Erfolge mit Herzgewebe aus dem Labor
DZHK/Weinberger
Zebrafische und einige Amphibienarten können es, Säugetiere und der Mensch können es nicht: abgestorbene Herzmuskelzellen durch neue ersetzen. Nach einem Infarkt bleibt beim Menschen eine Narbe im Herzmuskel zurück, wodurch sich die Herzleistung meist dauerhaft verschlechtert.
Kardiologen träumen deshalb davon, das abgestorbene Gewebe durch künstliches zu ersetzen. Ein Forscherteam um Prof. Thomas Eschenhagen vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) und vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf konnte nun einen beachtlichen Erfolg auf diesem hart umkämpften Forschungsgebiet erzielen. Es gelang den Forschern, im Labor gezüchtetes menschliches Herzgewebe auf kranke Herzen von Meerschweinchen zu transplantieren. Meerschweinchen verwendeten sie, weil deren Herzen von allen Kleintierherzen dem menschlichen am nächsten kommen. Das Gewebe wuchs an und die Herzleistung der Tiere verbesserte sich um bis zu 30 Prozent.
Umprogrammierte Körperzellen werden zu Herzzellen
Einer der Erstautoren der Studie, Dr. Florian Weinberger (weitere Erstautoren: Dr. Kaja Breckwoldt, Dr. Simon Pecha), erläutert, was die Arbeiten der Gruppe von anderen Ansätzen unterscheidet: „Wir verwenden induzierte pluripotente Stammzellen, das sind umprogrammierte menschliche Körperzellen, aus denen jede Art von Gewerbe gezüchtet werden kann. Im Gegensatz dazu arbeiten Gruppen außerhalb von Europa häufig mit embryonalen Stammzellen. In Europa dürfen diese Zellen jedoch nicht zur Transplantation am Menschen eingesetzt werden.“
Und noch einen entscheidenden Unterschied gibt es: Die Forscher haben aus den Herzzellen im Labor dreidimensionale Streifen gezüchtet, die wie ein Flicken auf das Herz genäht werden. Andere Gruppen hingegen spritzen Zellsuspensionen direkt in den Herzmuskel. Die Vor- und Nachteile der beiden Ansätze beschreibt Weinberger so: „Der Großteil der gespritzten Zellen wird aus dem Herzen wieder ausgewaschen bzw. überlebt die Injektion nicht. Das ist ineffizient und kann auch gefährlich sein, wenn nämlich einzelne Zellen noch nicht zu Herzmuskelzellen ausgereift, also noch pluripotent sind. Sie könnten in den Körper gelangen und Tumoren bilden.“ Dafür lasse sich die Methode aber sehr einfach per Katheter durchführen. Der Vorteil von dreidimensionalem Gewebe wie in der vorliegenden Studie sei, dass man viel weniger von den sehr teuren Zellen bräuchte. Und dass sie ausgewaschen werden, komme vermutlich seltener vor, so der Mediziner.
Die Wissenschaftler machten auch Kontrollversuche mit anderen Gewebestreifen, wofür sie Endothelzellen verwendeten. Damit wollten sie ausschließen, dass bereits die Stabilisierung des Herzmuskels durch beliebiges Gewebe zur Erhöhung der Leistung führte. Das war jedoch nicht der Fall, die Herzleistung dieser Tiere verbesserte sich nicht. Damit keine subjektiven Einschätzungen in die Ergebnisse einfließen konnten, führten die Forscher die Versuche verblindet durch, das heißt, sie wussten selbst nicht, welche Tiere das Herzgewebe und welche anderes Gewebe bekommen hatten.
Original- und Ersatzzellen schlagen (meist) im Takt
Die zuckenden Streifen aus dem Labor haben ihren eigenen Rhythmus und nur wenn sie am Ende mit dem Originalherz im Takt schlagen, erreichen sie die volle Leistungsfähigkeit. Wichtig für die Eignung des Ersatzgewebes ist daher die sogenannte elektrophysiologische Kopplung. „Um diese zu erreichen haben wir das Gewebe ober- und unterhalb der Narbe auf gesundes Gewebe genäht“, sagt Weinberger. Diese Kopplung konnten die Forscher bei einigen Tieren beobachten. Ob sie auch bei den anderen Tieren erfolgt war und vielleicht nur von ihrer Messmethode nicht erfasst werden konnte, wissen sie noch nicht.
Die nächsten Schritte bis zur Anwendung am Menschen
Um die Methode einmal beim Menschen anwenden zu können, sind noch einige Schritte nötig. Aus Sicherheitsgründen müssen die Forscher genau untersuchen, ob und wie viele Zellen ausgewaschen werden. Außerdem wollen sie Dosisuntersuchungen machen, um herauszufinden, ob sie für den gleichen Effekt vielleicht die Menge an Zellen reduzieren können. Auch der Zeitpunkt der Therapie kann eine Rolle spielen. „Wir wissen noch nicht, ob es Unterschiede gibt, wenn das Gewebe kurz nach der Schädigung transplantiert wird oder wenn der Schaden im Herzen schon chronisch ist“, so Weinberger. Und schließlich müssten die Versuche bei größeren Tieren wie Schweinen wiederholt werden, deren Herz-Kreislauf-System dem von Menschen noch viel ähnlicher sei. Für diese Schritte hin zur klinischen Anwendung, die man auch Translation nennt, stellt das DZHK noch einmal eine größere Summe an Forschungsgeldern bereit.