Ungesunde Ernährung ist weltweit größtes Krankheitsrisiko
Überernährung inzwischen größeres Problem als Unterernährung
Die Situation der Welternährung hat sich seit 1990 stark gewandelt. „Zwar gibt es immer noch Krisenregionen vor allem in Afrika, wo es zu wenig zu essen gibt und Kinder an Unterernährung sterben“, sagt Dr. Dietrich Garlichs, Geschäftsführer der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „In den meisten Ländern ist der Mangel jedoch einem Überfluss an ungesunden und kalorienreichen Nahrungsmitteln gewichen.“ Die Ernährungsgewohnheiten der Weltbevölkerung hätten sich dramatisch verändert, so Garlichs. „Auch in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen ist die Ernährung heute durch einen Mangel an gesundem Obst und Gemüse und dem zunehmenden Verzehr von dickmachendem Fastfood und Süßgetränken gekennzeichnet“, ergänzt Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Präsident der DDG.
Chronische Erkrankungen wie Herz-Kreislauferkrankungen und Diabetes nehmen deshalb zu. Nach einer kürzlich im Lancet veröffentlichten Aktualisierung der Global Burden of Disease Study 2013 waren vierzehn Ernährungsrisiken für insgesamt 11,3 Millionen Todesfälle und 241,4 Millionen verlorene Lebensjahre in Gesundheit (DALY) verantwortlich. Ein zu hoher BMI ist Grund für 4,4 Millionen Todesfälle und 134 Millionen DALYs. Zum Vergleich: Die Mangelernährung von Müttern und Kindern führte „nur“ noch zu 1,7 Millionen Todesfällen und 176,9 Millionen DALYs.
Die Folgen sind in vielen Ländern nicht mehr zu übersehen. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren 2014 mehr als 1,9 Milliarden Erwachsene übergewichtig, davon 600 Millionen sogar fettleibig. Auch die Anzahl der Diabetespatienten steigt rasant an. Weltweit sind derzeit 382 Millionen Menschen betroffen, bis 2035 wird die Zahl voraussichtlich auf 592 Millionen steigen. „Es gibt derzeit kein Land, in dem die Zahl der Menschen mit Typ-2-Diabetes nicht zunimmt“, so Gallwitz.
Besonders dramatisch ist die Situation derzeit in Lateinamerika. Die DDG verweist in diesem Zusammenhang auf einen Bericht der WHO-Lateinamerika (Pan American Health Organization), nach dem der Pro-Kopf-Verzehr von Fastfood-Produkten seit 2000 um mehr als ein Viertel gestiegen ist. „Lateinamerika hat sich innerhalb kürzester Zeit nach Nordamerika, Australien, Asien und Westeuropa zum viertgrößten Absatzmarkt für Fastfood und Süßgetränke entwickelt“, sagt Garlichs. „Der Kontinent erlebt eine starke Adipositas-Welle, der eine Zunahme von Diabeteserkrankungen folgen wird.“
Diese Entwicklung ist so dramatisch, dass sie nach Ansicht der DDG-Experten einen Paradigmenwechsel der Präventionspolitik erfordert. „Den Menschen muss die Entscheidung für einen gesundheitsbewussten Lebensstil erleichtert werden“, sagt Garlichs. Dazu gehöre eine einfache Lebensmittelkennzeichnung nach dem Ampelprinzip, Anreize und Preissignale durch eine Zucker-Fettsteuer und jeden Tag eine Stunde Sport in Kita und Schule. „Die bisherige Strategie der Gesundheitspolitik, an die Vernunft des Einzelnen zu appellieren, ist nachweislich gescheitert, wie der Tsunami der chronischen Krankheiten zeigt“, so Garlichs. Deshalb fordere auch die WHO den Paradigmenwechsel von der Verhaltensprävention zur Verhältnisprävention, um gesundheitsbewusstes Verhalten zu erleichtern. „Nur so werden wir das jetzt in die Weltentwicklungsziele aufgenommene Ziel, die chronischen Erkrankungen bis 2030 um ein Drittel zu reduzieren, erreichen können“, sagt der DDG Geschäftsführer.
Auch Deutschland hat sich mit der Verabschiedung der Weltentwicklungsziele verpflichtet, die nichtübertragbaren Krankheiten bis 2030 um ein Drittel zu reduzieren. „Dies wird aber nur gelingen, wenn die deutsche Gesundheitspolitik den von der WHO geforderten Paradigmenwechsel zur Verhältnisprävention endlich einleitet“, sagt Garlichs.
Die 14 Ernährungs-Risikofaktoren laut der Burden of Disease Study:
- Zu wenig Obst
- Zu wenig Gemüse
- Zu wenig Vollkorn
- Zu wenig Nüsse und Samen
- Zu wenig Milch
- Zu viel rotes Fleisch
- Zu viele Wurstwaren
- Zu viele zuckerhaltige Getränke
- Zu wenig Ballaststoffe
- Suboptimale Kalziumversorgung
- Zu wenig Omega-3 Fettsäuren <