor-11-(4-methyl-1-piperazinyl)-5H-dibenzo[b,e]-[1,4]-diazepin) und entfernt mit den Phenothiazinen verwandt.

Die Substanz ist stark lipophil, gut ZNS-gängig und liegt als Handelspräparat (LEPONEX u.a.) zur oralen Einnahme (Tabletten) sowie als Injektionslösung vor; die Lösung eignet sich nur zur i.m.-Injektion.

Pharmakologie

Wirkprofil

Clozapin interagiert mit verschiedenen Transmittersystemen. Es werden das dopaminerge, das adrenerge, das cholinerge, das serotonerge und das histaminerge System durch die Clozapin-Wirkung beeinflusst. Clozapin ist ein potenter Antagonist an α1-Adrenozeptoren, muskarinischen Acetylcholin M1-Rezeptoren, Serotonin-Rezeptoren (insbesondere 5-HT2A- und 5-HT2C-Rezeptoren) sowie Histamin H1-Rezeptoren. Von besonderm Interesse ist auch die Wechselwirkung von Clozapin mit Dopamin-Rezeptoren. Clozapin blockiert vorrangig den D4-Dopaminrezeptor und mit deutlich geringerer Affinität auch D1-, D3- und D5-Rezeptoren. Die D2-Blockade, die bei den "klassischen" Neuroleptika vermutlich für den Großteil der antipsychotischen Wirkung verantwortlich ist, ist ebenso nur gering ausgeprägt.

Obwohl die Pharmakologie des Clozapins auf Rezeptorebene sehr gut untersucht wurde, lässt sich bislang seine spezifisch antipsychotische Wirkung bei gleichzeitigem Fehlen von Dyskinesien nicht vollständig erklären. So soll die antiserotonerge, über 5-HT2A-Rezeptoren vermittelte Wirkung mittels einer "kompensatorischen" Dopamin-Ausschüttung in bestimmten Hirnarealen (Substantia nigra) für das Ausbleiben der Störwirkung sorgen.

Pharmakokinetik

Clozapin wird zu über 90% resorbiert, hat eine Bioverfügbarkeit von ca. 50-60% und eine Plasmahalbwertszeit von 8 bis 14 Stunden, im Schnitt 12 Stunden. Der einzig wirksame Metabolit ist das Desmethyl-Clozapin. Die Elimination erfolgt vorwiegend renal.

Klinische Indikationen

Clozapin ist als Mittel der letzten Wahl bei therapieresistenten Psychosen indiziert, wenn vorher sämtliche Optionen versagt haben bzw. nicht vertragen wurden. Es kann darüber hinaus wegen der fehlenden extrapyramidal-motorischen Störwirkungen bei Parkinson-Patienten eingesetzt werden, wenn unter dopaminerger Medikation behandlungsbedürftige psychotische Symptome auftreten, ferner auch bei Chorea Huntington-Erkrankten.

Unerwünschte Wirkungen

Agranulozytose

Die gefährlichste "Nebenwirkung" ist die während der gesamten Einnahmezeit mögliche Ausbildung einer Agranulozytose. Eine Verminderung der weißen Blutkörperchen (vgl. Leukopenie, Neutropenie) ist unter Clozapin-Einnahme häufig; daher muss das Blutbild engmaschig überwacht werden, um ein ernsthaft gefährliches Absinken der Granulozytenzahl rechtzeitig zu erkennen. Wird das Medikament dann nicht sofort abgesetzt, besteht Lebensgefahr – bis etwa 1976 sind weltweit einige Hundert Clozapin-Patienten auf diese Weise ums Leben gekommen.

Die meisten Agranulozytosen (ca. 70%) treten in den ersten 18 Wochen der Einnahme auf, darum muss während dieser Zeit das Blutbild wöchentlich, später dann monatlich kontrolliert werden.

Weitere Risiken

Unter der Therapie mit Clozapin kommt es häufig bis sehr häufig zur Gewichtszunahme (4-31%) z.T. in erheblichem Ausmaß. Dies erschwert vielmals die Compliance des Patienten.

Oft kommt es zu einer Hypersalivation (verstärkte Speichelabsonderung), besonders im Schlaf.

Andere Clozapin-spezifische Risiken sind die Ausbildung eines Diabetes mellitus, eine Beeinträchtigung der körpereigenen Temperaturregulation (Erzeugung von Hyper- und Hypothermien), erhöhte Gefahr für epileptische Krampfanfälle sowie die Kardiotoxizität der Substanz. Auch gibt es den Verdacht, dass es einen Selenmangel verursachen kann.

Absetzpsychosen

Beim Absetzen von Clozapin kann es zu so genannten Absetzpsychosen kommen, die vom klinischen Bild her gravierender als die ursprünglich behandelte Psychose sein können. Diese Reaktionen treten besonders nach langdauernder, hochdosierter Einnahme auf und werden im Allgemeinen als "Hypersensibilisierungsreaktionen" interpretiert. Im Extremfall kann dadurch ein Absetzen des Präparats vollkommen scheitern.

Geschichte

Entdeckung

Das Clozapin wurde im Mai 1960 im Rahmen eines ca. 2000 Substanzen umfassenden Screenings von der WANDER AG in Bern (Schweiz) synthetisiert. Die antipsychotische Wirksamkeit wurde nicht erkannt; der potenzielle Arzneistoff blieb nur wegen seiner sedierenden Effekte im Tierversuch ein Kandidat für weitere Tests.

Erste Versuchsreihen mit menschlichen Probanden erbrachten um 1962 eher unbefriedigende Resultate. Deshalb folgten erst ab 1966 weitere Studien am Menschen – nun an Patienten mit chronisch-produktiver Schizophrenie –, wobei die antipsychotische Wirkung auffiel.

"Anti-paradigmatische Wirkung", Namensgebung

Bis zur Mitte der 1960er Jahre war die von dem Psychiater Hans-Joachim Haase formulierte Theorie der "neuroleptischen Schwelle" weithin anerkannt, wonach eine (auf der Dopamin-Blockade beruhende) antipsychotische Wirkung erst mit dem Auftreten der unerwünschten Parkinson-Symptome einsetzen sollte.

Das Clozapin widerlegte diese Theorie sehr eindrucksvoll. Nach einer Legende, die allerdings nie vom Hersteller bestätigt wurde, soll der Hersteller das 1971 im deutschen Sprachraum zugelassene Präparat deshalb LEPONEX genannt haben: Der Name wird danach vom Begriff lepus (lat. für Hase) abgeleitet und bedeutet demnach soviel wie "Ha(a)se tot".

Gehäufte Todesfälle, Konsequenzen

In den folgenden Jahren wurde das Clozapin/Leponex® in Europa zunehmend häufig verordnet, da es von vielen Patienten im Vergleich etwa zum Haloperidol wesentlich besser toleriert wurde. Mit der stark steigenden Verschreibungszahl häuften sich dann aber um 1975 auch Meldungen über tödlich verlaufende Agranulozytose-Fälle – zuerst in Finnland, wo das Präparat in jenem Jahr erst neu zugelassen wurde.

Nachdem das Clozapin als Auslöser feststand, folgten sehr unterschiedliche Reaktionen der einzelnen Regierungen bzw. staatlichen Zulassungsbehörden – von der konsequenten Marktrücknahme (Finnland) bis zum Weiterbestehen der Zulassung mit einigen Warnhinweisen (Deutschland).

Hier wurden erst 1979 spezielle Regelungen für die Verordnung von Leponex® getroffen, die dann allerdings einzigartig auf dem gesamten Arzneimittelmarkt waren: Eine beabsichtigte Clozapin-Verordnung musste der betreffende Arzt dem Hersteller melden, erhielt ein Informationspaket, dessen Beachtung er schriftlich zusichern musste, und erst dann die Berechtigung zur Verordnung. In Deutschland bietet heute Novartis über eine spezielle Leponex Service Homepage [1] eine Kontrolle für das Fachpersonal an. Diese Website ermöglicht Apothekern die Kontrolle über die Einhaltung der Richtlinien zur kontrollierten Anwendung von Leponex. Dadurch wurde ein staatliches Verbot der Clozapin-Abgabe vermieden.

In der Schweiz ist das Vorgehen etwas einfacher: Die Rezepte für Leponex® und Clopin® eco müssen vom Arzt mit dem Vermerk «BBK sic» (BBK = Blutbildkontrolle) versehen werden. Der Apotheker klebt den an der Originalpackung haftenden Kleber mit obigem Vermerk auf das Rezeptformular. So hat die Krankenkasse die Kontrolle über die regelmäßigen Laboranalysen.

Aktuelle Situation

Trotz jahrelanger Bemühungen verschiedener Hersteller, vom Clozapin ausgehend ein ebenbürtiges Antipsychotikum ohne die gefährlichen Schadeffekte zu finden, ist dieser Wirkstoff der einzige geblieben, der auch in Hochdosis keine Parkinson-Symptome auslöst. Eine verwandte und mittlerweile sehr häufig eingesetzte Substanz ist das Olanzapin, das hinsichtlich seiner Langzeitsicherheit noch nicht zuverlässig zu beurteilen ist.

Olanzapin und andere neuere Neuroleptika wie Quetiapin und Risperidon bringen jedoch offenbar kein erhöhtes Agranulozytose-Risiko mit sich und werden deshalb gegenüber dem Clozapin bevorzugt.

Seit Ende der 1990er Jahre kamen mehrere Clozapin-Generika auf den Markt, von denen einige ohne die besonderen Vorsichtsmaßnahmen des Originals Leponex® verordnet werden können; für die Arzneimittelsicherheit ist das ein Rückschritt.

Siehe auch

Referenzen

  1. Arzt Revers Check
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Clozapin aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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