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Arzneimittelzulassung



Die Arzneimittelzulassung ist eine hoheitliche, nationale Aufgabe der staatlichen Gefahrenabwehr und Daseinsvorsorge, da von der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von (zugelassenen) Arzneimitteln unmittelbar die Gesundheit der Bevölkerung abhängt.

Inhaltsverzeichnis

Zulassungspflicht

Entsprechend den einschlägigen Arzneimittelgesetzen dürfen Fertigarzneimittel nur in den Verkehr gebracht werden, nachdem sie die zuständige Arzneimittelbehörde zugelassen hat. Diese dem nationalen Gesundheitsministerium unterstellte Fachbehörde prüft dabei genauestens, ob die vom Antragsteller, in der Regel ein Pharmaunternehmen, eingereichten Unterlagen die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels für die angestrebte Indikation hinreichend belegen. Eine Arzneimittelzulassung wird immer nur für eine bestimmte Indikation erteilt. Die Anwendung eines zugelassenen Arzneimittels außerhalb der genehmigten Indikation wird als Off-Label-Use bezeichnet.

In der Europäischen Union können homöopatische Arzneimittel und traditionelle pflanzliche Arzneimittel nach einem vereinfachten Registrierungsverfahren, bei dem lediglich Qualität und Unbedenklichkeit nachgewiesen werden müssen, in den Verkehr gebracht werden; in diesem Fall darf für das Arzneimittel keine Indikation angegeben werden. Analog dazu sieht die Schweiz für Arzneimittel der Komplementärmedizin ein vereinfachtes Zulassungsverfahren vor. Nicht zulassungspflichtig sind in Apotheken hergestellte Rezeptur- und Defekturarzneimittel sowie Prüfpräparate für klinische Studien. Unter bestimmten Bedingungen können (noch) nicht zugelassene Arzneimittel den Patienten im Rahmen des Compassionate Use zur Verfügung gestellt werden.

Voraussetzung zur Zulassung

Erforderliche Studien und Zulassungsunterlagen

Der Antragsteller muss mit dem Zulassungsantrag ein umfangreiches Dossier zum Arzneimittel einreichen. Diese benötigten Unterlagen im Common Technical Document-Format (CTD) umfassen in fünf Modulen neben Zusammenfassungen (CTD Modul 2) einen Qualitätsteil (CTD Modul 3), der beschreibt, wie das Arzneimittel in hinreichender pharmazeutischer Qualität hergestellt werden kann und wie dieses analysiert und nachgewiesen wird, ferner die vorgeschriebenen toxikologischen (CTD Modul 4) sowie klinischen Studien (CTD Modul 5) aus der Pharmaforschung. Bei den Unterlagen zur Qualität und Unbedenklichkeit wird von der Behörde geprüft, ob die Herstellung, Qualitätskontrolle und nichtklinische Prüfung nach den vorgeschriebenen Arzneimittelprüfrichtlinien und den empfohlenen internationalen Leitlinien durchgeführt wurden. Bei der Wirksamkeit muss der Antragsteller nachweisen, dass eine angemessene Wirksamkeit des Arzneimittels in der angestrebten Indikation durch die vorgelegten Daten aus den klinischen Studien hinreichend belegt ist.

Nutzen-Risiko-Verhältnis

Von zentraler Bedeutung für die Entscheidung über die Zulassung ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis bei der Anwendung des Arzneimittels, also das Verhältnis der Wirksamkeit bei der Behandlung und den auftretenden Nebenwirkungen. Für dieses Verhältnis gibt es keinen allgemein anerkannten Maßstab; dies erfordert immer einen Einzelentscheid. Für die arzneimittelrechtliche Zulassung ist der Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit hinreichend, eine Überlegenheit gegenüber anderen Arzneimitteln wird nicht gefordert.

In jüngster Zeit wurden in vielen Ländern weitere Beurteilungsverfahren zur Nutzenbewertung oder zur Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln eingeführt, beispielsweise in Deutschland durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) oder im Vereinigten Königreich durch das National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE). Diese Beurteilungsverfahren sind nicht Teil der Arzneimittelzulassung. Sie dienen der Beurteilung der Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln durch gesetzliche Krankenkassen.

Inspektionen

Die Arzneimittelbehörde beschränkt sich im Zulassungsprozess nicht auf die Prüfung der eingereichten Unterlagen; es werden auch wesentliche Angaben zur Herstellungsqualität im Sinne der Good Manufacturing Practice (GMP), zur Durchführung der nichtklinischen Prüfungen entsprechend der Good Laboratory Practice (GLP) und zur Durchführung der klinischen Prüfungen entsprechend der Good Clinical Practice (GCP) durch Inspektionen beim Antragsteller vor Ort überprüft. Bei Bedarf können Proben des Arzneimittels auch in amtlichen Arzneimittelkontrolllaboren auf seine Zusammensetzung und Reinheit geprüft werden. Der Schwerpunkt der Zulassungsverfahren ist aber die Prüfung der vom Antragsteller vorgelegten Dokumente.

Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels

Im Verlauf des Zulassungsverfahrens werden die wesentlichen, durch Studienergebnisse belegten und zwischen Antragsteller und Zulassungsbehörde im Wortlaut vereinbarten Informationen zum Arzneimittel in der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels zusammengefasst. Dieses wichtige Dokument enthält alle wesentlichen Informationen wie Indikation, Kontraindikation, Dosierung, Wechselwirkungen und Nebenwirkungen und kann auch nach der Zulassung nur mit Genehmigung der Behörde geändert werden.

Zulassungsverfahren

Europäische Union

Siehe auch: Arzneimittelzulassung (EU)

Im Zuge der Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes wurden 1995 vereinheitlichte Verfahren zur EU-Zulassung eingeführt, so dass nicht mehr in jedem EU-Land unterschiedliche bürokratische Hürden überwunden werden müssen. Die Rechtsgrundlage dafür sind die Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel sowie die Richtlinie 2001/82/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel in der jeweils aktuellen Fassung.

Zentralisiertes Verfahren

Das wichtigste Verfahren für innovative Arzneimittel ist das Zentralisierte Verfahren.[1] Bei diesem Verfahren, das nach der Verordnung 726/2004/EG für biotechnologisch hergestellte Arzneimittel, monoklonale Antikörper, Humanarzneimittel mit neuen Wirkstoffen zur Behandlung von Aids, Diabetes mellitus, Krebs oder neurodegenerativen Erkrankungen, Orphan-Arzneimittel zur Behandlung von seltenen Krankheiten sowie Tierarzneimittel zur Leistungssteigerung vorgeschrieben ist, muss der Zulassungsantrag bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) eingereicht werden. Für eine Reihe weiterer Arzneimittel ist der Zugang zu diesem Verfahren fakultativ möglich.

Das Beurteilungsverfahren für den Zulassungsantrag wird von den wissenschaftlichen Ausschüssen der EMEA durchgeführt; in diese Ausschüsse werden von den Mitgliedsstaaten hochrangige Vertreter der nationalen Arzneimittelbehörden entsandt. Ein aus dem zuständigen wissenschaftlichen Ausschuss der EMEA ausgewählter Berichterstatter und ein Mitberichterstatter erstellen mit Experten aus den nationalen Arzneimittelbehörden einen Beurteilungsbericht für das Arzneimittel, der nach spätestens 210 Tagen vom zuständigen wissenschaftlichen Ausschuss der EMEA verabschiedet wird. Auf der Grundlage dieses Gutachtens erteilt die Europäische Kommission nach Konsultierung der Mitgliedsstaaten im Ständigen Ausschuss innerhalb von 67 Tagen die Zulassung für die gesamte Europäische Union. Im zentralisierten Verfahren arbeiten somit nationale und europäische Institutionen eng zusammen. Die erteilte EU-Zulassung wird regelmäßig im Europäischen Wirtschaftsraum übernommen.

Von 1995 bis September 2007 wurden im zentralisierten Verfahren zirka 400 Humanarzneimittel und 75 Tierarzneimittel zugelassen. Für jedes neu zugelassene Arzneimittel wird ein ausführlicher Europäischer Öffentlicher Beurteilungsbericht (EPAR) veröffentlicht.[2]

Nicht zentralisierte Verfahren

Bei dem Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und dem ähnlichen Dezentralisierten Verfahren wird ein Zulassungsantrag von der Behörde eines Mitgliedstaates (Referenzmitgliedstaat) geprüft und ein Beurteilungsbericht erstellt.[3] In einem koordinierten Prozess erkennen dann die Behörden der anderen betroffenen Mitgliedstaaten diese Beurteilung an. Der Antragsteller kann dabei auswählen, für welche Mitgliedstaaten der EU und des EWR er die Zulassung beantragen will.

Beim Verfahren der gegenseitigen Anerkennung wird erst in einem Land der Wahl eine nationale Zulassung beantragt und erteilt, bevor dann in den anderen Staaten identische Anträge eingereicht werden und das Anerkennungsverfahren in Gang gesetzt wird. Im 2005 eingeführten Dezentralisierten Verfahren darf noch keine nationale Zulassung in der EU vorliegen; hier werden identische Anträge gleichzeitig in allen Staaten eingereicht und ein Staat als Referenzmitgliedstaat ausgewählt.

Wenn einzelne Mitgliedstaaten die Beurteilung des Referenzmitgliedstaates wegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Gesundheit ablehnen, müssen alle beteiligten Staaten sich in einer Koordinierungsgruppe bemühen, eine Einigung über die zu treffenden Maßnahmen zu erzielen. Können sich die Behörden in der Koordinierungsgruppe nicht einigen, dann kommt es zu einem Schiedsverfahren im wissenschaftlichen Ausschuss der EMEA. Auf der Grundlage der Beurteilung durch den wissenschaftlichen Ausschuss fällt die Europäische Kommission im Schiedsverfahren nach Konsultierung der Mitgliedstaaten im Ständigen Ausschuss eine endgültige Entscheidung.

Die Zulassung wird in den nicht zentralisierten Verfahren in jedem Fall von den nationalen Behörden erteilt.

Jährlich werden mehrere hundert nicht zentralisierte Verfahren durchgeführt; darunter sind ein großer Teil Generika.[4]

Nationale Verfahren

Bis 1995 waren Nationale Verfahren die einzige Möglichkeit, ein Arzneimittel in der EU zuzulassen. Diese nationalen Verfahren haben durch die europäischen Verfahren viel an Bedeutung verloren. Es sind aber viele Arzneimittel auf dem Markt, die über nationale Verfahren zugelassen wurden. Heute ist eine rein nationale Zulassung nur in einem Mitgliedsland möglich; nationale Zulassungsanträge in mehr als einem Mitgliedsland sind nicht mehr zulässig. Üblicherweise ist solch eine nationale Zulassung dann der Einstieg in das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung. In Deutschland sind das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für 'normale' Arzneimittel, das Paul-Ehrlich-Institut für Blutprodukte und Impfstoffe sowie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit für Tierarzneimittel zuständig. In Österreich werden Arzneimittel durch die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit Bereich PharmMed (AGES PharmMed) zugelassen und überwacht.

Schweiz

Da die Schweiz weder Mitglied der Europäischen Union noch des Europäischen Wirtschaftsraumes ist, führt die Schweiz sämtliche Arzneimittelzulassungen autonom durch. Die Rechtsgrundlage ist das Heilmittelgesetz, das neben Arzneimitteln auch Medizinprodukte regelt. Details zur Zulassung finden sich in der Arzneimittel-Zulassungsverordnung. Die für die Zulassung und Arzneimittelüberwachung zuständige Einrichtung ist die Swissmedic. Die interne Bearbeitungsfrist für Zulassungsgesuche liegt bei 200 Tagen, für Gesuche im beschleunigten Verfahren bei 130 Tagen. Für bestimmte Arzneimittel, darunter solche mit bekannten Wirkstoffen, Arzneimitteln der Komplementärmedizin, Spitalpräparate und Arzneimittel gegen seltene oder lebensbedrohende Krankheiten gibt es ein vereinfachtes Zulassungsverfahren.

USA

In den USA ist die Arzneimittelzulassung ein Prozess, der deutlich früher einsetzt als in Europa.[5] Im Prinzip beginnt das Verfahren in den USA bereits mit dem Antrag auf Genehmigung der ersten klinischen Studie (Investigative New Drug application, IND). Dort werden im Gegensatz zum Genehmigungsverfahren für klinische Studien in Europa nicht nur Zusammenfassungen sondern vollständige Studienberichte eingereicht, die dann im Verlauf der klinischen Entwicklung in einer rollierenden Einreichung laufend ergänzt werden können (rolling submission). Dann liegen beim eigentlichen Zulassungsantrag, der New Drug Application, NDA, viele Unterlagen bereits bewertet von. Sobald die NDA von der Food and Drug Administration als vollständig und den formalen Anforderungen entsprechend akzeptiert ist, wird der Antrag innerhalb einer festgesetzten Frist von der FDA geprüft. Nach Anhörung einer Expertenkommission und des Pharmaunternehmens entscheidet die FDA, ob das Arzneimittel zugelassen wird, ob der Antrag zulässig ist (approvable), was bedeutet, dass die FDA sich bereiterklärt, das Arzneimittel unter bestimmten, vom Antragsteller zu erfüllenden Bedingungen zuzulassen, oder ob der Antrag abgelehnt wird (not approvable).

Auch wenn die eingereichten Unterlagen oft praktisch identisch sind, unterscheiden sich die Zulassungsprozeduren der FDA deutlich von denen in Europa. Beispielsweise sind bestimmte Konferenzen zwischen dem Antragsteller und der FDA vorgeschrieben, insbesondere die end-of-Phase II meetings, in denen die FDA nicht nur die Genehmigung für die Phase III-Studien erteilt, sondern auch mit dem Antragsteller detailliert vereinbart, wie die klinischen Phase III Studien durchgeführt werden sollen und unter welchen Umständen die Ergebnisse als signifikanter Wirksamkeitsnachweis anerkannt werden. Ferner besteht die FDA darauf, sämtliche Daten aus den klinischen Studien in computerlesbaren Dateien (traditionell SAS, neuerdings auch CDISC) zu erhalten, um eigene statistische Auswertungen durchführen zu können.

Besondere Verfahren und Kategorien

Besondere Verfahren zur schnelleren Zulassung

Die Arzneimittelentwicklung und Zulassung sind ein langwieriger, mehrjähriger Prozess. Um den Zugang zu hoch innovativen, möglicherweise lebensrettenden Arzneimitteln nicht unnötig zu verzögern, wurden in der Europäischen Union und den USA besondere Verfahren eingeführt, die in Ausnahmefällen die Zulassung beschleunigen sollen.

Das beschleunigte Beurteilungsverfahren im zentralisierten Verfahren der EU und das Priority Review-Verfahren bei der FDA haben deutlich verkürzte Bearbeitungszeiten gegenüber den regulären Verfahren. Dies kann die Zulassung um mehrere Monate beschleunigen; in der EU reduziert sich die Bearbeitungszeit im wissenschaftlichen Ausschuss von 210 auf 150 Tage. Die Behörden prüfen im Einzelfall, ob ein Antrag in diesem Verfahren bearbeitet wird. In den USA werden jährlich zirka 10-15 Arzneimittel im Priority Review bearbeitet und zugelassen[6], in der EU wurde mit Eculizumab im Sommer 2007 das erste Arzneimittel im beschleunigten Verfahren zugelassen.

Die bedingte Zulassung im zentralisierten Verfahren der EU auf der Grundlage der Verordnung 507/2006/EG und das conditional approval bei der FDA dagegen ermöglichen es im Einzelfall, insbesondere bei lebensbedrohenden Krankheiten, ein Arzneimittel noch vor Abschluss der vollständigen klinischen Prüfung auf den Markt zu bringen. Das Pharmaunternehmen verpflichtet sich in dem Fall, von der Behörde festgelegte Bedingungen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zu erfüllen, beispielsweise vollständige Phase III Daten nachzuliefern; die so zugelassenen Arzneimittel werden von der Behörde jährlich neu beurteilt, bis eine reguläre Zulassung erteilt wird. Auch dieses Verfahren ist nur nach einer Einzelfallprüfung möglich.

Orphan-Arzneimittel

Orphan-Arzneimittel sind Arzneimittel, die zur Behandlung, Prävention oder Diagnose einer seltenen Krankheit eingesetzt werden. Seltene Krankheiten in diesem Sinne betreffen in der EU weniger als 5 von 10.000 Personen. In der EU müssen Orphan-Arzneimittel im zentralisierten Verfahren zugelassen werden; der Status "Orphan-Arzneimittel" wird von der Europäischen Kommission nach einer Empfehlung des Ausschusses für Orphan-Arzneimittel (COMP) der EMEA vergeben. Dies ist bis September 2007 für 500 Arzneimittel geschehen; von diesen sind bisher 36 zugelassen worden. Pharmaunternehmen erhalten für Orphan-Arzneimittel von der EMEA Unterstützung bei der Planung der erforderlichen Studien, ferner Vergünstigungen bei den Zulassungs- und Inspektionsgebühren und eine zehnjährige Marktexklusivität.[7]

Generika

Generika sind im Wesentlichen gleichende Arzneimittel, die den selben Arzneistoff in der selben Dosis und Arzneiform enthalten wie ein nicht mehr patentgeschütztes Referenzarzneimittel. Für diese Arzneimittel gelten vereinfachte Bedingungen zur Zulassung. Dazu muss die Herstellung und pharmazeutische Qualität dokumentiert sowie die Bioverfügbarkeit und Bioäquivalenz zu dem Originalarzneimittel belegt werden. Für die restlichen nichtklinischen und klinischen Daten kann der Antragsteller auf die Daten zum Referenzarzneimittel verweisen. Dies ist in der EU allerdings unabhängig vom Patentschutz erst acht Jahre nach Zulassung des Referenzarzneimittels möglich, die Zulassung selbst wird erst zehn Jahre nach Erteilung der Erstgenehmigung erteilt. Für Biogenerika gelten besondere Bedingungen.

Verfahren nach erteilter Zulassung

Die Erteilung einer Zulassung ist zwar ein entscheidender Schritt, damit sind aber die regulatorischen Aktivitäten keineswegs beendet. Die Zulassungsunterlagen müssen kontinuierlich aktualisiert werden, und die Anwendung eines Arzneimittels muss ständig überwacht werden. Bei neuen Arzneimitteln wird die Zulassung nur für eine beschränkte Zeitspanne erteilt; nach Ablauf dieser Frist muss die Zulassung erneuert werden.

Änderungsanzeigen

Das pharmazeutische Unternehmen hat gegenüber den zuständigen Behörden eine Anzeigepflicht für sämtliche Änderungen, die die erteilte Zulassung betreffen. Je nach Trageweite der Änderungen müssen diese teils von der Behörde genehmigt werden. Einfache, nur anzeigepflichtige Änderungen sind beispielsweise administrative Änderungen beim Hersteller oder kleinere Änderungen im Herstellungsprozess. Zustimmungspflichtig sind beispielsweise Änderungen der Dosis, der Arzneiform oder der Applikationsform. Auch jede Änderung an der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels bedarf einer Genehmigung.

Wenn die Zulassung eines Arzneimittels auf eine weitere Indikation ausgeweitet werden soll, erfordert dies einen eigenen, vollständigen Zulassungsantrag.

Pharmakovigilanz

Hauptartikel: Pharmakovigilanz

Das pharmazeutische Unternehmen ist verpflichtet, auch nach erteilter Zulassung Erkenntnisse zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu sammeln und auszuwerten. Der Aufsichtsbehörde ist darüber in vorgegebenen Abständen Bericht zu erstatten, bei schweren, unerwarteten Fällen von Nebenwirkungen auch innerhalb kurzer Fristen. Die fortlaufende Überwachung ist deshalb so wichtig, weil es in klinischen Studien mit nur wenigen Tausend Patienten nicht möglich ist, seltene oder sehr seltene Nebenwirkungen zu erkennen. Auch sehr spät auftretende Nebenwirkungen lassen sich in den Zulassungsstudien nur schwer erfassen.

Neue Erkenntnisse können zur Einschränkung der Zulassung führen, beispielsweise durch eine Änderung der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels. Ergeben sich während der Anwendung eines Arzneimittels Erkenntnisse zu schwerwiegenden Nebenwirkung, die das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig werden lassen, kann eine Zulassung auch vollständig widerrufen werden.

Auch im Bereich der Pharmakovigilanz prüfen die Arzneimittelbehörden durch Inspektionen bei den Pharmaunternehmen, ob die vorgeschriebenen Überwachungsmaßnahmen korrekt umgesetzt werden.

Internationale Harmonisierung der Zulassung

Seit 1990 wurden im Rahmen der International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use (ICH) wesentliche Arzneimittelprüfrichtlinien und Zulassungsanforderungen zwischen der Europäischen Union, den USA und Japan harmonisiert. Ziel der Harmonisierung war es, dass nichtklinische und klinische Studien aus einer Region in den anderen Regionen anerkannt werden, sodass eine mehrfache Durchführung entfällt. Die einzelnen Behörden sind aber in ihrer Beurteilung der Zulassungsanträge unabhängig, somit kommt es immer wieder vor, dass bestimmte Arzneimittel nicht in allen Regionen zugelassen sind.

Ebenfalls im Rahmen der ICH harmonisiert wurde das Common Technical Document (CTD), das Einreichungsformat, in dem die Zulassungsunterlagen in Europa, Nordamerika und Japan bei der Behörde eingereicht werden müssen. Viele Antragsteller reichen ihre Dossiers inzwischen elektronisch in Form eines eCTD ein. Ziel bei der Einführung des CTD war es, dass in den verschiedenen Regionen weitgehend identische Dossiers eingereicht werden können.

Verschiedene Bestrebungen, auch Arzneimittelzulassungen international gegenseitig anzuerkennen, führten bisher nur zu Teilerfolgen. Mutual Recognition Agreements zur gegenseitigen Anerkennung von Inspektionen zur Good Manufacturing Practice wurden zwischen der Europäischen Union, Australien, Japan, Kanada, Neuseeland, der Schweiz und den USA geschlossen. Das Abkommen mit den USA wurde bisher nicht umgesetzt, das mit Japan nur teilweise[8].

Geschichte der Arzneimittelzulassung

Nur wenige Länder hatten schon in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts Marktzulassungsverfahren für Arzneimittel, darunter Frankreich, Schweden, Norwegen und vor allem die USA. In den USA wurde eine Zulassung von neuen Arzneimitteln bereits durch den Federal Food, Drug and Cosmetic Act von 1938 zur Pflicht. Allerdings beschränkten sich die Zulassungskriterien damals auf die pharmazeutische Qualität und Unbedenklichkeit; ein Arzneimittel galt damals als zugelassen, wenn die zuständige Behörde, die Food and Drug Administration (FDA) nicht innerhalb einer bestimmten Frist widersprach.

Das Wirksamkeitskriterium und die heutige Zulassungsprozedur wurden in den USA erst 1962 durch das Kefauver-Harris Drug Amendment eingeführt, das zeitgleich mit der Aufdeckung des Contergan-Skandals beraten wurde. Die damaligen Ereignisse haben den Gesetzgebungsprozess nachhaltig beeinflusst; aus dem ursprünglichen Gesetzgebungsverfahren im Kongress gegen zu hohe Arzneimittelpreise und unlautere Arzneimittelwerbung wurde so ein Gesetz zum Verbraucherschutz. Die damals in den USA entwickelten restriktiven Zulassungskriterien wurden in den folgenden Jahren von vielen anderen Ländern übernommen.

Ebenfalls als Konsequenz des Contergan-Skandals wurde in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1965 die Richtlinie 65/65/EWG verabschiedet, die erstmals eine Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln vorsah und einen Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit forderte. Die Umsetzung dieser Richtlinie, der in den folgenden Jahren weitere folgten, in nationales Recht war aber ein langwieriger Prozess, der in der Bundesrepublik Deutschland erst mit dem Inkrafttreten des zweiten Arzneimittelgesetzes von 1976 seinen Abschluss fand. Erst 1975 wurde im damaligen Bundesgesundheitsamt ein Institut für Arzneimittel für die Arzneimittelzulassung gegründet, nach Auflösung des Bundesgesundheitsamtes 1994 wurde daraus das heutige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Kritik am Zulassungsverfahren in Europa und USA

  • Die klinischen Studien zur Erreichung einer Arzneimittelzulassung seien nicht umfassend genug; zum Beispiel:
    • Paul Dieppe (University of Bristol):[9] Bevorzugt würden Patienten aufgenommen, bei denen seltener mit Nebenwirkungen zu rechnen sei. Patienten mit einem erhöhten Risiko von Nebenwirkungen, ältere Patienten und Angehörige von ethnischen Minderheiten beispielsweise würden häufig ausgeschlossen.
    • Janet Darbyshire (University of Liverpool):[10] Die Behandlungsdauer sei meist zu kurz, um seltene und spät eintretende Nebenwirkungen zu erkennen. Etwa 20 Prozent der Medikamente in den USA erhielten daher in den 25 Jahren nach der Zulassung Warnmeldungen oder würden ganz vom Markt genommen, in Großbritannien wären vier Prozent von letzterem betroffen.
    • Aus statistischen und GCP-Gründen würde ein Einschluss der angeführten Randgruppen die Kosten für die Zulassungsstudien exponentiell steigen lassen. Die Kosten für Arzneimittelinnovationen stellen aber die Ursache für steigende Arzneimittelpreise dar. (Siehe auch Gesundheitspolitik)
  • Das Verfahren dauere zu lange und sei zu teuer
    • Durch die aufwändigen Studien der Pharmaforschung verzögere sich die Verfügbarkeit von lebensrettenden Arzneimitteln. Für seltenere Leiden werde kaum geforscht. Da die Studien sowieso nicht alle Risiken finden können, sollten die Forschungshemmisse vermindert und die Markteintrittshürde verringert werden. Als Ausgleich sei die Beobachtung nach der Zulassung zu verstärken. (Pharmaindustrie, Patientenverbände, Forschungsinstitutionen)
      • Als Reaktion auf diese Kritik wurde ein besonderes Verfahren für „seltene Leiden“ etabliert. Es wurde bisher häufig in Anspruch genommen. Die Definition für „seltene Leiden“ im Sinne dieser Verfahren ist außerordenlich restriktiv.
      • Kritik an dieser Art der Kritik führt an, dass Forschungsinstitutionen wie die pharmazeutische Industrie selbst parteiisch im Sinne „erleichterter“ Forschung und schnellerer Zulassung seien, und dass Patientenverbände sich teils allzu leichtfertig aus Verzweiflung an schweren Krankheiten auf Kosten ihrer Sicherheit (und derjenigen anderer) zum Sprachrohr der Pharmaindustrie machten, wenn sie allgemein beschleunigte Zulassungen und reduzierte kontrollierte klinische Testreihen fordern; es stünde bereits heute den Kranken frei, sich für bestehende klinische Testungen freiwillig anzubieten, ohne die Gesamtsicherheit aller potentiellen Konsumenten mit Absenkung der allgemeinen Standards zu gefährden (vergleiche Kritik wegen fehlender Umfassendheit). Seltene Leiden würden auch durch die Forschung erleichternde Zulassungsverfahren schon deswegen kaum mehr erforscht, da sie weiterhin selten blieben und für die profitorientierte Industrie nach wie vor kein größerer Vorteil erwachse - sie könne sich im Gegenteil noch mehr auf die nun vereinfacht zu erforschenden Volkskrankheiten konzentrieren.

Siehe auch

Quellen

  1. Eudralex Vol. 2: Kapitel 4 - Centralised Procedure (englisch)
  2. Europäische Öffentliche Beurteilungsberichte (EPAR)
  3. Eudralex Vol. 2: Kapitel 2 - Mutual Recognition (englisch)
  4. Statistiken zu nicht zentralisierten Zulassungsverfahren bei den "Heads of Medicines Agencies"
  5. Webseiten der FDA zu Zulassungsverfahren
  6. Zulassungen neuer Moleküle durch FDA 2006
  7. EMEA zu Orphan-Arzneimitteln (englisch)
  8. EU-Kommission zu Mutual Recognition Agreements]
  9. Dieppe et al. BMJ 2004;329;31-34
  10. Pirmohamed and Darbyshire BMJ 2004;329;6-7
 
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