Dialyse: Blutprotein als Risikofaktor
Anders Berg / Christiane Drechsler
Harmloser Harnstoff ergibt toxisches Cyanat
Im Blut von Nierenkranken häuft sich unter anderem Harnstoff an, ein eigentlich harmloses Abfallprodukt des Stoffwechsels. „Aus dem Harnstoff kann allerdings toxisches Cyanat entstehen, das sich an die Blutproteine bindet“, erklärt die Ärztin Christiane Drechsler aus der Nephrologie des Würzburger Universitätsklinikums.
Das gefährliche Cyanat setzt sich auch an Albumin fest, einem der wichtigsten Blutproteine. Das hat drastische Folgen: Das carbamylierte Albumin – so der Fachausdruck – neigt nun dazu, sich an schadhafte Stellen in den Blutgefäßen anzulagern. Damit verstärkt es den Prozess der Arterienverkalkung und mindert so die Überlebenschancen der Dialyse-Patienten.
Aminosäuren können Risiko verringern
„Wir haben einen deutlichen Zusammenhang gefunden: Je mehr carbamyliertes Albumin im Blut ist, desto kleiner fällt die Überlebenschance der Patienten aus“, sagt Christiane Drechsler. Und die Konzentration des gefährlichen Albumins wiederum ist umso höher, je weniger Aminosäuren sich im Blut befinden. Denn offenbar können Cystein, Histidin, Lysin und andere Aminosäuren die Entstehung des „Risiko-Albumins“ verhindern – auch das haben die Würzburger Wissenschaftler mit Kollegen aus Boston (USA) nachgewiesen. Für die Studie wurden Daten von 1.255 Dialyse-Patienten ausgewertet.
Pilot-Studie mit 200 Patienten geplant
Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe des Journals „Science Translational Medicine“ veröffentlicht. Sie zeigen einen neuen Weg auf, über den sich die Lebenserwartung von Nieren- und Dialyse-Patienten möglicherweise erhöhen lässt: durch die Verabreichung von Aminosäuren als vorbeugendes Mittel. „Ob das funktioniert, wollen wir nun mit rund 200 Dialyse-Patienten in einer Pilotstudie klären, die wir derzeit vorbereiten“, so Professor Christoph Wanner, Leiter der Nephrologie am Würzburger Universitätsklinikum.
Drei Haupterträge der Untersuchung
Die Studie der Würzburger und Bostoner Wissenschaftler zeigt nicht nur eine neue Möglichkeit auf, die Überlebensraten von Dialyse-Patienten zu verbessern. Sie birgt noch zwei weitere Vorteile, wie Christiane Drechsler erklärt: „In der Diagnostik bietet sich carbamyliertes Albumin als prognostischer Marker an. Außerdem könnte daraus ein Marker werden, mit dem sich die Qualität der Dialyse-Behandlung über einen längeren Zeitraum beurteilen lässt, ähnlich wie beim HbA1c-Test für Diabetiker.“