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Antibiotikum-ResistenzUnter dem Begriff Antibiotika-Resistenz werden Eigenschaften von Mikroorganismen (Bakterien, Protozoen, Pilze) zusammengefasst, die es ihnen ermöglichen die Wirkung von antibiotisch aktiven Substanzen abzuschwächen oder ganz zu neutralisieren. Resistenz gegen Antibiotika tritt meist in Kombination oder als Anpassung an extreme Umweltbedingungen auf. So sind Streptomyceten als bodenbewohnende Bakterien nicht nur resistent gegen viele Umwelttoxine sondern auch gegen praktisch alle aktuell eingesetzten antibiotischen Wirkstoffe.[1] Antibiotikaproduzenten wie Streptomyceten besitzen in den meisten Fällen Resistenzen gegen die von ihnen selbst erzeugten Stoffe.
Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
EntstehungDiese Mikroorganismen besitzen eine sehr kurze Generationszeit, ihre Biomasse verdoppelt sich unter günstigen Bedingungen schon innerhalb von 20-30 Minuten. Vorteilhafte Mutationen können so relativ schnell entstehen. Verstärkt wird diese Tendenz durch eine Reihe von „mobilen Elementen“. Das sind DNA-Abschnitte, die im (Bakterien)-Chromosom oder außerhalb davon als Plasmide, Integrons, Transposons vorkommen. Sie übertragen "Resistenzkassetten" selbst zwischen phylogenetisch sehr weit entfernten Arten.[2] Gegen manche Antibiotika bilden sich schneller Resistenzen als gegen andere. So bilden sich z.B. gegen Makrolide schnell Resistenzen, weil sie nur ein bestimmtes Enzym (die Translokase) hemmen (Einschritt-Resistenzmuster). Ist die Translokase mutiert, wirken sie unter Umständen nicht mehr. Deshalb gibt es gegen Makrolide bereits zunehmend Resistenzen, obwohl sie erst in den 90er Jahren entwickelt wurden. Dagegen greift Penicillin an sechs verschiedenen sogenannten Penicillin-Binding-Proteins an. Es wird heute noch für viele Indikationen verwendet, obwohl es schon seit Jahrzehnten existiert. Bisweilen setzt man Kombinationen von Antibiotika ein, um die Entwicklung von Resistenzen unwahrscheinlicher zu machen und die Wirkung zu verstärken. Dagegen ist es sinnvoll, denselben Stoffwechselweg an unterschiedlichen Stellen zu hemmen. Deshalb kombiniert man Sulfonamide mit anderen Folsäureantagonisten. UrsachenUnkritische AnwendungEine wichtige Ursache ist die unkritische Verschreibung von Antibiotika. Beispielhaft ist die Verschreibungspraxis bei Bronchitis, bei der nur fünf Prozent der Hustenfälle auf Bakterien zurückzuführen sind, der Rest wird durch Viren verursacht, gegen die Antibiotika keinerlei Wirkung zeigen. Durch diesen breiten Einsatz bilden sich Resistenzen, bei einem echten Bedarf wirken die Antibiotika dann nicht mehr. Antibiotika dürfen deshalb nur eingesetzt werden, wenn sie eindeutig indiziert sind. Dies gilt zum Beispiel für Lungenentzündung und fieberhafte Harnwegsinfektionen. Die Therapie muss konsequent zu Ende geführt werden. Ein weiterer kritischer Punkt ist der unzureichende Abbau von Antibiotika im Körper. Dadurch gelangen Antibiotikareste ins Abwasser und Bakterien können in den Abwasserkanälen bzw. Kläranlagen durch den dauernden Selektionsdruck Resistenzen ausbilden. Auch durch unterdosierte Antibiotika können Bakterien Resistenzen ausbilden und Resistenzgene untereinander austauschen. Dieser Gen-Austausch findet insbesondere in Krankenhäusern statt, wo unterschiedliche Bakterienstämme in Kontakt miteinander kommen können und von Bett zu Bett getragen werden. So wird die Bildung von Resistenzen gefördert und auch die Verbreitung resistenter Keime (infektiöser Hospitalismus). Einsatz in der ViehzuchtEine weitere wichtige Ursache für die immer schnellere Verbreitung von Resistenzen ist die Verwendung von Antibiotika zum prophylaktischen Einsatz und als Wachstumsförderer in der landwirtschaftlichen Tierzucht. Mehrere europäische Länder haben diese Praktik deshalb in der Massentierhaltung zur Nahrungsmittelerzeugung seit Mitte der 90er Jahre untersagt. In Folge konnte die Resistenzrate zwar reduziert werden, dennoch bleibt die Ausbreitung der Resistenzen besorgniserregend.[3] Zudem konnte nachgewiesen werden, dass die landwirtschaftliche Ausbringung von Gülle zu einer Zunahme antibiotika-resistenter Bakterien im Boden führt. Außerdem gab es Hinweise, dass entsprechende Resistenzgene häufiger ausgetauscht wurden. Aufgrund des langen Verbleibs der Resistenzen im Boden ist damit ein Eintrag entsprechender Bakterien in die menschlichen Nahrungskette möglich.[4] Seit 2006 sind sogenannte Leistungsverstärker oder Mastbeschleuniger EU-weit verboten. Infektionen am Vieh dürfen weiterhin mit Antibiotika behandelt werden, was jedoch aus Tierschutzgründen auch nötig ist. Trifft es ein Geflügel, darf die gesamte Herde gleichzeitig behandelt werden. Die Schlachtung darf jedoch erst nach einer gewissen Zeit erfolgen, in der das Tier die Medikamente abgebaut hat (Wartezeit). Besonders über den Genuss roher Eier und ungenügend gebratenen Fleischs kommt es zur Infektion von Menschen. ResistenzbestimmungEs werden in der Regel automatisierte und in jedem Fall standardisierte Verfahren angewendet. Nach der Resistenzbestimmung werden die nachgewiesenen Keime als S - sensibel, I - Intermediär oder R - resistent bezeichnet. Die Resistenzbestimmung dient dem Mikrobiologen und dem behandelnden Arzt zur Auswahl einer gezielten antibiotischen Therapie. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten der Bestimmung von Resistenzen:
Es werden Abstriche genommen und in vitro auf Nährmedium oder in Zellkultur gezüchtet. Dieses Verfahren ist für die meisten Organismen das einfachste und billigste. Bei manchen Organismen kann diese Methode nicht eingesetzt werden, da diese zu langsam wachsen und zu aufwändig zu züchten sind (Bsp.: Mykobakterium).
Mithilfe von Antikörpern, die gegen Teile des gesuchten Organismus gerichtet sind, kann das Vorhandensein von resistenten Strängen oder Pathovaren direkt oder indirekt bestimmt werden. Die bekanntesten Methoden hierbei sind ELISA und der Western Blot.
Der Nachweis erfolgt durch gezielte Suche nach Resistenzgenen im Genom des jeweiligen Organismus. Diese Methode ist zurzeit die genaueste. Es werden Techniken wie PCR eingesetzt. Nachteile sind die oft zu lange Testdauer, der höhere Aufwand und der Preis. Auch kann ein Resistenzgen zwar vorhanden sein, aber nicht exprimiert werden, dadurch zeigt der Stamm keine Resistenz, wird jedoch durch diese Methode als Resistent erkannt. Arten der AntibiotikaresistenzJe nach Ursprung der Resistenz lassen sich diese in verschiedene Klassen einteilen.
ResistenzmechanismenAbhängig von der Wirkungsweise und vom eingesetzten Antibiotikum entwickelten sich im Laufe der Zeit verschiedene Mechanismen zur Reduzierung oder Neutralisierung der Wirkung. Alternative ProteineEs wird ein alternatives Protein gebildet, das dieselbe Funktionsweise hat wie das vom Antibiotikum blockierte. Ein Beispiel sind alternative Penicillin Bindeproteine (PBP). PBP sind für die Synthese des Mureins notwendig und werden normalerweise von β-Lactam-Antibiotika inaktiviert. Durch Mutationen entstehen neue Varianten, die nicht mehr inaktiviert werden können, dadurch wird das Bakterium resistent. Bei MRSA (Methicillin Resistent Staphyloccocus aureus) ist es beispielsweise PBP2a. Inaktivierende ProteineDas Bakterium produziert Proteine, die das Antibiotikum neutralisieren. Bekanntestes Beispiel hierfür sind die β-Lactamasen. Diese Proteine hydrolysieren β-Lactame am β-Lactam-Ring; dadurch kann das Antibiotikum nicht mehr an den Zielproteinen, den PBP, binden und zeigt somit keine Wirkung. Escherichia coli besitzt so genannte ESBL (extended spectrum beta lactamases), die eine Vielzahl von β-Lactam-Antibiotika, wie Cephalosporine und Penicilline, neutralisieren können. Ziel MutationenZielproteine oder Strukturen im Bakterium sind durch Mutationen verändert. So kommt es bei vielen vancomycinresistenten Stämmen zu einer Veränderung des Mureins. Es wird anstatt einer D-Alanin/D-Alanin Verbindung eine D-Alanin/D-Lactan Verbindung erzeugt. Dadurch bindet das eingesetzte Antibiotikum nicht mehr und ist wirkungslos. Posttranslationale/Posttranskriptionale ModifikationenWenn ein Antibiotika an einer bestimmten Stelle in einem Protein bindet und es dadurch inaktiviert, kann durch eine Modifikation nach der Translation oder der Transkription die Bindungskraft stark vermindert werden. So wird das Antibiotikum nur sehr schlecht oder gar nicht mehr gebunden. Ein Resistenzmechanismus gegen Streptomycin basiert auf der Modifikation eines Asparaginsäure-Restes im ribosomalen Protein S12. Reduzierte AufnahmeDurch Veränderungen der Zellwand kann das Antibiotikum nicht mehr nach innen diffundieren. Bekanntestes Beispiel hierfür ist die säurefeste Zellwand von Mycobakterien. Das ermöglicht eine Resistenz gegen eine Vielzahl von Antibiotika und Toxinen. Efflux-PumpenSpezielle Transportproteine (Multidrug Resistance-Related Proteine) geben in die Zelle eingedrungene Antibiotika nach außen ab, so dass die Konzentration innerhalb der Zelle niedrig genug gehalten werden kann um keinen Schaden anzurichten. Die Transporter, die hierfür zuständig sind, können in bestimmte Klassen eingeteilt werden. Ein Beispiel ist der RND-Transporter (Resistance-Nodulation-Cell Division), wovon Escherichia coli alleine sieben Verschiedene besitzt. ÜberproduktionDas vom Antibiotikum inaktivierte Protein wird in größeren Mengen als benötigt produziert. So inaktiviert das Antibiotikum den größten Teil des vorhandenen Proteins, es bleiben jedoch noch genügend funktionsfähige Moleküle erhalten, die ein Weiterleben der Zelle ermöglichen. So kann eine Überexpression von PBP zu einer Resistenz gegen Betalactame führen. Alternative StoffwechselwegeEin Stoffwechselprodukt, das von einem Antibiotikum blockiert wird, kann unter bestimmten Umständen durch ein anderes ersetzt werden. Bei Staphyloccus aureus kann eine Resistenz gegen Trimethoprim durch eine Auxotrophie von Trihydrofolat erreicht werden. Es wird im Stoffwechsel kein Trihydrofolat mehr benötigt, daher kann das Antibiotikum, welches dieses Molekül inaktiviert nicht mehr wirken. BiofilmeBiofilme sind in eine Schleim-Matrix eingebettete Ansammlungen von Mikroorganismen. Durch die dichte Besiedlung kommt es zur Ausscheidung von verschiedenen Substanzen als Schutz nach außen, auch ist eine Übertragung von genetischem Material und damit von Resistenzgenen vereinfacht. Allerdings ist der genaue Mechanismus noch nicht bekannt.[5] Gezielte MutationenDurch die Exprimierung bestimmter Faktoren kann die Fähigkeit der DNA-Polymerase zur Fehlerkorrektur stark gesenkt werden. Dadurch lassen sich leichter Mutationen induzieren. Die Resistenzbildung gegen Ciprofloxacin in einem Escherichia coli Stamm konnte durch deaktivieren des Mutationsfaktors lexA verhindert werden.[6] Eindringen in KörperzellenEs konnte im in-vitro-Modell mit Staphylococcus aureus gezeigt werden, dass Bakterien in Epithelzellen der Lunge eindringen können und dort in eine Art Ruhezustand mit stark veränderter Genaktivität versetzt werden. So wird mit reduziertem Stoffwechsel die Produktion zelltoxischer Substanzen und die Teilungsrate verringert. Erst beim Tod der Wirtszelle wird das bis dahin vor Antibiotika und Immunsystem geschützte Bakterium freigesetzt und aktiviert. Eine Behandlung mit Antibiotika tötete im Modell zwar die meisten Zellen innerhalb von vier Tagen ab, allerdings konnten auch noch nach zwei Wochen lebende Mikroben nachgewiesen werden. Dies könnte somit ein Mechanismus sein, der zu chronischen und wiederkehrenden Infektionen beiträgt.[7] VorkommenIn den USA sind etwa 70% der in Krankenhäusern erworbenen infektiösen Keime resistent gegen mindestens ein Antibiotikum. Oft sind Patienten mit Bakterienstämmen infiziert, die gegen mehrere Antibiotika resistent sind (Multiresistenz). Sogenannte Problemkeime sind dabei vor allem der Methicillin-resistente S. aureus (MRSA), Pseudomonas spec., Escherichia coli und Mycobacterium tuberculosis. Schätzungen des Centers for Disease Control and Prevention gehen für die USA von zwei Millionen im Krankenhaus erworbenen Infektionen für das Jahr 2004 aus, mit etwa 90.000 Todesfällen. Für andere Industrienationen gelten im Moment niedrigere Zahlen. In England und Wales verstarben 1992 51 Patienten an Infekten mit resistenten Mikroben, im Jahre 2002 waren es 800. In Schweden, Norwegen, den Niederlanden und Dänemark fallen die Resistenzquoten wesentlich besser aus, weil hier weniger großzügig verschrieben wird. Besonders anfällig sind Patienten mit Immunschwächen wie Schwerkranke oder mit HIV infizierte Personen. Auch bei Transplantationen liegt eine Gefährdung vor, weil diese Patienten Immunsuppressiva einnehmen, um der Gefahr entgegenzuwirken, dass das Immunsystem des Körpers das Transplantat abstößt. Im Jahr 2005 infizierten sich rund drei Millionen Europäer mit Keimen, die gegen bekannte Antibiotika resistent sind – 50.000 von ihnen starben daran.[8] Problematisch ist die Situation auch in den Entwicklungsländern, die Todesrate durch Infektionskrankheiten liegt in diesen Ländern bei 55% (AIDS miteingerechnet).[9] Es fehlt hier oftmals das Geld für moderne Antibiotika, sodass sich Resistenzen schnell ausbreiten. Literatur
Quellen
Kategorien: Antibiotikum | Antibiose |
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