Wenn sich der Körper selber bekämpft

Autoimmunität und Infektionen

09.01.2017 - Schweiz

Basler Mediziner sind einem möglichen Zusammenhang zwischen Autoimmunkrankheiten und Infektionen auf der Spur: Wenn die Abwehrzellen bestimmte Proteine aus den Erregerzellen aufnehmen, können Fehler auftreten.

Bekannt ist, dass Autoimmunität – die Unfähigkeit eines Organismus, seine Teile als körpereigen zu erkennen – und Infektionen zusammenhängen. So kommt es in der Bevölkerung durch zunehmende Hygiene häufiger zu autoimmunen Erkrankungen. Zudem zeigt sich, dass manche Autoimmunkrankheiten durch Infektionen ausgelöst werden. Doch der Mechanismus hinter diesen Zusammenhängen wird noch nicht vollständig verstanden. Eine mögliche Erklärung lautet, dass das Immunsystem Proteinstrukturen von Erregern mit körpereigenen Proteinen verwechselt, weil sie sich strukturell ähnlich sehen.

Fehler bei der Proteinaufnahme

Einer neuen Hypothese ist das Basler Forschungsteam mit Kollegen vom Whitehead Institute in Cambridge (USA) in Experimenten nachgegangen: Dabei legte es die spezielle Fähigkeit von Immunzellen zugrunde, bestimmte Proteine auf der Oberfläche benachbarter Zellen zu erkennen und sie aus der Zellmembran aufzunehmen. Bei der Aufnahme dieser Proteine kann es in bestimmten Fällen zu Fehlern kommen, wie nun die Gruppe um Prof. Tobias Derfuss zeigt.

Ihre Vermutung: Bestimmte Immunzellen, sogenannte B-Lymphozyten, nahmen nicht nur das Protein eines Grippevirus auf, für das sie spezialisiert waren, sondern auch geringe Mengen anderer benachbarter Membranproteine, nämlich etwa ein als Autoantigen bekanntes Protein aus der Zellmembranschicht im zentralen Nervensystem. Eine Immunreaktion gegen dieses Membranprotein führt im Tiermodell zu einer autoimmunen Entzündung im Gehirn und kann beim Menschen wahrscheinlich ebenfalls zu einer solchen Entzündung beitragen.

Schädliche Abwehrzellen

B-Lymphozyten, die mit Zellen kultiviert wurden, die sowohl das Grippevirus-Protein als auch das Membranprotein integriert hatten, konnten nicht nur andere Immunzellen, bestimmte T-Lymphozyten, gegen das Virus aktivieren. Ebenso in Gang gesetzt wurden T-Lymphozyten, welche das körpereigene Membranprotein erkannt hatten – was eine autoimmune Entzündung des Gehirns auslösen kann. Somit könnte eine Virusinfektion über einen Fehler bei der Proteinaufnahme von B-Lymphozyten zu einer Aktivierung von autoaggressiven T-Lymphozyten führen.

Die Forschenden haben diesen Mechanismus nach Experimenten mit Zellen von genetisch veränderten Mäusen entdeckt. «Der nächste Schritt wäre nun, zu untersuchen, ob auch bei den B-Lymphozyten des Menschen ähnliche Fehler bei der Proteinaufnahme vorkommen. Weiter wollen wir klären, ob eine Virusinfektion im Tier unter bestimmten Umständen zu einer autoimmunen Entzündung im Gehirn führen kann», kommentiert Derfuss das Ergebnis. Entsprechende Folgeprojekte sind geplant.

Originalveröffentlichung

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