Um alle Funktionen dieser Seite zu nutzen, aktivieren Sie bitte die Cookies in Ihrem Browser.
my.bionity.com
Mit einem my.bionity.com-Account haben Sie immer alles im Überblick - und können sich Ihre eigene Website und Ihren individuellen Newsletter konfigurieren.
- Meine Merkliste
- Meine gespeicherte Suche
- Meine gespeicherten Themen
- Meine Newsletter
Spondylitis ankylosans
Die Spondylitis ankylosans (latinisiertes Griechisch: Spondylitis „Wirbelentzündung“ und ankylosans „versteifend“) ist eine chronisch entzündliche rheumatische Erkrankung mit Schmerzen und Versteifung von Gelenken. Synonyme sind Morbus Bechterew oder Bechterewsche Krankheit (nach Wladimir Michailowitsch Bechterew), Bechterew-Strümpell-Marie-Krankheit, ankylosierende Spondylitis, rheumatoide Spondylitis und Spondylarthritis ankylopoetica. Sie gehört zur Gruppe der Erkrankungen der Wirbelsäulengelenke (Spondylarthropathien) und betrifft vorwiegend die Lenden- und Brustwirbelsäule und die Kreuz-Darmbeingelenke. Außerdem kann es auch zu Entzündungen der Regenbogenhaut des Auges und selten auch anderer Organe kommen. Weiteres empfehlenswertes Fachwissen
EpidemiologieDie Spondylarthropathien, zu denen die ankylosierende Spondylitis als einer der häufigsten Vertreter gehört, betreffen einer Studie an Berliner Blutspendern zufolge ca. 1,9 % der deutschen Bevölkerung.[1] Viele der mit eher milden Symptomen einhergehenden Erkrankungen werden nie diagnostiziert, so dass nur eine Minderheit der geschätzten knapp 1,6 Million Menschen mit Spondylarthropathien in Deutschland davon wissen dürfte. Die Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew e.V.[2] spricht von 100.000–150.000 diagnostizierten Fällen in Deutschland. Früher dachte man, Männer seien dreimal so häufig betroffen wie Frauen. Heute weiß man, dass beide Geschlechter gleichermaßen betroffen sind. Infolge des meist viel milderen Verlaufs bei Frauen, zumindest was die Verknöcherung der Wirbelsäule betrifft, wird Morbus Bechterew bei Frauen jedoch seltener diagnostiziert. Die ersten Symptome treten in westlichen Industrienationen meist im jungen Erwachsenenalter (20–25 Jahre) auf, in 5 % der Fälle liegt der Erkrankungsbeginn nach dem 40. Lebensjahr. UrsachenObwohl die Ursachen der Spondylitis ankylosans nicht vollständig bekannt sind, scheinen sie doch in einer Störung des Immunsystems zu liegen. Da nach der therapeutischen Hemmung des Tumornekrosefaktors-α (TNF-α) eine Linderung der Symptome eintritt[3], liegt es nahe zu vermuten, dass dieser eine zentrale Rolle im Entstehungsprozess der Erkrankung spielt. Im entzündeten Kreuz-Darmbeingelenk treten T-Helferzellen (CD4+ T-Lymphozyten), cytotoxische T-Zellen (CD8+ T-Lymphozyten) und Fresszellen auf, außerdem erhöhte Konzentrationen von TNF-α, obwohl kein Auslöser hierfür feststellbar ist. Eine Ursache könnten jedoch autoimmunologische Phänomene gegen das im Knorpel vorhandene und für seine Elastizität mitverantwortliche Proteoglycan Aggrecan sein.[4] Gemeinsamkeiten in Antigenen von Proteoglycanen könnten die Verteilung der betroffenen Stellen im Körper erklären. Bei vielen Patienten treten außerdem im Blut erhöhte Antikörper-Titer gegen Enterobakterien auf, es gibt jedoch bisher keine Hinweise, dass diese eine Rolle im Krankheitsverlauf spielen.[5] Eine Besonderheit ist die enge Assoziation der Erkrankung mit der Präsenz von HLA-B27, einem auf den weißen Blutkörperchen verankerten Antigen (Human Leukocyte Antigen). Dessen, je nach Ethnie verschieden häufiges Vorkommen steht in Beziehung zur Häufigkeit der Erkrankung. Es wird heute davon ausgegangen, dass die Ankylosierende Spondylitis größtenteils genetisch bedingt ist, wobei das HLA-B27-Gen die mit Abstand am besten bekannte, jedoch nicht die allein auslösende genetische Ursache ist.[6] PathologieHauptvorgang bei Morbus Bechterew ist die Entzündung der Sehnenansätze, besonders an Becken und Wirbelsäule. Begleitet wird diese durch Ödeme und Schäden am Knochenmark, das dann verknöchert. Die Entzündung des Kreuz-Darmbeingelenks (Sacroiliitis) ist eine der ersten Erscheinungen. Betroffen sind dabei sowohl Sehnenansatz als auch Gelenkkapsel. Unterhalb des Gelenkknorpels bildet sich Granulationsgewebe, mit Infiltration durch Lymphozyten und Makrophagen. Die beschädigten Ränder der Gelenke werden zuerst durch Faserknorpel ersetzt, verknöchern dann aber, wodurch das Gelenk versteift wird. In der Wirbelsäule kommt es durch diesen Prozess zur Bildung von Knochenspangen (Syndesmophyten), die benachbarte Wirbel überbrücken. Dies führt zur Bildung der sogenannten Bambuswirbelsäule. Weitere Schäden an der Wirbelsäule sind Osteoporose, Abnutzung der Wirbelkörper an den Rändern und Entzündung mit anschließender Zerstörung der Übergänge zwischen Bandscheibe und Knochen. Klinisches BildDie ersten Symptome treten üblicherweise in der späten Jugend oder im frühen Erwachsenenalter auf. Zuerst äußern sie sich in stumpfem Schmerz in der Lenden- und Gesäßregion. Dazu gesellt sich mehrere Stunden lange morgendliche Steifheit, die sich mit Bewegung lindert bzw. nach Ruhephasen wiederkehrt. Innerhalb weniger Monate ist der Schmerz anhaltend und beidseitig. Etwa 25 bis 35 Prozent der Patienten klagen über Arthritis in Schulter-, Hüft- und Iliosakralgelenk (Sakroiliitis). Dies tritt zumeist mit Bewegungseinschränkungen und Schmerzen auf. Arthritis in anderen Gelenken tritt bei 30 Prozent der Patienten auf, häufig asymmetrisch. Es kommt zu schmerzhaften Entzündungen der Sehnenansätze (Enthesopathien). Besonders betroffen sind hier die Achillessehne, die Plantaraponeurose in der Fußsohle und Sehnenansätze an Oberschenkelknochen und Becken (Trochanteren, Sitzbein, Beckenkamm). Weiterhin verliert die Wirbelsäule an Mobilität. Der Krankheitsverlauf ist sehr variabel, reicht von leichter Steifheit bis hin zur kompletten Verschmelzung der Wirbel mit damit einhergehender Bewegungseinschränkung des Oberkörpers, beidseitiger Arthritis des Hüftgelenks, Arthritis der Gelenke in den Gliedmaßen und Manifestationen außerhalb der Gelenke. Schmerzen sind üblicherweise nur zu Beginn der Krankheit ununterbrochen, im späteren Verlauf sind sie eher periodisch. In typisch verlaufenden unbehandelten Fällen treten charakteristische Veränderungen an der Haltung des Patienten auf. Die Lendenlordose (Vorwärtskrümmung) der Wirbelsäule verschwindet, die Gesäßmuskeln verkümmern (Atrophie) und die Kyphose (Rückwärtskrümmung) der Brustwirbelsäule wird ausgeprägter. Die schwerwiegendste Komplikation der Erkrankung ist ein Knochenbruch innerhalb der Wirbelsäule. Die porösen Knochen können schon bei leichtem Trauma brechen, womit die Gefahr der Verletzung des Rückenmarks besteht. Häufigste Erscheinung außerhalb der Gelenke ist eine akute anteriore Uveitis (Entzündung der mittleren Augenhaut). Sie tritt zumeist nur auf einer Seite auf und ist begleitet von Lichtscheu und erhöhter Tränenproduktion. Begleiterscheinungen sind Grauer und Grüner Star. Bei einem Großteil der Patienten treten außerdem Entzündungen des Dickdarms und Krummdarms auf. Diese sind üblicherweise asymptomatisch, in fünf bis zehn Prozent der Fälle schreitet dies jedoch zu chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen fort. Seltenere Begleiterscheinungen sind Schädigungen der Lunge, Aorteninsuffizienz und andere Funktionsstörungen des Herzens. DiagnostikDer Zeitraum bis zur Diagnose beträgt nach Informationen der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew (DVMB) im Durchschnitt fünf bis sieben Jahre, in einigen Fällen jedoch bis zu 15 Jahre, was bei sorgfältiger Untersuchung vermeidbar ist. Eine frühzeitige Diagnosestellung ist wichtig, um bleibende Verformungen des Bewegungsapparates zu vermeiden. Die Diagnosestellung erfolgt auf Grund der Anamnese und der Erfüllung der Diagnosekriterien der ESSG (European Spondylarthropathy Study Group) aus dem Jahre 1991.[7][8] Diese sind entweder Wirbelsäulenschmerzen vom entzündlichen Typ oder Arthritis/Synovitis (Entzündung der Gelenkkapsel), entweder asymmetrisch oder an den unteren Extremitäten, sowie eines der folgenden Kriterien:
Mit der Erkrankung einhergehende Bewegungseinschränkungen können durch bestimmte einfache Untersuchungen genauer bestimmt werden (Schober-Maß, Ott-Maß, Kinn-Brustbein-Abstand, Hinterkopf-Wand-Abstand, Atemabhängige Änderung des Brustumfangs). Differentialdiagnostisch muss Morbus Bechterew von anderen Erkrankungen des Bewegungsapparates wie Osteoporose, Bandscheibenvorfall sowie bakteriellen Entzündungen und Tumorerkrankungen der Wirbelkörper unterschieden werden. LaborbefundeEs gibt keinen eindeutigen Labortest für eine Spondylitis ankylosans. 90 % der Betroffenen haben das HLA-B27-Gen, allerdings kommt dieses Gen bei ca. 9 % der deutschen Bevölkerung vor. Das Vorkommen dieses Gens ist also lediglich ein Risikofaktor, der die Wahrscheinlichkeit zu erkranken erhöht, die große Mehrheit der Genträger bleibt jedoch gesund. In den Laboruntersuchungen zeigen sich Zeichen einer Entzündung, das heißt die Erythrozytensedimentationsrate, die Konzentration des C-reaktiven Proteins und von Immunglobulin A sind erhöht, in schweren Fällen gelegentlich auch die Aktivität der alkalischen Phosphatase. Der Rheumafaktor ist negativ. Eine leichte Anämie kann vorhanden sein. Bildgebende VerfahrenIn Röntgenbildern sind viele der Veränderungen am Bewegungsapparat sichtbar: Sacroiliitis, Knochenspangen zwischen benachbarten Wirbeln, Spondylarthritis, Enthesopathien (Fersensporn) und Verknöcherungen des Wirbelkörperbandapparates, was letztendlich zur Bildung der sogenannten Bambusrohrform der Wirbelsäule führt. Im MRT ist eine Sacroiliitis schon Jahre eher erkennbar. TherapieBeim Morbus Bechterew ist es sehr wichtig, sich regelmäßig zu bewegen und systematisch Krankengymnastik zu machen, um die Gelenke beweglich zu halten und eine Kyphose zu vermeiden. Dies kann für die Betroffenen jedoch oft sehr schmerzhaft sein. Damit kann die Beweglichkeit des Körpers oft ausreichend erhalten werden. Seit 2003 ist der Wirkstoff Etanercept zugelassen, seit 2006 der erste vollständig humane monoklonale Antikörper Adalimumab. Es handelt sich dabei um TNF-α Blocker, die die durch TNF-α vermittelten Entzündungsprozesse hemmen. Mit diesem noch sehr teuren Präparat werden in vielen Fällen gute Ergebnisse erzielt und es ist noch nicht abzusehen, wie sich die Prognose für betroffene Patienten durch die Anti-TNF-α-Therapie ändern wird, da noch keine Erkenntnisse über einen längeren Zeitraum vorliegen. Nachteile sind die hohen jährlichen Therapiekosten (bei Behandlung mit Etanercept mehr als 20.000 €) und die starken Nebenwirkungen, die aus der aggressiven Unterdrückung des Immunsystems resultieren. Hierzu gehört die Gefahr der (Re-)Aktivierung latenter Infektionen, z.B. einer Tuberkuloseinfektion, demyelinisierende Erkrankungen, Störungen der Blutbildung und ein erhöhtes Risiko der Lymphombildung. [9] Vor Aufkommen der TNF-α-Blocker Adalimumab, Etanercept und Infliximab wurden gegen die Schmerzen wie auch als kausale, antientzündliche Therapie nichtsteroidale Antirheumatika wie z. B. Indometacin eingesetzt, darüber hinaus bei bestimmten Formen Sulfasalazin und das Zytostatikum Methotrexat. Außerdem sollen, Studien zufolge, Pamidronat, ein Bisphosphonat, Thalidomid (der Contergan-Wirkstoff, wirkt vermutlich auch durch Hemmung von TNF-α) und das radioaktive Isotop Radium 224 als Infusion wirksam sein. [10] Bei sehr weit fortgeschrittenen Erkrankungsstadien gibt es auch operative Therapieoptionen, bei denen die bereits versteifte Wirbelsäule in einer aufwändigen und komplikationsreichen Operation an mehreren Stellen „gebrochen“ und mit Metallplatten in einer aufrechteren Stellung verschraubt wird. Obwohl sich die Beweglichkeit der Wirbelsäule dadurch nicht verbessert, kann eine deutliche Steigerung der Lebensqualität die Folge sein, weil unter anderem das Blickfeld der Betroffenen deutlich größer wird. Bei Beteiligung der Hüftgelenke kann ebenfalls eine Operation mit Einsetzen einer Hüftprothese hilfreich sein. Alternative Therapien sind eine stärkefreie Diät, um die Darmflora zu reduzieren [11] und Dehnübungen wie Yoga und Pilates als Erweiterung zur Bechterew-Gymnastik. Außerdem wird in verschiedenen Kurorten (z. B. Bad Kreuznach, Bad Gastein im Gasteiner Heilstollen, Bad Schlema) Radon zur Therapie verwendet. Dabei sollen die Radonbäder schmerzstillend und entzündungshemmend wirken und eine allgemeine Verbesserung der Lebensqualität zur Folge haben. [12][13] Erfolg versprechend ist auch das in den argentinischen Anden gelegene Thermalbad Copahue. Seine stark schwefelhaltigen Quellen die aus dem vulkanischen Untergrund des zwischen Argentinien und Chile gelegenen Vulkans Copahue stammen, haben äußerst positive Wirkungen bei allen rheumatischen Erkrankungen bis hin zum Morbus Bechterew. Vielen Patienten ist es hier bereits nach wenigen Anwendungen möglich, die in der Regel starken Medikamente abzusetzen, was im Hinblick auf die Nebenwirkungen dieser Medikamente alleine schon einen beachtlichen Erfolg darstellt. Vielen bereits auf Gehhilfen oder den Rollstuhl angewiesenen Patienten wird sogar die Beweglichkeit wiedergegeben, die Gehhilfe und Rollstuhl überflüssig machen. PrognoseDer Krankheitsverlauf ist häufig schubweise und variiert zwischen verschiedenen Patienten. Einer Invalidisierung kann durch Bechterew-Gymnastik vorgebeugt werden. Bei Frauen verläuft Spondylitis ankylosans häufig milder, eine Versteifung der Wirbelsäule tritt hier seltener auf. Der Einfluss der Spondylitis ankylosans auf die Lebenserwartung ist umstritten. Einige, jedoch nicht alle, Studien legen nahe, dass eine Verkürzung der Lebenserwartung auftritt. Todesfälle im Zusammenhang mit Spondylitis ankylosans sind meist Folgen von Verletzungen des Rückenmarks, Ateminsuffizienz, Aorteninsuffizienz oder durch Nebenwirkungen der Behandlung wie Blutungen im oberen Verdauungstrakt bedingt. Geschichtliche AspekteDie Verknöcherung von Gelenken und Sehnenansätzen, insbesondere im axialen Skelett, als Hinweise auf eine Erkrankung an Spondylitis ankylosans, wurden bereits an einer 5000 Jahre alten ägyptischen Mumie entdeckt. [14] Der Anatom und Chirurg Realdo Colombo beschrieb 1559 eine Krankheit, deren Symptome ebenfalls auf Spondylitis ankylosans zutreffen[15], die erste Beschreibung der krankhaften Veränderungen an der Wirbelsäule erfolgte dann 1691 durch Bernard Connor[16]. Bei einem ähnlichen Patienten wurde 1818 durch Benjamin Brodie eine Entzündung der Regenbogenhaut dokumentiert[17]. 1858 veröffentlichte David Tucker eine Broschüre, in der er den Fall eines Patienten namens Leonard Trask beschreibt, der an einer schweren Missbildung der Wirbelsäule in Folge von Spondylitis ankylosans litt[18]. Dies war der erste dokumentierte Fall von Spondylitis ankylosans in den USA. Erst gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts (1893–1898) erfolgte die erste vollständige Beschreibung der Erkrankung durch Wladimir Bechterew in Russland im Jahre 1893[19], Adolf von Strümpell in Deutschland 1897[20] und Pierre Marie in Frankreich 1898[21]. Aus diesem Grund wird Spondylitis ankylosans auch als Morbus Bechterew oder Bechterew-Strümpell-Marie-Krankheit bezeichnet. Fußnoten
LiteraturFachliteratur
Patientenratgeber
Kategorien: Krankheitsbild in der Rheumatologie | Autoimmunerkrankung |
|||||||||||
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Spondylitis_ankylosans aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |