Von Hefezellen lernen: Neue Ansätze für die Therapie von Parkinson

08.09.2016 - Deutschland

Hefezellen gehören zu den ältesten Kulturbegleitern des Menschen für die Herstellung von Brot, Bier oder Wein. Doch Hefezellen können auch helfen, etwas Neues über komplexe menschliche Krankheiten zu lernen. Göttinger Grundlagenforscher nutzten Hefezellen als Referenzzellen für das Studium zellulärer Mechanismen bei Morbus Parkinson – und haben neue Erkenntnisse über krankmachende Prozesse gewonnen.

Braus / CNMP

Gesunde Hefezellen (oben) und kranke Hefezellen (unten) mit Ansammlungen von α-Synuklein-Aggregaten (grün). Mitochondrien (rot) liegen in den kranken Zellen stark fragmentiert vor, wenn der protektive Faktor Yhb1 fehlt (unten).

Wissenschaftlern des Exzellenzclusters und DFG-Forschungszentrums für Mikroskopie im Nanometerbereich und Molekularphysiologie des Gehirns (CNMPB) der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), ist es gelungen, einen komplexen Mechanismus näher zu analysieren, der für die Zellsterblichkeit bei der Parkinson Erkrankung eine wesentliche Rolle spielt. Zudem gelang es ihnen, einen Faktor zu identifizieren, der eine neuroprotektive Wirkung auf menschliche Zellen ausübt, also die Nervenzellen vor vorzeitigem Absterben schützt. Die Ergebnisse liefern neue, vielversprechende Ansätze für die Therapie der Parkinson’schen Erkrankung.

Die Parkinson Krankheit ist eine sehr häufig auftretende neurodegenerative Erkrankung, die etwa ein Prozent der Bevölkerung über 60 Jahre betrifft. Ursächlich für die Entstehung von Morbus Parkinson ist das Absterben von Nervenzellen in der Substantia nigra, einer speziellen Region des Mittelhirns. Besondere Hoffnung liegt daher auf der Entwicklung geeigneter Therapieansätze, die die Sterblichkeit von Nervenzellen herabsetzen.

Die betroffenen Nervenzellen weisen große Ansammlungen von Aggregaten des alpha-Synuklein-Proteins (α-Synuklein) auf. Die auch als Lewy-Körperchen bezeichneten Strukturen entstehen aus sogenannten α-Synuklein-Oligomeren, kleineren Vorstufen, die eine toxische Wirkung auf die Nervenzellen entfalten. Wie der zellschädigende (toxische) Effekt von α-Synuklein gezielt beeinflusst werden kann, ist Ansatz vieler Studien.

Die Funktionalität von Proteinen kann nach ihrer Bildung in Zellen durch nachträgliche strukturelle Veränderungen beeinträchtigt werden. Zu diesen sogenannten „posttranslationalen Modifikationen“ gehört unter anderem die Anheftung verschiedener Nitro- (Nitration) oder Phosphatgruppen (Phosphorylierung) an bestimmte Aminosäuren, den Bausteinen der Proteine. Bereits bekannt ist, dass die Phospho-rylierung des α-Synuklein-Proteins an die Aminosäure Serin an Position 129 (Se-rin129) einen neuroprotektiven Effekt für Zellen hat. Dieser beruht auf einer deutlich reduzierten Bildung von Aggregaten des Proteins, deren Abbau und somit auf einer verminderten Zellsterblichkeit.

In ihrer jüngst veröffentlichten Studie beschäftigten sich die Göttinger Wissenschaftler mit der Frage, ob und inwiefern diese Modifikation in Kombination mit anderen posttranslationalen Veränderungen die Toxizität von α-Synuklein beeinflussen kann. Als Modellzelle nutzten die Göttinger Wissenschaftler Hefezellen, die in der Lage sind, menschliches α-Synuklein-Protein zu produzieren.

Ergebnisse im Detail

Die Wissenschaftler konnten erstmals zeigen, dass die Nitration der Aminosäure Tyrosin an vier bestimmten Positionen des α-Synukleins maßgeblich zu erhöhter Zellsterblichkeit beiträgt. Diese Form der Modifizierung kann eine Folge von oxidativem Stress sein und ist ein typisches Merkmal neurodegenerativer Erkrankungen. Im von den Göttinger Forschern verwendeten Parkinsonmodell fördert die Tyrosin-Nitration die Bildung toxischer α-Synuklein-Aggregate und die Fragmentierung von Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle. Dies führt zu einer starken Verminderung des Zellwachstums. Darüber hinaus hebt die Nitration der Tyrosine den schützenden Effekt der Phosphorylierung von Serin129 auf, in deren direkter Umgebung sie liegen.

Die Nitration fördert aber auch die Interaktion von α-Synuklein-Molekülen. Die dabei entstehenden stabilen α-Synuklein-Dimere üben wiederum einen schützenden Effekt aus und setzten die Sterblichkeit der Zellen herab. Interessanterweise kann der positive Effekt der Dimerbildung die neurotoxische Wirkung der Nitration nur mindern, nicht aber ausgleichen. Ein weiterer Beleg für das komplexe Zusammenspiel der verschiedenen Modifizierungen: Liegt die Aminosäure Tyrosin an Position 133 des α-Synukleins nicht in modifizierter Form vor, wird auch die Phosphorylierung von Serin129 unterbunden. Dies wiederum hat einen schützenden Effekt auf die Zellen, fördert den Abbau der toxischen α-Synuklein-Aggregate und setzt so die Zellsterblichkeit herab.

Besonders interessant: Die Forscher konnten im Hefezellmodell einen Faktor identifizieren, der die Zellen vor dem Absterben schützt. Yhb1 verhindert die Anheftung von Nitrogruppen an α-Synuklein, während die Dimerbildung nicht betroffen ist. Strukturanalysen bestätigten, dass in menschlichen Zellen ein verwandtes Protein existiert. Neuroglobin (NGB) ist in der Lage, genau wie Yhb1, eine Nervenzellen-schützende Wirkung zu entfalten, indem es die Aggregation von α-Synuklein verhindert.

„Auf Grundlage dieser neuen Erkenntnisse über die molekularen Prozesse, die für die zelltoxische Wirkung von α-Synuklein verantwortlich sind, kann der Faktor Neuroglobin als ein vielversprechender Ansatzpunkt für die Entwicklung von Behandlungsstrategien der Parkinson Erkrankung betrachtet werden”, sagt Koautorin der Studie Dr. Blagovesta Popova, Institut für Mikrobiologie und Genetik der Universität Göttingen.

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