Molekulare Qualitätskontrolle: Wie Chaperone defekte Proteine erkennen
Joshua Stokes, St. Jude Children’s Research Hospital
Chaperone sind sozusagen die TÜV-Prüfer der Zelle. Es handelt sich um Proteine, die wiederum andere Proteine auf Qualitätsmängel untersuchen, bevor diese die Zelle verlassen.
Fällt ein Auto durch den TÜV, hat es Mängel, die zu schweren Unfällen führen können. Faltet sich ein Eiweiß in eine fehlerhafte Struktur, kann das zu schweren Krankheiten führen. Beispiele sind neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer, aber auch Stoffwechselerkrankungen wie Mukoviszidose und Diabetes.
Matthias Feige, Professor für Zelluläre Proteinbiochemie an der TUM, hat gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam um Linda Hendershot am St. Jude Children’s Research Hospital in Memphis/TN, USA, untersucht, wie Chaperone fehlerhafte Proteine erkennen. Den Fokus legten die Wissenschaftler dabei auf Eiweiße, die im sogenannten Endoplasmatischen Retikulum produziert werden. "Unser Interesse liegt hauptsächlich in der zellulären Proteinfaltung", erklärt Feige. "Es ist eine faszinierende Frage, wie sich die Proteine auf molekularer Ebene selbst organisieren – und wie die Zelle Fehler in diesem Prozess erkennt."
Defekte Proteine müssen von der Zelle abgebaut werden
Das Endoplasmatische Retikulum besteht aus einem Netz von Hohlräumen in der Zelle und ist auf die Proteinfaltung und ihre Qualitätskontrolle spezialisiert, da ein Drittel aller menschlichen Proteine dort produziert werden. Wie bei jeder Produktion können hier Fehler passieren: Lösliche Proteine bilden mithilfe hydrophober (wasserabweisender) Aminosäuresequenzen einen sogenannten Faltungskern, um den sich der Rest des Proteins strukturieren kann. Passieren aber in dem Faltungsprozess Fehler, so kann es sein, dass diese hydrophoben Bereiche nicht im Kern, sondern auf der Oberfläche der Proteine zu finden sind.
Da diese Sequenzen dazu führen können, dass die Eiweiße verklumpen, können sie für die Zelle oder den ganzen Organismus gefährlich werden.
Per Shuttle in die Zelle
Bisher war nur bekannt, dass Chaperone hydrophobe Aminosäuren-Sequenzen auf der Oberfläche von Proteinen identifizieren können. Die Proteine, die solche Sequenzen aufweisen, werden aber nicht zwingend abgebaut – denn nicht alle Eiweiße mit hydrophoben Aminosäuresequenzen auf der Oberfläche sind zwangsläufig defekt. Wie genau die Zelle entscheidet, ob ein Protein so gefährlich ist, dass es abgebaut werden sollte, blieb ungeklärt.
Die Forscher entwickelten eine neue Methode, mit der es ihnen möglich war, das Verhalten der Chaperone direkt im lebenden biologischen System der Zelle zu beobachten. Dazu brachten sie genau definierte Sequenzen von Aminosäuren, den Bausteinen der Proteine, mittels eines Shuttlesystems in das Endoplasmatische Retikulum der Zelle. Durch diesen Trick konnten sie unter biologisch relevanten Bedingungen beobachten, welche Sequenzen unterschiedliche Chaperone erkennen.
Zwei Klassen von Chaperonen
Dabei fanden sie heraus, dass nicht nur eine, sondern zwei Klassen von Chaperonen im Endoplasmatischen Retikulum existieren, die jeweils unterschiedliche Typen von hydrophoben Aminosäuresequenzen erkennen. Die von den nun erstmals als solchen beschriebenen Chaperonen der zweiten Klasse erkannten Sequenzen sind dabei besonders anfällig dafür, miteinander zu verklumpen. Werden diese erkannt, können die Proteine rasch abgebaut werden.
"Das ist ein wichtiges Puzzleteil bei der Aufklärung der Frage wie molekulare Qualitätskontrolle funktioniert" sagt Feige. "In weiteren Arbeiten gilt es nun auch strukturell zu verstehen, wie die Chaperone ihre Zielsequenzen erkennen."
Auch für die biotechnologische Herstellung von Proteinen wie etwa Antikörpern sind diese Arbeiten wichtig. Um zu verhindern, dass diese Pharmazeutika zu schnell vom Körper abgebaut werden, können die Biotechnologen nun dafür sorgen, dass die entsprechenden Sequenzen nicht auf der Proteinoberfläche erscheinen.