Meine Merkliste
my.bionity.com  
Login  

Cesare Lombroso



  Cesare Lombroso (* 18. November 1836 in Verona; † 19. Oktober 1909 in Turin) war ein italienischer Arzt, Professor der gerichtlichen Medizin und Psychiatrie. Er gilt als Begründer der Kriminalanthropologie (Scuola positiva di diritto penale), die als Reaktion auf die klassische Schule von Cesare Beccaria entstand und dafür sorgte, dass im 19. Jahrhundert zunehmend naturwissenschaftlich ausgebildete Fachleute, vor allem Mediziner, aber auch Biologen und Anthropologen sich der Thematik der Kriminalität genähert haben. In der heutigen Terminologie könnte man ihn als den ersten Profiler bezeichnen.

Leben

Lombroso wurde 1836 Verona in eine jüdische Familie hineingeboren. Er studierte in Padua, Wien und Paris und wurde 1862 Professor in Pavia, ab 1876 war er Professor in Turin. Wie Auguste Comte, in dessen Tradition er steht, überbetonte er biologische Ursachen für Geisteskrankheiten. Die theoretischen Ergebnisse seiner Studien besagten zudem, dass diejenigen Bevölkerungsteile, die sich kriminell betätigen, eine höhere Prozentzahl von physischen, nervösen und mentalen Anomalien zeigen, als die nicht-kriminellen. Dies Anomalien seien teilweise durch Degeneration, teilweise durch Atavismus zu erklären.

Mit seinem 1876 erstmals veröffentlicheten Werk L´Uomo delinquente begründete er eine neue Theorie in der Kriminologie, den Übergang vom Tat- zum Täterstrafrecht. Seine Lehre vom delinquente nato - dem geborenen Verbrecher - war von Anfang an umstritten. Der Kriminelle wird hier als besonderer Typus der Menschheit beschrieben, der in der Mitte des Geisteskranken und des Primitiven stehe. In deutschsprachigen Ländern wurden seine kriminalbiologischen Theorien unter der Bezeichnung Tätertypenlehre verbreitet.

Die direkte Verwandtschaft zu den aggressiveren, nicht kulturell domestizierten Vorfahren des heutigen Menschen trete bei manchen Personen in ihren körperlichen Merkmalen offen zutage, so Lombrosos These. Eine bestimmte Schädelform oder zusammengewachsene Augenbrauen sind damit der Verweis auf eine atavistische - damit niedrigere und gewalttätigere - Entwicklungsstufe. Damit deuten äußere Merkmale auf die tief verwurzelten Anlagen zum Verbrecher hin, die auch durch die Aneignung sozialer Verhaltensweisen nicht überdeckt werden können.

Nicht mehr die verbrecherische Tat, sondern der Kriminelle als anthropologisch determinierter Typus wird damit zum Gegenstand einer neuen wissenschaftlichen Disziplin, der forensischen Phrenologie. Die praktischen Reformen, die Lombroso anregte, wollten den Delinquenten, der seiner Theorie zufolge kriminell geboren wurde, eine andere Art der Bestrafung erhalten lassen, als derjenigen, der durch die Umstände zu seinen Taten getrieben wurde.

Lombroso, der einer jüdischen Familie entstammte, vereinigte in seiner Person verschiedene heterogene Persönlichkeitszüge, so erklärte er sich offen als Sozialist, Positivist, Philosemit, Rassist und Eugeniker - er war also nicht ohne Widersprüche und eben dadurch selbst ein interessanter Persönlichkeitstypus, der klarerweise sehr differenziert zu betrachten ist. Er ist trotz seiner die wissenschaftlichen Standpunkte polarisierenden Theorien als einer der ersten modernen Profiler verdienstvoll.

In der zeitgenössischen Diskussion um das Genie vertrat er die Position, dass es sich hierbei um einen permanenten psychischen Ausnahmezustand handle, der in seinen verschiedenen Ausformungen Analogien zur "Verrücktheit" im Sinne der Ekstase zeige und letztlich biologisch nicht grundsätzlich verschieden von der kriminellen Disposition sei.

1880 gründet Lombroso das Archivio di psichiatria. antropologia criminale e scienze penale.

Unter Berufung auf Lombrosos kriminalbiologischen Thesen führten die Nationalsozialisten während des Dritten Reichs in Deutschland im Rahmen ihrer medizinisch-eugenischen Programme umfangreiche Zwangssterilisationen bei Kriminellen und Geisteskranken durch.

Werke

  • L’uomo bianco e l’uomo di colore (dt: Der weiße und der farbige Mann), 1871. Der junge Lombroso versucht eine Lanze für die Rezeption der Theorien Darwins in Italien zu brechen.
  • L'uomo delinquente. In rapporto all'antropologia, alla giurisprudenza ed alle discipline carcerarie, Turin, Bocca, 1876. (dt: Der Verbrecher in anthropologischer, ärztlicher und juristischer Beziehung, Hamburg 1889)
  • Genio e follia, in rapporto alla medicina legale, alla critica ed alla storia (dt: Genie und Irrsinn in ihren Beziehungen zum Gesetz, zur Kritik und zur Geschichte Leipzig: Reclam 1887)
  • La donna delinquente ... (dt: Das Weib als Verbrecherin und Prostituirte. Anthropologische Studien, gegründet auf e. Darstellung d. Biologie u. Psychol. d. normalen Weibes mit G. Ferrero. Hamburg: Verlagsanst. u. Dr. A.-G. 1894)

Literatur

  • Delia Fringesi: Cesare Lombroso. Turin, Einaudi, 2003, ISBN 88-06-13866-9
  • Mary Gibson: Born to crime : Cesare Lombroso and the origins of biological criminology. Westport, Conn., Praeger, 2002, ISBN 0-275-97062-0
  • Klaus Hofweber: Die Sexualtheorie des Cesare Lombroso. München, Univ. Diss., 1969
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Cesare_Lombroso aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
Ihr Bowser ist nicht aktuell. Microsoft Internet Explorer 6.0 unterstützt einige Funktionen auf ie.DE nicht.