Erstes langzeitstabiles Hirnimplantat auf Basis einer entzündungshemmenden Beschichtung entwickelt
Christian Böhler, Maria Asplund
An der Arbeit waren der Mikrosystemtechniker Christian Böhler aus der Nachwuchsforschungsgruppe von Dr. Maria Asplund im Exzellenzcluster BrainLinks-BrainTools, Prof. Dr. Thomas Stieglitz, Professur für Biomedizinische Mikrotechnik am Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK), und Prof. Dr. Ulrich G. Hofmann, Sektion Neuroelektronische Systeme an der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Freiburg, beteiligt. „Die meisten bidirektionalen Neuroimplantate, also solche, die zur Messung und gleichzeitigen Stimulation eingesetzt werden, erkennt das Immunsystem nach einer Weile als Fremdkörper. Dadurch wird ihre Funktionsweise so eingeschränkt, dass sie nach einigen Wochen kaum noch Signale verarbeiten", sagt Böhler. Die Nachwuchsforschungsgruppe hat gezeigt, dass flexible Mikrosonden aus so genannten Polyimiden Vorteile gegenüber Implantaten beispielsweise aus Silizium bieten. „Jedoch können auch damit Entzündungsreaktionen auftreten, die die Elektroden unbrauchbar machen oder sogar eine Entfernung des Implantats nach sich ziehen", ergänzt Asplund. In ihrer Studie zeigten die Forschenden nun am Tiermodell, dass diese Begleiterscheinungen durch eine spezielle Beschichtung der Elektroden auf dem Polyimid-Implantat auch nach längerer Zeit ausbleiben.
Die Beschichtung der Elektroden besteht aus dem Polymer PEDOT, das Medikamente speichern und beim Anlegen von negativer Spannung wieder freisetzen kann – in diesem Fall das entzündungshemmende Präparat Dexamethason. „Auf diese Weise können wir das Medikament direkt um das Implantat herum ausschütten, die Dosierung regulieren und den Zeitpunkt seiner Verabreichung bestimmen", erläutert Böhler. Im Vergleich zu einer herkömmlichen Einnahme sind so eine deutlich geringere Dosierung nötig und eine lokal begrenzte Wirkung möglich. Dadurch werden unerwünschte Effekte des Medikaments reduziert. Bereits Anfang 2016 hatte das Team gezeigt, dass PEDOT ideale Eigenschaften als Medikamententräger besitzt.
„Mit unserer Studie können wir die Überlegenheit von flexiblen Mikrosonden gegenüber anderen Bauweisen untermauern", bilanziert Asplund. Das Implantat der Freiburger Mikrosystemtechnik halte zudem länger: „Wir stehen vor dem Anbruch einer neuen Generation von neuronalen Schnittstellen. Endlich können wir durch unsere Beschichtungsmethode langlebigere Mikrosonden bauen", ist sich Böhler sicher. Mit dem System könnten vielversprechende Wege in der Langzeitbehandlung beispielsweise mit tiefer Hirnstimulation eingeschlagen werden. Besonders profitieren würden davon Patienten, deren nervlicher Zustand nicht nur regelmäßiger Stimulation, sondern auch einer engmaschigen Messung und Überwachung bedarf. Das können Parkinson- und Epilepsiepatienten genauso wie Menschen mit Zwangserkrankungen oder schwerer Depression sein.