Zusammenhang zwischen Immunsystem, Hirnstruktur und Gedächtnis entdeckt
University of Basel, Transfaculty Research Platform Molecular and Cognitive Neurosciences
Das Immunsystem des Körpers erfüllt lebenswichtige Aufgaben, wie die Abwehr gegen Bakterien und Krebszellen. Das menschliche Gehirn wird allerdings durch eine spezielle Barriere, die sogenannte Blut-Hirn-Schranke, von den Immunzellen im Blutkreislauf getrennt. Die Schranke schützt das Gehirn vor im Blut zirkulierenden Krankheitserregern und Toxinen. Gleichzeitig trennt sie die Immunzellen des menschlichen Körpers in solche, die ihre Funktion im Blut erfüllen und in solche, die spezifisch im Gehirn eingreifen. Bisher ging man davon aus, dass das Gehirn grösstenteils unbeeinflusst vom Immunsystem funktioniert.
Allerdings haben sich in den letzten Jahren Hinweise verdichtet, dass das Immunsystem des Blutes das Gehirn dennoch beeinflussen könnte. Wissenschaftler der transfakultären Forschungsplattform Molecular and Cognitive Neurosciences (MCN) der Universität Basel haben nun in zwei unabhängigen Studien gezeigt, dass dieser Zusammenhang zwischen Immunsystem und Gehirn grösser ist als vermutet.
Suche nach Regulationsmustern
In der ersten Arbeit haben die Forschenden im Blut von 533 jungen und gesunden Studienteilnehmenden nach epigenetischen Profilen gesucht, also nach Regulationsmustern von Genen. In ihrer genomweiten Suche haben sie ein epigenetisches Profil identifiziert, welches stark mit der Dicke der Hirnrinde korreliert, insbesondere in einer Region des Gehirns, die für Gedächtnisfunktionen wichtig ist. Dieser Befund wurde in einer unabhängigen Untersuchung an weiteren 596 Personen bestätigt. Es zeigte sich ausserdem, dass insbesondere solche Gene, die für die Regulation von wichtigen Immunfunktionen im Blut verantwortlich sind, den Zusammenhang zwischen dem epigenetischen Profil und den Gehirneigenschaften erklären.
Genvariante verstärkt traumatische Erinnerungen
In der zweiten Arbeit haben die Forschenden das Genom von gesunden Studienteilnehmenden untersucht, die sich besonders gut oder besonders schlecht an negative Bilder erinnern konnten. Eine Variante des Gens TROVE2, dessen Rolle bei immunologischen Erkrankungen aktuell erforscht wird, trägt dazu bei, dass sich Probanden an besonders viele negative Bilder erinnern konnten. Die allgemeine Erinnerungsfähigkeit blieb indes unbeeinflusst.
Diese Genvariante führte auch zu gesteigerter Aktivität bestimmter Hirnregionen, die für das Erinnern von emotionalen Erlebnissen wichtig sind. Die Forschenden haben ebenfalls herausgefunden, dass das Gen bei Personen mit traumatischen Erlebnissen mit der Stärke der traumatischen Erinnerungen in Verbindung steht.
Die Ergebnisse beider Studien zeigen, dass sowohl die Gehirnstruktur als auch das Gedächtnis mit der Aktivität von Genen zusammenhängen, die gleichzeitig wichtige Funktionen der Immunregulation im Blut übernehmen. «Die genauen Mechanismen der entdeckten Zusammenhänge müssen zwar noch eruiert werden, aber wir hoffen, dass sich hier neue therapeutische Möglichkeiten ergeben», so Prof. Andreas Papassotiropoulos, Co-Leiter der Forschungsplattform MCN der Universität Basel. Das Immunsystem kann durch bestimmte Medikamente teilweise präzise beeinflusst werden und solche Medikamente könnten auch gestörte Hirnfunktionen günstig beeinflussen.
Innovative Forschungsmethoden
Diese neuartigen Erkenntnisse wurden dank modernster neurowissenschaftlicher und genetischer Methoden an der Forschungsplattform MCN der Universität Basel ermöglicht. Die Forschungsplattform unter der Leitung von Prof. Andreas Papassotiropoulos und Prof. Dominique de Quervain hat sich das bessere Verständnis von Hirnfunktionen beim Menschen und die Entwicklung neuer Therapien für psychiatrische Erkrankungen zum Ziel gesetzt.
Originalveröffentlichung
Virginie Freytag et al.; "A peripheral epigenetic signature of immune system genes is linked to neocortical thickness and memory"; Nature Communications (2017)
Angela Heck et al.; "Exome sequencing of healthy phenotypic extremes links TROVE2 to emotional memory and PTSD"; Nature Human Behaviour (2017)