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Atavismus



Als Atavismus (von lat.: atavus = Vorfahre, Urahne; in älteren Lehrbüchern als "Rückschlag" bezeichnet) wird ein Rückfall in überholte Verhaltensweisen oder das Auftreten von anatomischen Merkmalen bei Organismen bezeichnet, die eigentlich für ihre Urahnen typisch waren.

Anatomischer Atavismus

Auf der gegenwärtigen Entwicklungsstufe besitzen diese anatomischen Merkmale keine weitere Funktion und sind seit Generationen geschwunden. Beispiele hierfür sind: Halsfisteln beim Menschen als Überbleibsel der während der Embryonalentwicklung angelegten Kiemenbogen, ausgeprägtes herausgewachsenes Steißbein, Hornzipfel, zusätzliche Brustwarzen entlang der Milchleiste (Polythelie und Polymastie), starke Körperbehaarung (Lanugohaar), die Nickhaut am Auge, Schwimmhäute, zusätzliche Finger und Zehen, Fortbewegen nur auf allen Vieren und der sog. Darwin-Ohrhöcker.

Atavismen kommen nicht nur beim Menschen vor. Alle Organismen können mehr oder weniger ausgeprägte Anomalien einer früheren Entwicklungsstufe aufweisen.

Bei Pferden kommt es so hin und wieder zur Bildung überzähliger Zehen (Griffelbein), bei Rindern von drei statt üblicherweise zwei Klauen sowie bei Meeressäugetieren wie Walen und Delphinen kommt es zur Bildung von Extremitäten, die den Beinen von Landtieren ähneln.

Weniger bekannt sind Atavismen bei Pflanzen, doch wurden solche bereits im 19. Jht. erforscht (vgl. Ettingshausen und Krasan, Beiträge zur Erforschung der atavistischen Formen an lebenden Pflanzen und ihrer Beziehungen zu den Arten ihrer Gattung, Wien, K.& K. Hof- und Staatsdruckerei, 1889). Dazu gehört auch die Pelorienbildung bei Blütenpflanzen.

Grundsätzlich sollten atavistische Formen auch bei Bakterien, Pilzen und Protisten auftreten. Allerdings sind sie aufgrund der starken Variabilität dieser Organismenformen und teilweise nicht vollständig geklärter Abstammungsverhältnisse schwieriger eindeutig zu identifizieren und von Neubildungen zu unterscheiden.

Nach der Rekapitulationstheorie von Ernst Haeckel rekapituliert die Ontogenese (= Entwicklung eines Individuums) die Phylogenese (= Stammesentwicklung). Dies bedeutet, dass Lebewesen in ihrer Keimesentwicklung vom befruchteten Ei an zeitlich verkürzt und unvollständig die Schritte der Stammesentwicklung – beispielsweise von der Qualle (entspricht Blastozyste) über den Fisch (Kiemenbogen), die Reptilien (Schwanzwirbelsäule) und über die Primaten (Lanugofell) bis zum Menschen – durchlaufen. Bei Störungen der Ontogenese bei einer speziellen Entwicklungsstufe kommt es so zur Ausprägung eines typischen atavistischen Merkmals.

  • Aussenansicht, Röntgenaufnahme und englische Erläuterung dreier Fälle des menschlichen Schwanzes (PDF, englisch)
  • Verschiedene photographische Darstellungen überzähliger (akzessorischer) Brustwarzen und entsprechenden Gewebes entlang der Milchleiste bei Mann und Frau

Illustration von Atavismus bei Tieren

  • Foto eines dritten Hufes bei einem Rind
  • Atavismus und Rudimente

Illustration von Atavismus bei Pflanzen

  • Illustration des Atavismus der Pelorienbildung bei Blüten
 
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Atavismus aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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