Glückshormon Dopamin steuert Immunabwehr
Forscher simulieren Mechanismus der Kommunikation in Infektionsprozessen
© HZI/Manfred Rohde
Durch sein Immunsystem ist unser Körper in der Lage, in einer Umwelt mit vielen Krankheitserregern zu überleben. Neben der uns angeborenen Immunität verfügen wir dazu über ein lernendes System, welches erst nach der Geburt in einem fein balancierten Zusammenspiel mit der Umwelt ausgebildet wird. Dringt ein Fremdstoff in den Körper ein, bilden spezialisierte Abwehrzellen, die B-Lymphozyten oder kurz B-Zellen, Antikörper-Moleküle dagegen. Diese erkennen wiederum den Eindringling anhand seiner Strukturmerkmale der Antigene – und bekämpfen ihn. Bindet eine B-Zelle mit ihrem Rezeptor an ein Antigen, produziert die Zelle direkt einen passenden Antikörper oder beteiligt sich an der „Gründung“ eines Keimzentrums, in dem diese Antikörper weiterentwickelt und dann in größerer Menge produziert werden.
„Die Keimzentren sind besonders interessant in der Infektionsforschung. Sie sind die Ausbildungsstätten für Antikörper“, sagt Prof. Michael Meyer-Hermann. „Sie entwickeln sich im Verlauf einer Immunantwort in den Lymphknoten, in die verschiedene Arten von Immunzellen einwandern.“ Meyer-Hermann leitet die Abteilung „System-Immunologie“ am Braunschweig Integrated Centre of Systems Biology (BRICS), einer gemeinsamen Einrichtung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung und der Technischen Universität Braunschweig.
Im Keimzentrum findet eine Kooperation zwischen den B-Zellen und einem anderen Typ von Immunzellen, den T-Lymphozyten (oder T-Zellen) statt: „Die aktivierten B-Zellen vermehren sich und diversifizieren ihre Antikörper durch Mutation. Durch Selektion in Interaktion mit den T-Zellen steigern die Antikörper ihre Affinität zu den Antigenen. Nur die effektivsten bleiben übrig. Diesen evolutionären Vorgang bezeichnet man auch als Affinitätsreifung“, sagt Meyer-Hermann. „Bislang ist die B-Zelle die einzige bekannte Zelle, die sich aktiv selbst mutiert und damit einen evolutionären Prozess innerhalb eines Organismus ermöglicht, der bei jeder Impfung ausgelöst wird.“
Während die B-Lymphozyten speziell gegen bestimmte Erreger oder schädigende Stoffe gerichtete Antikörper produzieren, erkennen T-Zellen die auf der B-Zelloberfläche präsentierten Antigene. Die enge Interaktion der T- und B-Zellen im Keimzentrum stand im Fokus der Forscher. „Die Kontaktstelle zwischen den B- und T-Zellen wird auch als immunologische Synapse bezeichnet“, sagt Meyer-Hermann „Ihre Analogie mit Synapsen zwischen Nervenzellen hat bereits viele Forscher fasziniert. In beiden Synapsen geht es um die Übertragung von Informationen.“ Aus vorherigen Studien war bereits bekannt, dass es Moleküle gibt, die im Gehirn und im Immunsystem unterschiedliche Funktionen haben. Dopamin ist einer der bedeutendsten Neurotransmitter im Zentralen Nervensystem.
Im Rahmen eines von Human Frontier Science Program (HFSP) teilgeförderten Projekts untersuchten Carola Vinuesa (Canberra, Australien), Michael Dustin (Oxford, Großbritannien) und Michael Meyer-Hermann (Braunschweig, Deutschland) in Zusammenarbeit mit Claudio Doglioni (Mailand, Italien) den Einfluss des Neurotransmitters Dopamin auf die Keimzentrumsreaktion in menschlichen Tonsillen den Mandeln. In der Studie konnten sie zeigen, dass T-Zellen in den menschlichen Keimzentren Dopamin ausschütten und damit die für die Selektion von B-Zellen notwendigen Signale schneller hochregulieren. Die durch Dopamin induzierte Signalkaskade dauert in B-Zellen menschlicher Keimzentren nur 30 Minuten. In Mäusen, bei denen dieser Dopamin-abhängige Signalweg fehlt, erstreckt sich die gleiche Signalkaskade über vier Stunden.
„Da es nicht möglich ist, die Auswirkungen am Menschen zu studieren, untersuchten wir bestimmte Fragestellungen mit der Hilfe von Computersimulationen“, sagt Michael Meyer-Hermann. Ziel der Studie war es, festzustellen, wie sich die Affinitätsreifung von B-Zellen im Keimzentrum durch den zusätzlichen Dopamin-abhängigen Signalweg verändert.
Sebastian Binder und Philippe Robert forschen in Meyer-Hermanns Abteilung und verwendeten ein mathematisches Modell zur Simulation einer Keimzentrumsreaktion, welches mit vielen experimentellen Daten validiert wurde. Basierend auf den vorliegenden Erkenntnissen wurden Keimzentren mit und ohne den Dopamin-abhängigen Signalweg simuliert. „Zu unserer Überraschung haben wir keinen Einfluss von Dopamin auf die Affinitätsreifung gefunden. Unsere intuitive Schätzung, dass Antikörper früher produziert werden, wurde bestätigt“, sagt Meyer-Hermann. „Der unerwartete und deutlichste Effekt des Dopamin-gesteuerten Prozesses war eine stark erhöhte Menge von produzierten Antikörpern.“ Die mathematische Modellierung der Forscher kommt zu dem Ergebnis, dass eine schnellere Signalkaskade in B-Zellen den Output des Keimzentrums um 24 Stunden beschleunigen und die Gesamtantikörpermenge deutlich steigern könnte.
„Es ist faszinierend, dass der ganze Signalweg der Steuerung der Immunantwort über den Neurotransmitter Dopamin beim Menschen existiert, aber nicht bei Mäusen“, sagt Meyer-Hermann. Dies könnte nicht nur bei der Verbesserung von Immunantworten nach Impfungen in der älteren Bevölkerung interessant werden. Die Verwendung eines Dopamin-abhängigen Signalwegs in der immunologischen Synapse zwischen T- und B-Zellen im Lymphknoten könnte einen evolutionären Vorteil bei einer Infektion bieten. Das bedeutet einen Überlebensvorteil bei einer Infektion mit sich schnell entwickelnden Viren, Toxinen oder anderen infektiösen Stoffen, die mit einer hohen Anzahl hochselektiver Antikörper aufzuhalten sind. „Für bestimmte Krankheiten ist es sehr wichtig, die Antikörper etwas früher und in größerer Menge zu haben“, sagt Meyer-Hermann. „Speziell für Ebola-Patienten ist die frühe Antikörperbildung extrem relevant. Sie entscheidet über Leben oder Tod der Patienten.“
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Themenwelt Antikörper
Antikörper sind spezialisierte Moleküle unseres Immunsystems, die gezielt Krankheitserreger oder körperfremde Substanzen erkennen und neutralisieren können. Die Antikörperforschung in Biotech und Pharma hat dieses natürliche Abwehrpotenzial erkannt und arbeitet intensiv daran, es therapeutisch nutzbar zu machen. Von monoklonalen Antikörpern, die gegen Krebs oder Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden, bis hin zu Antikörper-Drug-Konjugaten, die Medikamente gezielt zu Krankheitszellen transportieren – die Möglichkeiten sind enorm.
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