Blutstammzellen: Selbsterneuerung abhängig von Umgebung

Blutbildung: Knochenmarks- und Blutstammzellen in engem Austausch

05.11.2015 - Deutschland

Stammzellen haben zwei wichtige Fähigkeiten: sie können sich in viele unterschiedliche Zelltypen entwickeln und sich gleichzeitig selbst zu frischen Stammzellen erneuern. Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) fanden jetzt am Modellsystem der Blutbildung (hematopoetisches System) heraus, welche Signalwege genau bei der Selbsterneuerung von ­Blut­stamm­zel­len­ eine essentielle Rolle spielen. Hierbei ist vor allem der gegenseitige Austausch mit den ­um­ge­ben­den­ Gewebezellen im Knochenmark entscheidend.

Rouzanna Istvanffy / TUM

Auf der Abbildung ist eine Gewebezelle des Knochenmarks einer Maus zu sehen, die den Botenstoff CTGF (rot) absondert. Der Zellkern ist in blau angefärbt.

Das Blut wird über Blutstammzellen im Knochenmark gebildet. Diese Zellen und die Gewebezellen des Knochenmarks bilden eine so genannte „Nische“. Ist der Mensch gesund, so befinden sich die Blutstammzellen in einem Ruhemodus. Verliert er aber zum Beispiel durch einen Unfall viel Blut oder ein Erreger zerstört während einer Infektion Blutzellen, dann werden die Stammzellen aktiviert.

Infolgedessen wechselt das gesamte System zur Bildung von Blutzellen von einem Ruhe- in einen Alarmmodus. Die aktivierten Blutstammzellen bilden alle Blutzelltypen neu, um den Verlust auszugleichen oder den Erreger zu bekämpfen. Gleichzeitig wird der Stammzellen-Pool über Selbsterneuerung aufrechterhalten.

Damit beginnt auch eine komplexe Kommunikation zwischen Blutstamm- und Gewebezellen, die bisher noch nicht genau untersucht worden ist. „Wir wollten in unserer Studie herausfinden, welche Signale aus dem Gewebe wichtig für den Erhalt und die Funktionalität der Stammzellen sind, und welche Signale von den Blutstammzellen die Mikroumgebung beeinflussen“, erklärt Prof. Robert Oostendorp von der III. Medizinischen Klinik am TUM Klinikum rechts der Isar, die von Prof. Christian Peschel geleitet wird. Mit Dr. Rouzanna Istvánffy und Dr. Baiba Vilne aus seinem Team untersuchte Robert Oostendorp in gemischten Kulturen aus Gewebe- und Stammzellen die Kommunikation zwischen den beiden Zelltypen.

Gewebezellen lösen Erneuerung von Stammzellen aus

Um das komplexe System aus Signalwegen zu entwirren, nutzten die Wissenschaftler eigene Ergebnisse aus der Analysen von Faktoren, die bei der Wechselwirkung der Gewebe- und Stammzellen hoch- oder herunterreguliert werden. Sie verknüpften diese mit den in der Literatur beschriebenen Signalwegen. Diese Informationen führten sie dann in einem bio-informatischen Computermodell zusammen. Dabei kooperierten die Wissenschaftler mit der Forschungsgruppe um Prof. Hans-Werner Mewes, Professor für Genomorientierte Bioinformatik an der TUM. Anschließend bestätigten sie das computergenerierte Signalweg-Modell ausführlich in Zellexperimenten.

„Das Ergebnis war durchaus interessant: das ganze System funktioniert als Feedback-Schleife. Im Alarmzustand beeinflussen zuerst die Stammzellen das Verhalten der Gewebezellen – diese dann rückwirkend auch wieder das der Stammzellen und zwar für einen sehr wichtigen Schritt: Sie regen die Stammzellen zur Selbsterneuerung an“, fasst Robert Oostendorp die Ergebnisse zusammen.

Wichtiger Aspekt auch für Leukämietherapien

Mit den Ergebnissen der Wissenschaftler lässt sich nun ein klares Bild zeichnen: im Alarmmodus geben die Stammzellen Signalstoffe ab, die wiederum Gewebezellen dazu veranlassen den Botenstoff CTGF abzusondern. Dieser ist essentiell für den Erhalt der Stammzellen über die Selbsterneuerung. Fehlt CTGF allerdings, altern die Stammzellen und können keinen Nachschub bilden.

„Unsere Erkenntnisse könnten für Therapien gegen Leukämie wichtig sein. Hier sind die Stammzellen hyperaktiv und teilen sich unkontrolliert“, so Oostendorp. „Leukämische Blutzellen befinden sich im ständigen Alarmmodus und wir würden daher eine ähnliche Wechselwirkung mit den Gewebezellen erwarten“. Bisher seien aber nur die eigentlichen defekten Stammzellen im Fokus. „Aus unserer jetzigen Sicht wäre es wichtig, auch die Umgebungszellen in Therapieansätze zu integrieren, da sie starken Einfluss auf das Teilungsverhalten der Stammzellen haben“, sagt der Wissenschaftler.

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