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Carl Heinrich Stratz
Carl Heinrich Stratz (* 14. Juni 1858 in Odessa; † 21. April 1924 in Den Haag) war ein Gynäkologe, der mehrere wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Bücher über medizinische und anthropologische Themen veröffentlichte. Seine bekanntesten Werke beschäftigen sich mit Kriterien zur Beurteilung und Förderung der weiblichen Schönheit. Stratz vertrat rassistische Thesen. In der Kinder- und Jugendmedizin lieferte er wertvolle Beiträge zur Morphologie des gesunden Körpers.[1] Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
Leben1877 begann Stratz sein Medizinstudium in Heidelberg, wo er die Wintersemester 1877/78 und 1878/79 sowie das Sommersemester 1879 verbrachte. Zum Wintersemester 1879/80 führte er sein Studium in Freiburg und 1881 bis 1882 in Leipzig fort. Am 2. August 1883 wurde er in Heidelberg mit der Bewertung „cum laude“ zum Dr. med. promoviert. Unter Prof. Carl Schröder begann er seine Tätigkeit an der Berliner Frauenklinik. 1885 wurde er Assistenzarzt im „Klinischen Institut für Geburtshilfe“ in Berlin. Von 1887 bis 1913 war Stratz Sanitätsoffizier der holländischen Armee; in dieser Eigenschaft war er bis 1892 tätig. Seine Veröffentlichungen lassen vermuten, dass er als Gynäkologe und Geburtshelfer zur Versorgung von Angehörigen der Offiziers- und Soldatenfamilien eingesetzt wurde. 1887 war er als Sanitätsoffizier auf Java tätig; 1890 bereiste er das Innere der Insel. Ein Studienaufenthalt in Amerika, China und Japan endete 1898. 1902 wurde er Mitglied der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Eine Notiz von 1904 in den Mitteilungen zur Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften erwähnt, dass Stratz „außer Südamerika, Südafrika und Australien die ganze Welt offenen Auges durchreist“ habe. 1908 kehrte Stratz nach Europa zurück und ließ sich in Den Haag nieder, wo er eine ausgedehnte geburtshilfliche und gynäkologische Praxis betrieb. Die Umstände, unter welchen Stratz 1914 durch kaiserlichen Erlass ein preußischer Professorentitel verliehen wurde, sind ungeklärt. Stratz’ medizinische Tätigkeiten während des Ersten Weltkriegs sind nicht genau bekannt. Er selbst erwähnte „verwundete Russen“, die in seine Behandlung kamen; außerdem habe ihn sein Beruf „in die verschiedensten Gegenden Europas“ geführt. 1919 wohnte er wieder in Den Haag. 1923 erkrankte Stratz an einem „Beckenabszeß“ und konnte vom Herbst ab sein Krankenlager nicht verlassen. Er starb am 21. April des folgenden Jahres. WerkÜberblickStratz’ Veröffentlichungen über menschliche Schönheit, allen voran Die Schönheit des weiblichen Körpers, sind reich bebildert. Die Fotografien, oft Nacktaufnahmen junger Frauen, sind unterschiedlichen Ursprungs. Fotografen werden nur teilweise namentlich genannt; bei einigen Aufnahmen handelt es sich um Aktfotografien aus den privaten Beständen von Stratz’ sammelnden Fachkollegen und Freunden. Die Bücher fanden beim männlichen Betrachter sicherlich mindestens so viel Anklang wie bei Frauen.[2] Die wegen der vielen Abbildungen hohen Preise lassen darauf schließen, dass der Leserkreis sich aus gebildeten, wohlhabenden Bürgern zusammensetzte. Durch ihren wissenschaftlich-künstlerisch anmutenden Anspruch entgingen die Werke der Zensur. Stratz’ Werke waren, nach den häufigen positiven Buchbesprechungen und der großen Zahl von Auflagen zu schließen, überaus erfolgreich. Rezensionen und Auszüge aus seinen Büchern in schulmedizinischen und lebensreformerischen Zeitschriften deuten darauf hin, dass Stratz’ ästhetischer Sachverstand sowohl von Medizinern als auch von medizinkritischen Lebensreformern anerkannt wurde. Die größte Nachwirkung hatten Stratz’ noch jahrzehntelang zitierte Veröffentlichungen zu den Proportionen des kindlichen und jugendlichen Körpers; Grimm bezeichnet ihn in dieser Hinsicht als „Mitbegründer einer ärztlichen Jugendkunde“.[3] HauptwerkeDie Frauen auf Java – eine gynäkologische Studie, Verlag F. Enke (Stuttgart), 1897
Die Schönheit des weiblichen Körpers, 1. Aufl. Verlag F. Enke (Stuttgart), 1898
Die Frauenkleidung und ihre natürliche Entwicklung, 1. Aufl. Verlag F. Enke (Stuttgart), 1900
Die Rassenschönheit des Weibes, 1. Aufl. Verlag F. Enke (Stuttgart), 1901
Die Körperformen in Kunst und Leben der Japaner, 1. Aufl. Verlag F. Enke (Stuttgart), 1902
Der Körper des Kindes und seine Pflege, 1. Aufl. Verlag F. Enke (Stuttgart), 1903
Was sind Juden? Eine ethnographisch-anthropologische Studie, Verlag F. Tempsky (Wien) und Verlag G. Freytag (Leipzig), 1903 Lebensalter und Geschlechter, Verlag F. Enke (Stuttgart), 1926
Stratz’ SchönheitsbegriffStratz hielt Schönheit für die Konsequenz naturwissenschaftlicher und übernatürlicher Gesetze. Für ihn setzte Schönheit einen „normalen“ (d. h., gesunden) Körper voraus, was aber nur auf einen kleinen Teil der Bevölkerung zutreffe. Ein wohlproportionierter Körper könne sich auf den lediglich formalen Regeln gehorchenden Kanon zurückführen lassen. Das Ziel war es, zeitlose Kriterien aufzustellen, die Ansprüche an vollendete Schönheit erfüllten. Frauen aus der Unterschicht genügten diesen Idealen nur selten. So berichtete Stratz, es sei ihm nicht gelungen, unter den zahlreichen Berliner Kunstmodellen aus der Unterschicht auch nur eine einzige normale, geschweige denn schöne Gestalt ausfindig zu machen. Die weibliche Schönheit hielt Stratz für einen Ausdruck ihrer Berufung zur Mutter. Ähnlich wie andere Ärzte – etwa Albert Moll – war er der Auffassung, dass Frauen, die stattdessen bezahlte Arbeit verrichteten, ein männlicheres Aussehen annehmen würden. Als Gegenmittel schlug er eine Diätlehre vor, genannt Kallobiotik, die auf Gesundheit und Schönheit abzielte. Für Stratz bestand das menschliche Leben aus einem „Einzelleben“ und einem „Gattungsleben“. Für Frauen würde wegen ihrer Rolle als Mutter das Gattungsleben eine größere Rolle spielen als das Einzelleben, während es bei Männern umgekehrt sei. Dieser Unterschied würde sich in der männlichen und weiblichen Anatomie bemerkbar machen. Rassismus und AntisemitismusMehrere von Stratz’ Büchern sind in rassistischem Ton gehalten. Stratz bezeichnete mehrmals die „weiße Rasse“ als die höchstentwickelte. Nur Frauen dieser Rasse könnten tatsächlich schön sein, weil sie – anders als Frauen anderer Rassen – nicht bloßes sexuelles Interesse hervorrufen würden. Menschliche Schönheit sei das Ergebnis eines sozialdarwinistischen Selektionsprozesses. Stratz’ Rassismus unterschied sich jedoch vom „völkischen“ Rassismus, wie er etwa von Karl Ludwig Schemann propagiert wurde. Zwar vertrat Stratz damals weit verbreitete antisemitische Klischees, lehnte aber den radikalen Antisemitismus ab.[4] In seiner 1903 erschienenen Schrift Was sind Juden? behauptete er, moderne Antisemiten würden das jüdische Volk generell durch eine Reihe von körperlichen Fehlern charakterisieren. Diese Ansicht teilte er nicht. Vielmehr hätten Juden den Grundstein für die westliche Zivilisation gelegt und würden kaukasische und arische Ursprünge mit der nordischen und romanischen Rasse teilen. Stratz behauptete, jahrhundertelange Inzucht hätte bei den europäischen Juden – im Gegensatz zu anderen Europäern oder nordafrikanischen Juden – Fehler und Gebrechen wie Missgestalt, Gicht, Diabetes und Rheumatismus hervorgebracht. Er behauptete auch, man würde viel mehr kranke und hässliche als schwachsinnige Juden sehen. Die Intelligenz sei ein Ergebnis des Kampfes der Juden um das Überleben, und Juden könnten zur Zukunft der europäischen Kultur und Gesellschaft beitragen. Literatur
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Wikisource: Carl Heinrich Stratz – Quellentexte |
- Literatur von und über Carl Heinrich Stratz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Literaturliste im Online-Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin
Einzelnachweise
- ↑ Grimm, Carl Heinrich Stratz (1858 bis 1924) als Mitbegründer einer Ärztlichen Jugendkunde
- ↑ Hau, The Holistic Gaze in German Medicine, S. 503
- ↑ Grimm, Carl Heinrich Stratz (1858 bis 1924) als Mitbegründer einer Ärztlichen Jugendkunde, S. 190
- ↑ Hau, The Cult of Health and Beauty in Germany, S. 85
Personendaten | |
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NAME | Stratz, Carl Heinrich |
KURZBESCHREIBUNG | Gynäkologe |
GEBURTSDATUM | 14. Juni 1858 |
GEBURTSORT | Odessa |
STERBEDATUM | 21. April 1924 |
STERBEORT | Den Haag |