Wie Proteine Inseln bilden
Forscher identifizieren Eiweiß, das die Entstehung von Autoimmunerkrankungen verhindert
Kathrin Kläsener
Die Forschung sieht Autoimmunerkrankungen bislang häufig als die Folge einer Hyperaktivität des Immunsystems an; neuerdings jedoch wird immer deutlicher, dass solche Erkrankungen auch aus einer zu schwachen Reaktion des Systems resultieren. Diese Erkenntnis, die durch die Studie der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gestützt wird, könnte neue Therapieansätze hervorbringen. Bisher versucht die Medizin, die Immunantwort bei Betroffenen zu unterdrücken, stattdessen ließen sich Autoimmunerkrankungen aber auch mit alternativen Strategien, wie beispielsweise einer Gentherapie, behandeln.
Die Gruppe entschlüsselte die elementare Funktion von Caveolin-1 in der Plasmamembran von B-Zellen, den Zellen des Immunsystems, die Antikörper herstellen. B-Zellen erkennen Stoffe über ihren B-Zell-Rezeptor, der aus der Zelloberfläche herausragt und so als eine Art Antenne dafür sorgt, dass die B-Zelle jegliche Art von Eindringlingen wie Bakterien und Viren erkennt. Nach deren Bindung an den Rezeptor wird die B-Zelle aktiviert und kann so Erreger unterschiedlicher Art bekämpfen. Aktuelle Studien beispielsweise von Michael Reth zeigen, dass die Antennen nicht zufällig auf der Zelloberfläche verteilt sind, sondern sich in organisierten Proteininseln zusammenfinden, die verschmelzen, sobald ein Stoff an den B-Zell-Rezeptor bindet. Das Team um Minguet hat herausgefunden, dass das Protein Caveolin-1 diese Organisation auf der Zelloberfläche reguliert und damit für die Aktivierung der B-Zelle und für das Auslösen der Immunantwort entscheidend ist. Ohne Caveolin-1 führt eine Bindung von Viren oder Bakterien an der B-Zelle zu einem verringerten Aktivierungssignal, was zu einer abgeschwächten Immunantwort führt.
B-Zellen werden im Körper ausgebildet, um körpereigene von körperfremden Substanzen zu unterscheiden. Dieser Prozess basiert auf der effizienten Signalweiterleitung des B-Zell-Rezeptors. B-Zellen, die kein Caveolin-1 bilden, können den Rezeptor auf der Zellmembran nicht richtig anordnen und versagen somit in der Signalweiterleitung. In der Folge erkennen B-Zellen ohne Caveolin-1 auch körpereigene Stoffe. Diese ordnen sie jedoch als körperfremd ein, was zur B-Zell-Aktivierung und einer ungewollten Immunantwort führt und demzufolge eine Autoimmunerkrankung auslösen kann. Dies wiesen die Forschenden in Experimenten mit Mäusen nach.
Die Ergebnisse der Gruppe haben das Potenzial, das Wissen über Autoimmunerkrankungen und deren Behandlung zu verbessern – auch da es der Wissenschaft bisher an geeigneten Tiermodellen fehlt, die dieselben Immundefekte zeigen, die sich bei Menschen beobachten lassen.
Originalveröffentlichung
"Caveolin-1-dependent nanoscale organization of the BCR regulates B cell tolerance"; Susana Minguet, Kathrin Kläsener, Anna-Maria Schaffer, Gina J Fiala, Teresa Osteso-Ibánez, Katrin Raute, Inmaculada Navarro-Lérida, Frederike A Hartl, Maximilian Seidl, Michael Reth & Miguel A Del Pozo; Nature Immunology; 2017