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Blut-Hirn-Schranke



  Die Blut-Hirn-Schranke, auch Blut-Gehirn-Schranke genannt, ist eine physiologische Barriere zwischen dem Zentralnervensystem und dem Blutkreislauf. Sie dient dazu, die Milieubedingungen (Homöostase) im Gehirn aufrecht zu erhalten und sie von denen des Blutes abzugrenzen. Durch den speziellen Aufbau der Gefäßwand der Blutgefäße im Gehirn können fast keine polaren Substanzen durch die Zellzwischenräume auf dem Weg des parazellulären Transports aus dem Blut in das Hirngewebe eindringen. Dies dient dem Schutz des Gehirns vor im Blut zirkulierenden Krankheitserregern und Toxinen, schwankenden Bedingungen und Botenmolekülen des Blutes. Substanzen wie Alkohol, Nikotin, LSD, MDMA, Heroin, Narkosegase usw. können diese Schranke überwinden, weil sie fettlöslich sind. Wasserlösliche Stoffe müssen über die Transportsysteme der Endothelzellen in das Gehirn geschleust werden.

Die Blut-Hirn-Schranke kann bei Entzündungen, Durchblutungsstörungen und verschiedenen Erkrankungen gestört oder geschädigt werden.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau

Die Zellen, die die Blutgefäße aufbauen, werden als Endothelzellen bezeichnet. Normalerweise sind kleine Blutgefäße (Kapillaren) fenestriert (gefenstert), sodass ein Stoffaustausch für Nährstoffe stattfinden kann. Ausnahmen finden sich in der Niere und im ZNS, wo die Endothelzellen besonders abgedichtet sind. Diese Abdichtung, die in den Blutgefäßen des Gehirns Blut-Hirn-Schranke genannt wird, wird durch die Tight junctions (Zonulae occludentes) der Blutgefäße gebildet. Tight junctions sind aus Proteinen aufgebaut, die mit den gleichen Proteinen der Nachbarzelle eine sehr dichte Verbindung eingehen.

Die Endothelzellen haben damit großenteils unter Kontrolle, welche Substanzen auf dem parazellulären Weg in das Gehirn eindringen können, und welche nicht.

Die Ausbildung der Tight junctions (Zonulae occludentes) wird durch eine spezielle Gliazellart, die Astrozyten, induziert, die mit ihren Fortsätzen die Endothelzellen umgeben (Membrana gliae limitans perivascularis) und diese somit zur Ausbildung der Verschlusskontakte anregen.

Geschichte

Die Existenz einer solchen Barriere wurde zum ersten Mal im späten 19. Jahrhundert von dem Bakteriologen Paul Ehrlich bemerkt. Er experimentierte mit Farbstoffen, vor allem Aniline, die er in den Blutkreislauf von Ratten injizierte. Diese Farbstoffe färbten alle Organe mit Ausnahme des Gehirns ein.

1913 injizierte Ehrlichs Schüler Edwin Goldmann den Farbstoff direkt in das Rückenmark und fand heraus, dass in diesem Fall das Gehirn durchaus eingefärbt wurde, der Rest des Körpers jedoch Farbstoff-frei blieb. Dadurch wurde klar gezeigt, dass eine Barriere zwischen dem Blutkreislauf und dem Nervensystem existiert. Die dafür verantwortlichen Strukturen wurden in den Blutgefäßen vermutet, konnten jedoch nicht gefunden werden. Erst mit der Etablierung der Elektronenmikroskopie in den 1960er-Jahren konnten diese Strukturen, die Tight junctions, visualisiert werden.

Assoziierte Krankheiten

Die Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke kann im Rahmen bestimmter Krankheiten im Bereich des Hirns oder Rückenmarks, besonders Infektionen, Entzündungen und Tumoren, gestört werden. Außerdem ist zu beachten, dass die Blut-Hirn-Schranke bei Neugeborenen noch recht durchlässig ist und sich erst im Verlauf der Entwicklung voll ausbildet.

Bei der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose wird bei einem Schub partiell die Blut-Hirn-Schranke im Gehirn oder entlang des Rückenmarks durchlässig, T-Lymphozyten können sie passieren und greifen die Myelinscheiden an, die die Erregungsweiterleitung durch die Nervenfasern ermöglichen.

Das Bakterium Vibrio cholerae greift Proteine der Blut-Hirn-Schranke an, was zu einer Öffnung der Barriere und anschließenden Entzündung des Gehirns führen kann.

Beim Collie und mit ihm verwandten Hunderassen schließlich führt ein Gendefekt (MDR1-Defekt) dazu, dass die Blut-Hirn-Schranke z. B. für Wirkstoffe bestimmter Medikamente durchlässig wird, so dass es auch zu Todesfällen kommen kann.

Auch der Erreger der Borreliose, Borrelia burgdorferi, der durch Zeckenbiss übertragen wird, kann die Blut-Hirn-Schranke überwinden, was einen Befall des Nervensystems zur Folge hat und schwerste Schäden verursacht. Dies führt, wenn nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, zum Tod.

Auch bei verschiedenen bösartigen Hirntumoren (z.B. Gliome) verlieren die Hirnendothelzellen ihre Barrierefunktion und zeigen plötzlich Fenestrierungen.

Für die Diagnose einer gestörten Blut-Hirn-Schranke ist eine Liquorpunktion nötig. Die Konzentration eines Proteins, das nicht im Hirn gebildet wird (z. B. Albumin), wird bestimmt und mit der gleichzeitig bestimmten Konzentration im Blut verglichen (Liquor-Serum-Paar). Überschreitet das Verhältnis dieser beiden Werte eine gewisse Größe, liegt also Albumin in einer höheren Konzentration als üblich im Hirn vor, muss von einer Störung der Blut-Hirn-Schranke ausgegangen werden. Oft wird im Rahmen eines Reiber-Diagramms gleichzeitig die Antikörperproduktion im Hirn bestimmt.

Wichtig

Die Blut-Hirn-Schranke ist nicht mit der Blut-Liquor-Schranke identisch.

Siehe auch

Schranke (Begriffsklärung)

 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Blut-Hirn-Schranke aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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