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Brown-Séquard-Syndrom
Das Brown-Séquard-Syndrom ist ein Symptomkomplex, der bei einer halbseitigen Schädigung des Rückenmarks auftritt, wobei es zu dissoziierten Sensibilitätsstörungen und Muskellähmungen kommt. Es wurde erstmals zwischen 1850 und 1851[1] von dem Neurologen Charles-Édouard Brown-Séquard beschrieben und tritt zumeist bei einer Quetschung oder anderweitigen Verletzung des Rückenmarks auf, selten auch bei Tumoren im Wirbelkanal.[2] Da das Rückenmark sowohl aus absteigenden motorischen, als auch aus aufsteigenden sensiblen Nervenbahnen besteht, die teilweise auf die jeweils andere Seite des Marks wechseln (kreuzen), resultiert bei lediglich halbseitiger Läsion des Rückenmarks, im Gegensatz zur totalen Querschnittslähmung, ein scheinbar diffuses Krankheitsbild: während es auf der einen Körperhälfte des Patienten zu einer Lähmung der Willkürmuskulatur und einer Beeinträchtigung der Sensibilität kommt, treten auf der anderen Störungen der Temperatur- und Schmerzwahrnehmung auf. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
Pathologie
Anatomische HintergründeDie sensiblen Afferenzen für die Grobwahrnehmung (protopathische Sensibilität, grobe Druck-, Temperatur- und Schmerzempfindung) treten durch die Hinterwurzel in das Rückenmark ein und kreuzen noch im gleichen Segment auf die andere Seite (kontralateral). Von hier verlaufen sie als Tractus spinothalamicus, bestehend aus einem seitlichen (5a) und einem vorderen (5b) Trakt, zum Thalamus und von dort nach Umschaltung weiter zum sensiblen Gebiet der Großhirnrinde.[3] Die Afferenzen zur Vermittlung der Fein- (epikritische Sensibilität) und Tiefensensibilität steigen dagegen im Hinterstrang (Funiculus dorsalis oder beim Menschen auch Funiculus posterior, bestehend aus Fasciculus gracilis (3a) und Fasciculus cuneatus (3b)) von der Hinterwurzel auf der gleichen Seite (ipsilateral) des Rückenmarks zum Gehirn auf und kreuzen erst im Bereich des verlängerten Marks auf die andere Seite.[3] Ebenso kreuzen die Kleinhirnseitenstränge – bestehend aus den Tractus spinocerebellares posterior (4a) und anterior (4b) – nicht, sondern steigen ebenfalls gleichseitig zum Kleinhirn auf. Der Tractus spinocerebellaris posterior leitet dabei überwiegend propriozeptive Impulse, also solche der Eigenwahrnehmung, der Tractus spinocerebellaris anterior sowohl proprio- als auch exterozeptive, also solche der Außenwahrnehmung, der Lokalisation und Qualität einer Tastempfindung.[3] Zwischen 70 und 90 Prozent der Nervenfasern der für die Feinmotorik zuständigen Pyramidenbahn kreuzen bereits vor dem Rückenmark im verlängerten Mark und steigen dann im Seitenstrang als Tractus corticospinalis lateralis (1a) ab. Die restlichen Fasern steigen ipsilateral im Vorderstrang als Tractus corticospinalis anterior (1b) ab und kreuzen entweder gar nicht oder erst auf Endigungshöhe. Folgen einer HalbseitenläsionEine halbseitige Durchtrennung des Rückenmarkes hat die Unterbrechung vieler Nervenstränge, kreuzender wie nicht kreuzender, zur Folge, wodurch es zu neurologischen Ausfällen auf beiden Seiten kommt. Da der Tractus spinothalamicus kreuzt, bevor er aufsteigt, tritt kontralateral (auf der gegenüberliegenden Körperseite) zur Läsion und ab dieser abwärts eine Störung der Grobwahrnehmung auf: Schmerz- und Temperaturempfindung sind gestört. Da sowohl der Hinterstrang (Funiculus dorsalis bzw. posterior) als auch die Kleinhirnseitenstränge vor dem Aufsteigen nicht kreuzen, tritt ipsilateral (auf derselben Körperseite) zur Läsion und ab dieser abwärts eine massive Störung der Tiefensensibilität und ein Verlust der Vibrationsempfindung auf. Zudem tritt eine kleine anästhetische Zone ipsilateral zur Läsion und knapp über dieser gelegen auf, was auf die Zerstörung der Hinterwurzeleintrittszone auf Läsionshöhe zurückgeführt wird.[5] Durch die Durchtrennung der motorischen Bahnen (Pyramidenbahn, extrapyramidale Bahnen) kommt es ipsilateral vom Ort der Schädigung abwärts zu einer spastischen Parese. Im betroffenen Segment ist die Parese jedoch schlaff, da hier die motorischen Vorderhornzellen selbst in die Läsion einbezogen sind. Auf der lädierten Seite kann eine Hyperästhesie bestehen, bei der bereits eine leichte Berührung als Schmerz empfunden wird (Hyperalgesie). Sie soll dadurch bedingt sein, dass die protopathische Sensibilität ipsilateral bei gleichzeitigem Verlust der epikritischen Sensibilität erhalten bleibt.[5] Darüber hinaus kommt es anfangs auf Grund der Schädigung zentraler Sympathikusbahnen, die im Seitenstrang absteigen, ipsilateral zur Erweiterung der Blutgefäße, anfangs rötet und überwärmt sich die Haut, später kühlt sie ab und färbt sich bläulich.[6] Die Schweißproduktion im selben Areal ist vermindert oder erloschen. Da vegetative Bahnen beidseitig absteigen, kommt es bei einem reinen Brown-Séquard-Syndrom in der Regel nicht zu Störungen von Blase, Mastdarm oder Potenz. Eine Läsion auf der Höhe des zervikothorakalen Übergangs (C7/Th1) führt zusätzlich zu einem ispilateralen Horner-Syndrom.
KlinikUrsachenDas Brown-Séquard-Syndrom in seiner reinen Form ist selten. Es sind eine Vielzahl von Ursachen möglich. Zu den häufigeren gehören penetrierende oder stumpfe Verletzungen, epi- oder subdurale Hämatome der Rückenmarkshäute, Herniationen der Bandscheiben im Halsmarkbereich oder lokale Primärtumoren beziehungsweise Metastasen. Selten kann sich auch eine Spinalkanalstenose als Brown-Séquard-Syndrom äußern. [7] Der Verschluss einer Sulkokommissuralarterie, dies sind Abgänge aus der Arteria spinalis anterior, die jeweils nur eine Seite des vorderen Rückenmarks versorgen, führt manchmal zu einem inkompletten Brown-Séquard-Syndrom mit erhaltener epikritischer Sensibilität.
DiagnostikDer Patient erfährt eine auf den ersten Blick diffus erscheinende Symptomatik: Die Körperhälfte auf Seite der Schädigung ist unterhalb der Läsion gelähmt und ihre Lageempfindung stark eingeschränkt – gleichzeitig fühlt er auf der scheinbar intakten Seite weder Schmerz noch Temperatur.[2] Diagnostisch steht eine neurologische Untersuchung mit entsprechender Prüfung der Motorik, des Temperatursinns sowie der Oberflächen- und Tiefensensibilität im Mittelpunkt. Zur lokalisatorischen Feststellung der Läsionshöhe orientiert man sich an der oberen Grenze des epikritischen Sensibilitätsausfalls („sensibler Spiegel“); die Begrenzung des Ausfalls der protopathischen Sensibilität hingegen ist unscharf, da diese Bahnen über mehrere Segmente hinweg kreuzen. Die segmentale schlaffe Parese kann maskiert sein, da benachbarte Spinalnerven in ihrem Versorgungsgebiet einen gewissen Überschneidungsbereich aufweisen – entscheidend ist hier die Ausdehnung der Rückenmarksschädigung in kranio-kaudaler Richtung. Die wichtigsten bildgebenden Verfahren zur Feststellung von Ausmaß und Ursache der Läsion sind Röntgen, Computertomographie und Magnetresonanztomographie.[8] TherapieWenn der Läsion ein Tumor, der auf das Rückenmark drückt, zu Grunde liegt, kann das Rückenmark durch eine operative Entfernung des Tumors entlastet werden. Nach der ärztlichen Versorgung sollte eine Physiotherapie in Betracht gezogen werden. Quellen
Einzelnachweise
Kategorien: Lesenswert | Krankheitsbild in der Neurologie |
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Brown-Séquard-Syndrom aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |